Auftraggeber trägt bei Abbrucharbeiten das Kontaminationsrisiko

Sachverhalt:

Der öffentliche Auftraggeber beauftragte den Auftragnehmer mit den Abbrucharbeiten eines Altenheims. Das Leistungsverzeichnis sah keine besonderen Schadstoffe vor, sondern lediglich einen Hinweis, dass sich der Auftragnehmer vor dem Baubeginn einen Überblick über die Leistungen verschaffen soll.

Nach dem Beginn der Baumaßnahmen wurde das Auftreten von Asbest und anderen Schadstoffen festgestellt. Sofort wurde von der zuständigen Baubehörde ein Baustop angeordnet. Der Auftraggeber änderte daraufhin den Terminplan. Der Auftragnehmer verlangt vom Auftraggeber wegen der eingetretenen Bauzeitverzögerung, aufgrund der nicht vorgesehenen Asbestbeseitigung und Schadstoffabbruchs, eine Mehrvergütung.

Der Auftraggeber lehnt eine Mehrvergütung ab, da der Auftragnehmer als Fachbetrieb bei der Angebotsabgabe hätte erkennen können, dass eine Kontamination vorliegen könnte. Weiterhin habe der Auftragnehmen keine entsprechenden Bedenken angemeldet und kein Nebenangebot abgegeben. Die Beseitigungskosten der Schadstoffe sei daher von der Vergütung des Auftragnehmers erfasst.

Entscheidung:

Sowohl das Landgericht Stralsund, als auch das Oberlandesgericht Rostock bejahen eine Mehrvergütung des Auftragnehmers. Dem Auftragnehmer steht ein Mehrvergütungsanspruch gemäß § 2 Nr.5 VOB/B zu, da die Änderungen des Terminplans als eine Anordnung des Auftraggebers gemäß § 1 Nr.3 VOB/B zu qualifizieren ist.

Nach Ansicht der Rechtsprechung ist es nicht die Aufgabe des Auftragnehmers, das Bauwerk vor der Angebotsabgabe auf eventuelle Kontaminationen oder Schadstoffen zu untersuchen. Tauchen unerwartete Kontaminationen oder Schadstoffe am Bauvorhaben auf, so hat der Auftraggeber die Leistung nicht eindeutig und nicht ausschöpfend ausgeschrieben. Dazu ist er aber nach § 9 VOB/A verpflichtet.

An diesem Ergebnis würde sich auch nichts ändern, wenn im Leistungsverzeichnis eine Position für eine fachgerechte Entsorgung von asbesthaltigen Materialien vorgesehen war. Dadurch wird der Auftraggeber nicht von der Verpflichtung zur Erstellung eines Schadstoffkatasters vor der Ausschreibung entbunden. Dem Auftraggeber obliegt die Pflicht, alle erforderlichen Untersuchungen anzustellen, um eine erschöpfende Leistungsbeschreibung errichten zu können.

Der Auftragnehmer verletzt auch keine Hinweispflicht, wenn keine konkreten Anhaltspunkte auf eine Kontamination vorliegen. Selbst eine vor Angebotsabgabe durchgeführte Ortsbesichtigung ändert daran nichts, da die Zuordnung sichtbaren Materials in eine Gefahrstoffklasse ist durch bloßes Betrachten nicht möglich ist.

Praxistipp:

Das Risiko einer eventuellen Kontamination oder Schadstoffbelastung kann der Auftraggeber nicht auf den Auftragnehmer abwälzen. Die Praxis zeigt aber, dass dies immer wieder - gerade durch öffentliche Auftraggeber - versucht wird. Der Auftraggeber verkennt dabei, dass er erschöpfend ausschreiben muss. Wird während den Arbeiten Schadstoffe oder Kontaminationen aufgefunden, die nicht vom ursprünglichen Leistungssoll erfasst sind, muss der Auftraggeber das Leistungssoll erweitern.


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Stand: September 2005


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