Einführung ins Erbrecht Teil 2: Die gewillkürte Erbfolge – 1. Der Erblasser

Das Gesetz gibt dem Erblasser zur Gestaltung der Weitergabe seines Vermögens nach seinem Tode im Rahmen der Testierfreiheit die Möglichkeit einen Erben zu bestimmen. Der Erblasser kann den Erben nach eigenem Belieben bestimmen. Er ist an verwandtschaftliche Beziehungen nicht gebunden. So können auch Bekannte, Nachbarn, Arbeitskollegen, Angestellte, Vereine oder religiöse Institute als Erben eingesetzt werden. Man spricht von einer gewillkürten Erbfolge.
Die gewillkürte Erbfolge geht der gesetzlichen vor. Nur wenn der Erblasser es unterlässt den Erben zu bestimmen, § 1937 BGB, tritt die gesetzlich Erbfolge ein.


Bei der Bestimmung des Erben hat der Erblasser zwei Möglichkeiten: er kann dies entweder durch ein Testament oder durch einen Erbvertrag tun. In der Praxis am bedeutendsten ist das Testament. Daher wird das Testament in den folgenden Kapiteln ausführlich dargestellt. In diesem Kapitel werden die allgemeinen Voraussetzungen für die gewillkürte Erbfolge aufgeführt. Einzelne Punkte werden nur kurz angerissen und in späteren Kapiteln vertieft.

1. Der Erblasser
Der Erblasser muss im Zeitpunkt der Errichtung der letztwilligen Verfügung testierfähig sein. Testierfähigkeit, § 2229 BGB, ist die Einsichtsfähigkeit, ein Testament zu errichten und dessen Rechtsfolgen zu wollen. Der Erblasser muss sich ein klares Urteil bilden können, welche Tragweite sein Handeln hat, insbesondere welche Wirkungen es auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der zukünftigen Erben hat. Nicht jeder ist testierfähig.

Die Fähigkeit ein wirksames Testament zu erreichten hängt vom Alter des Erblassers und von seiner Geistestätigkeit ab:

  • Personen unter 16 Jahren sind nicht testierfähig, § 2229 I BGB. Sie können kein Testament errichten. Dies können sie selbst nicht mit Zustimmung der gesetzlichen Vertreter, welche meistens die Eltern sind. Eine Vertretung des Minderjährigen durch seine Eltern ist nicht zulässig, da die letztwillige Verfügung ein höchstpersönliches Rechtsgeschäft ist.
  • Personen, die zwar das 16. Lebensjahr, aber noch nicht das 18. Lebensjahr vollendet haben, können ohne Zustimmung der gesetzlichen Vertreter ein Testamten errichten, § 2229 II BGB. Es besteht allerdings eine Einschränkung zum Schutze des Minderjährigen: er kann kein privatschriftliches Testament erreichten. Er kann nur die Form des öffentlichen Testaments durch Erklärung gegenüber dem Notar oder durch Übergabe einer offenen Schrift wählen, §§ 2233, 2232 BGB.
  • Nach Vollendung des 18. Lebensjahres, also der Erreichung der Volljährigkeit, ist der Erblasser voll testierfähig. Er kann ab diesem Zeitpunkt ohne jede Einschränkung von allen Testamentsformen Gebrauch machen.
  • Trotz Volljährigkeit des Erblassers kann er nach § 2229 IV BGB kein wirksames Testament errichten, wenn er unter krankhaften Störungen der Geistestätigkeit, Geistesschwäche und der Bewusstseinsstörung leidet. Nicht jede Geisteskrankheit oder Geistesschwäche führt zur Testierunfähigkeit. Das Bayrische Oberlandesgericht hielt einem Erblasser, der unter krankhaften Wahnvorstellungen litt, er werde von Zigeunern in seinem Hause bedroht, für voll testierfähig . Entscheidend für die Testierunfähigkeit ist, ob der Erblasser in der Lage ist, die Bedeutung seiner Verfügung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Die Testierfähigkeit führt nur dann zur Unwirksamkeit der Verfügung, wenn sie im konkreten Augenblick der Errichtung des Testaments vorliegt. So kann auch in einem lichten Moment ein wirksames Testament vom Erblasser errichtet werden. Die Testierfähigkeit ist die Regel, die Testierunfähigkeit der Ausnahmefall. Der Erblasser ist solange als testierfähig zu behandeln, bis seine Unfähigkeit zur vollen Überzeugung des Gerichts nachgewiesen ist.
  • Personen, die unter Betreuung, §§ 1896 ff BGB stehen, sind nicht automatisch testierunfähig. Hier muss auch geprüft werden, ob eine Testierunfähigkeit aufgrund krankhafter Störung der Geistestätigkeit, Geistesschwäche oder Bewusstseinsstörung nach § 2229 IV BGB vorliegt. Steht der Erblasser unter Betreuung mit Einwilligungsvorbehalt, d.h. er kann nur wirksame Verfügungen mit Zustimmung des Betreuers vornehmen, kann nichts anderes gelten. Nach § 1903 II BGB gilt der Einwilligungsvorbehalt nicht für letztwillige Verfügungen.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch "Erbrecht – Eine Einführung“ von Harald Brennecke, Dr. Maren Augustin und Isabell Hartung, ISBN 978-3-939384-17-5.


 

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Über die Autoren:

Harald Brennecke, Rechtsanwalt

Portrait Harald-Brennecke

Harald Brennecke ist seit 1997 mit erbrechtlichen Mandaten befasst.
Als Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht berät er insbesondere bei der Gestaltung von Unternehmertestamenten, der Übertragung von Unternehmensanteilen und der Ausarbeitung von Unternehmererbverträgen im Hinblick auf die Sicherung der Unternehmensnachfolge. Als Fachanwalt für Insolvenzrecht berät er Erben und potenzielle Erben bei überschuldetem Nachlass in Bezug auf Erbausschlagung, Dürftigkeitseinreden und der Beantragung und Begleitung bei Nachlassinsolvenzverfahren.
Er berät weiterhin bei der Erstellung von Testamenten und der Gestaltung von Vermögensübergängen, insbesondere aus erbschaftssteuerlicher Sicht und der Auseinandersetzung von Erbengemeinschaften. Er berät bei Pflichtteilsansprüchen, Vermächtnissen sowie bei Fragen der Vorerbschaft und Nacherbschaft. Er begleitet Erben bei der Beantragung von Erbscheinen und der Abwicklung der Erbschaft.

Harald Brennecke hat im Erbrecht veröffentlicht:

  • "Erbrecht – Eine Einführung“ von Harald Brennecke und Dr. Maren Augustin, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-17-5
  • „Erbschaftssteuer- und Schenkungssteuerrecht: Das Recht der Erbschafts- und Schenkungssteuer. Möglichkeiten zur Verringerung der Steuerbelastung bei Erbschaften und Schenkungen“, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-16-8

Bereits 1999 war er Experte für Erbrecht in einer Serie von Live-Fernsehsendungen.
Rechtsanwalt Brennecke ist Dozent für Erbrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.

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