Verletzung des Zuschauervertrages - Schadensersatz bei Zuschauerausschreitungen in der 1. Bundesliga

Verletzung des Zuschauervertrages - Schadensersatz bei Zuschauerausschreitungen in der 1. Bundesliga

Es passiert in der heutigen Zeit leider immer noch sehr oft, dass vermeintliche Fußballfans die Gelegenheit nutzen, während des Spiels aufs Fußballfeld zu laufen, um dadurch wesentlich den Spielablauf zu stören. Da der Veranstalter des Fußballspiels, also der ausrichtende Sportverein, für den ordnungsgemäßen Ablauf des Spiels und für die Sicherheit der Spieler wie auch des Schiedsrichters zu sorgen hat, haben die jeweiligen (Fußnote) Fußballverbände regelmäßig Regelungen in ihren Statuten enthalten, die bei einer Störung Strafzahlungen vorsehen. Aus diesem Grund stellt sich sehr oft folgende Frage:

Kann ein Fußballverein von so genannten Fußballfans, die den Spielverlauf dadurch stören, dass sie während des Spiels auf das Spielfeld laufen, Ersatz der Strafzahlungen verlangen, die vom Deutschen Fußballbund wegen des Vorfalls festgesetzt werden?

Das Oberlandesgericht Rostock hat diese Frage in seiner Entscheidung vom 28.04.2006 (Fußnote) bejaht. Es hat die Ersatzpflicht angeblicher Fußballfans selbst für den Fall bejaht, dass dem Sportverein die Strafzahlung deshalb auferlegt wurde, weil er nicht hinreichend für die Verhinderung solcher Störungen gesorgt hat. Der Entscheidung des Oberlandesgerichts Rostock liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:

Der Sportverein Hansa Rostock veranstaltete mit seiner 1. Bundesligamannschaft ein Bundesligameisterschaftsspiel im Ostsee-Stadion. Das Spielfeld selbst ist mit einer 3,10 Meter hohen Mauer zum tiefer liegenden Innenbereich umfriedet.

In der 55 Minute verließ ein zahlender Zuschauer den Stehplatzbereich der Nordosttribüne und ließ sich in den Innenbereich des Stadions herabgleiten. Trotz Aufforderungen der Ordner, sich zu entfernen, lief der Zuschauer in Richtung Spielfeld und konnte von den Ordnern auch nicht aufgehalten werden. Im Mittelkreis angelangt, versuchte der Zuschauer, dem Schiedsrichter den Ball abzunehmen. Nach einer kurzen Verfolgungsjagd, konnte der Zuschauer dann gefasst und abgeführt werden.

Gleichzeitig ergriff ein weiterer Zuschauer die Gunst der Stunde und ließ sich ebenfalls in den Innenbereich des Stadions herabgleiten. Dieser konnte jedoch sofort nach dem Betreten des Spielfeldes von den Ordnern gestellt und aus dem Innenraum geschafft werden.

Trotz der Hinweise vom Stadionsprecher, das Betreten des Innenraums zu unterlassen, hat in der 73. Minute wieder ein Zuschauer den Innenbereich betreten und ist auf Spielfeld gelaufen, wo er dann nach wenigen Metern von den Ordnern gefasst wurde.

Auf Grund dieser Vorfälle hat der DFB-Kontrollausschuss den Bundesligaverein vor dem DFB-Sportgericht angeklagt und von diesem zur Zahlung von 20.000,00 € an den DFB verurteilt. Das DFB-Sportgericht sah in den Vorfällen in der 55. und 73. Minute den Tatbestand des nicht ausreichenden Ordnungsdienstes und des nicht ausreichenden Schutzes des Schiedsrichters erfüllt. Diese Strafzahlung fordert der Bundesligaverein nun von den störenden Zuschauern als Schadensersatz.

Das OLG Rostock hat die Haftung der störenden Zuschauer im Wesentlichen darauf gestützt, dass diese den Vertrag, der sie zum Betreten des Stadions und zum Zuschauen von dem aus der Eintrittskarte ersichtlichen Platz aus berechtigte, verletzt haben. Denn dieser so genannte Zuschauervertrag verpflichtet die Zuschauer - neben der Berechtigung zum Zuschauen -, den Spielbetrieb nicht zu stören und das Spielfeld nicht zu betreten. Diese Pflichten ergeben sich aus der Stadionordnung.

Die Verletzungen des Zuschauervertrages waren nach Ansicht des OLG Rostock auch für die Strafe des Bundesligavereins ursächlich. Dabei ist es im Ergebnis nicht von Bedeutung, dass der dem Bundesligaverein entstandene Schaden – nämlich die Verurteilung zur Zahlung von 20.000,00 € an den DFB – nicht unmittelbar durch die Verletzung des Zuschauervertrages entstanden ist. Nach einer so genannten wertenden Betrachtung ergibt sich, dass der beim Bundesligaverein eingetretene Schaden nicht außerhalb des Schutzbereichs des § 280 BGB liegt.

Im Ergebnis konnten sich die Zuschauer auch nicht damit verteidigen, dass die vom DFB-Sportgericht auferlegte Strafe auch deshalb ausgesprochen wurde, weil der Bundesligaverein mangelnde Sicherheitsvorkehrungen getroffen hatte und deshalb eines Mitverschulden vorliegt. Gegenüber einer vorsätzlichen Schädigungshandlung, wie sie die Störer vorgenommen haben, tritt eine – unterstellte – fahrlässige Gefährdung der Spieler und des Schiedsrichters im Rahmen einer Mitverschuldenshaftung zurück.

Fazit: Sollten Fußballvereine auf Grund ähnlicher Vorkommnisse durch die Verbandsgerichte zu Strafzahlungen verurteilt werden, ist es bereits aus Gründen der Abschreckung ratsam, gegen die (Fußnote) Störer vorzugehen, um auch gegenüber potenziellen Störern ein Zeichen zu setzen. Ob aber die jeweils festgesetzte Strafe eins zu eins auf die jeweiligen Störer umgelegt werden kann, ist auf Grund einer Einzelfallbetrachtung zu entscheiden. Daran ändert auch die – zutreffende – Entscheidung des OLG Rostock nichts.


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Stand: 02/2007


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  • Sportrecht – Eine Einführung für Sportler und Vereine, Michael Kaiser und Franco Caputo, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-54-0


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Gericht / Az.: OLG Rostock, 28.04.2006, 3 U 106/05
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