17 UWG - Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen – Teil 23 – Computergestützte Betriebsspionage, Reverse Engineering

4.5.4.1.1. Computergestützte Betriebsspionage

Ein besonders relevanter Fall der Anwendung technischer Mittel zur Sicherung oder Verschaffung eines Geheimnisses betrifft die computerbasierte Betriebsspionage.

Zu dem Begriff der computergestützten Spionage zählen alle Fälle, in denen es zu einer unbefugten Aneignung von Software oder elektronisch gespeicherten Daten kommt.

Bei derartigen Angriffen setzten die Täter Spezialprogramme ein, um sich Zugang zu geheimen Unternehmensdaten oder Programmen zu verschaffen.

Insbesondere sogenannte Hacking-Attacken auf Unternehmen stellen in der Praxis eine ernstzunehmende Bedrohung dar. Der Begriff des Hacking bezeichnet das unbefugte Agieren in fremden Datensystemen. Für derartige Handlungen im Internet mit dem Ziel fremde Daten auszuspähen, wurde mit dem § 202 a StGB ein eigener Straftatbestand geschaffen.

Weitere Beispiele der computergestützten Betriebsspionage sind:

  • Angriffe gegen Zugangssysteme von Pay-TV Anbietern,
  • Beseitigung von SIM-Lock-Sperren,
  • Abhören von kabelloser Kommunikation,
  • Reverse Engineering.

4.5.4.1.2. Sonderfall: Reverse Engineering

Ein besonderer Fall des § 17 Abs. 2 Nr. 1 lit. a) UWG betrifft das Reverse Engineering - die Rückwärtsanalyse von frei auf dem Markt erhältlichen Produkten.

Der Begriff des Reverse Engineering bezeichnet das Analysieren und Zerlegen eines Objektes mit der Absicht, dessen Aufbau und geheime Funktionsweisen in Erfahrung zu bringen. Mit den Methoden des Reverse Engineering versuchen potentielle Täter das in dem Produkt enthaltene Geheimnis aufzudecken.

Unterschieden werden die Methoden des Hardware- und Software Reverse Engineering. Während beim Hardware Reverse Engineering das verkörperte Produktexemplar untersucht wird, bezieht sich das Software Reverse Engineering auf die dem Produkt zu Grunde liegende (Steuerungs-)Software. In vielen Fällen werden beide Methoden des Reverse Engineering nebeneinander angewandt.

Beispiel:
Ein Unternehmen A lässt sich eine Verpackungsmaschine liefern, die mit Hilfe eines Konstruktionsgeheimnisses von Unternehmen B hergestellt wurde. Unternehmen A zerlegt die Maschine und analysiert deren Software und Aufbau, um die gewonnen Informationen für die eigene Produktion zu nutzen.

Wie aus dem Beispiel deutlich wird, ist beim Reverse Engineering erneut das Tatbestandsmerkmal der Nichtoffenkundigkeit des Geheimnisses von zentraler Bedeutung. (--> 2.2.2.)

Der Täter beim Reverse Engineering erwirbt zwar das Eigentum an dem Objekt, jedoch nicht die Befugnis zur Verwendung oder Verwertung des darin enthaltenen Geheimnisses.

Um den Tatbestand des § 17 Abs. 2 Nr. 1 lit. a) UWG zu erfüllen, muss der Täter beim Reverse Engineering erheblichen Zeit- und Arbeitsaufwand in die Entschlüsselung des Geheimnisses investiert haben.

Ist ein Software- oder Computerprogramm so aufgebaut, dass es jedem Nutzer erlaubt eine Rückübersetzung der Programmierung vorzunehmen, fehlt es an der Nichtoffenkundigkeit (--> 2.2.2.) und somit am Geheimnisschutz nach § 17 UWG.

In der Praxis erfolgt das Reverse Engineering in aller Regel unter der Zuhilfenahme von technischen Mitteln. Diese Tatsachen und die Tatsache, dass Rechtfertigungsgründe für diese Art der Betriebsspionage nicht ersichtlich sind, erlauben eine Strafbarkeit derartiger Handlungen nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 lit. a) UWG.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „17 UWG - Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen“ von Harald Brennecke, auf Vertriebsrecht spezialisierter Rechtsanwalt und Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz, und Oliver Ahnseel, wissenschaftlicher Mitarbeiter, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2015, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-38-0.


 

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Stand: Januar 2015


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Harald Brennecke, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz

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Rechtsanwalt Harald Brennecke berät und vertritt als Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz bei Verstößen im Bereich des unlauteren Wettbewerbs, sei es im außergerichtlichen Bereich der Abmahnungen und Abschlussschreiben, im Bereich der einstweiligen Verfügungen oder in gerichtlichen Hauptsacheverfahren und wehrt unberechtigte Abmahnungen ab. Er verhandelt Vertragsstrafevereinbarungen zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr zwischen Verletzern und Verletzten.
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Harald Brennecke hat im unter anderem veröffentlicht:

  • "Wettbewerbsrecht - Einführung in das Recht des unlauteren Wettbewerbs und das UWG", Harald Brennecke und Florin Brückner, 2010, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-12-0.
  • "17 UWG - Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen“, 2015, ISBN 978-3-939384-38-0, Verlag Mittelstand und Recht
  • "Urheberrecht - eine Einführung", von Harald Brennecke und Simon Hofmann, 2011, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-23-6
  • "Lizenzrecht - eine Einführung. Lizenzarten und Lizenzverträge.“ von Harald Brennecke und Florin Brückner, 2010, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-08-3
  • "Markenrecht - eine Einführung Markenformen, Markenschutz und Markenanmeldung ", Harald Brennecke und Florin Brückner, 2010, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-22-9

Weitere Veröffentlichungen von Harald Brennecke sind in Vorbereitung, unter anderem zum Thema

  • Recht im Marketing

 Harald Brennecke ist Dozent für Wettbewerbsrecht, Urheberrecht und Lizenzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie. 
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:

  • Schutz von Kundenadressen und Geschäftsgeheimnissen – 17 UWG in Theorie und Praxis
  • Strategische Ausrichtung von Unternehmen aus wettbewerbsrechticher Sicht
  • Markenschutzstrategien als betriebswirtschaftliches Instrument
  • Onlineshops rechtssicher gestalten
  • Lizenzvertragsgestaltung
  • Der Gebrauchtsoftwarekauf
  • Vertriebslizenzen in Recht und PraxisK

Kontaktieren Sie Rechtsanwalt Harald Brennecke, Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz, unter: 
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Normen: § 17 UWG

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