Verjährungsfalle beim Bauvertrag

Verjährungsfalle im Baurecht

Ein Problem mit der unterschiedlichen Verjährungsfrist von BGB (immerhin 5 Jahre) und VOB/B (4 Jahre, für vor dem 15.2.03 geschlossene Verträge nur 2 Jahre) kann sich bei Verträgen ergeben, an denen ein Verbraucher beteiligt ist. Hier kann es zu bösen Überraschungen kommen, wenn trotz vereinbarter kürzerer Verjährung in Form des VOB/B-Vertrages die längere Verjährung des BGB durchschlägt.

1. Welche Verträge kommen in Betracht?

Die folgenden Überlegungen beziehen sich nur auf den Bereich des privaten Bauens, und zwar in der Konstellation, dass der Auftragnehmer ein Verbraucher i.S.d. § 13 BGB und der Auftragnehmer ein Unternehmer i.S.d. § 14 BGB ist und nur für private und nicht etwa für gewerbliche Zwecke gebaut werden soll.

Um in diesem Bereich überhaupt zur Anwendung der Vorschriften der VOB/B zu kommen müssen mehrere Punkte beachtet werden.
Möchte der Unternehmer die VOB/B zum Vertragsbestandteil machen, so muss er dies deutlich mit dem Bauherrn vereinbaren. Am besten sollte schon bei Beginn der Verhandlungen auf die Geltung der VOB/B hingewiesen werden und im Vertrag sollten sich deutliche Hinweise auf die Geltung der VOB/B finden.
Des weiteren muss dem Bauherrn dann auch ein Text der VOB/B übergeben werden. Die VOB/B muss dabei in der Regel „als Ganzes“ vereinbart werden, d.h. der Steller (bzw. hier Bauunternehmer) kann sich nicht einzelne ihm genehme Reglungen der VOB/B herauspicken und zum Vertragsbestandteil machen. Weiterhin sollten die einzelnen Vertragsbestandteile sich dann auch an der VOB/B orientieren, denn nach dem BGH bedeutet „als Ganzes“ eben auch „ohne wesentlichen Einschränkungen“. Werden einzelne Bestandteile so sehr verändert, dass die Regelungen „im Kern“ verändert werden, dann gilt die VOB/B wiederum als nicht "im Ganzen" vereinbart.

Sinn dieser Vereinbarung der VOB/B „als Ganzes“ ist eine doppelte Privilegierung der VOB/B. Zum einen erfolgt diese Privilegierung durch das Gesetz, namentlich im AGB-Recht, zum anderen durch die Rechtsprechung.
In den Regelungen zum AGB-Recht finden sich in § 308 Nr.5 BGB eine Privilegierung zur fiktiven Annahme des § 12 Nr.5 VOB/B und in § 309 Nr.8 b) ff) BGB eine Privilegierung zur Verkürzung der Verjährungsfrist des § 13 Nr.4 VOB/B, so dass diese wirksam ist.
Durch die Rechtsprechung erfolgt eine Privilegierung dadurch, dass eine Inhaltskontrolle der einzelnen Klauseln nicht stattfindet. Bei einer Individualüberprüfung hat der BGH schon mehrere Klauseln für unwirksam erklärt; so würden etwa § 12 Nr.5 und § 14 Nr.4 VOB/B einer solchen Individualkontrolle nicht standhalten.
Dies ist der Grund warum die VOB/B nach oben genannten Kriterien "als Ganzes" vereinbart sein muss. Wäre sie es nämlich nicht, so wäre die Vereinbarung der Verjährungsregel nach § 13 Nr. 4 wirkungslos und es würde sofort ein Rückgriff auf gesetzliche Vorschriften des BGB stattfinden und somit eine längere Verjährungsfrist gelten..

2. Wo liegt das Problem?

Es ist allgemein unstrittig, dass die VOB/B ihrer Rechtsnatur nach Allgemeine Geschäftsbedingungen darstellen und deshalb dem AGB-Recht unterfallen.
Grundsätzlich ist eine Verkürzung der Verjährungsfrist in AGB aufgrund vom alten § 11 Nr.10f AGBG bzw. dem neuen § 309 Nr.8b) ff) BGB schlichtweg verboten, allerdings greift jetzt die schon genannte Privilegierung der VOB/B im alten § 23 II Nr.5 AGBG bzw. im jetzigen § 309 Nr.8 b) ff) BGB wonach die oben genannten Vorschriften bei Vorliegen von VOB/B nicht zur Anwendung kommen.

Dies ist jedoch im Bereich der hier besprochenen Verbraucherverträge aus europarechtlichen Gründen höchst umstritten.
In der Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (EG-RL 93/13) findet sich nämlich ein Verbot von „Klauseln, die darauf abzielen die Ansprüche des Verbrauchers gegenüber dem Gewerbetreibenden ... ungebührlich eingeschränkt werden.“
Eine Umsetzung dieser Richtlinie erfolgte im alten § 24a AGBG bzw. im jetzigen § 310 III BGB. Allerdings hat der Gesetzgeber das schon vor der Schuldrechtsreform heftig umstrittene Problem bei der Neuregelung des AGB-Rechts schlichtweg „vergessen“. Es gibt keine Regelung dazu.

Es stellt sich nun also weiter die Frage, ob denn die Verkürzung der Verjährungsfrist nach VOB/B eine ungebührliche Einschränkung darstellt.
Im Großteil der Literatur wird dies bejaht. Es wird vorgebracht, dass die Verjährungsregel der VOB/B eine unangemessene Benachteiligung des Auftraggebers enthält, die nur deshalb wirksam ist, weil sie der Gesetzgeber einer Inhaltskontrolle entzogen hat (Quack BauR 97/25).
Im Verhältnis zum Gemeinschaftsrecht steht dem deutschen Gesetzgeber aber nicht das Recht zu, eine Inhaltskontrolle von bestimmten missbräuchlichen Klauseln zu untersagen (Heinrichs NJW 97/1414).
Ein weiteres Argument besteht in der Rechtsprechung, hier vor allem des VII. Senats des BGH, der durch seine oben schon erwähnte Eingriffsrechtsprechung die Privilegierung der VOB/B ohnehin schon weitgehend entwertet hat. Wenn nach dieser Rechtsprechung schon verhältnismäßig geringe Eingriffe zur Unausgewogenheit der VOB/B und damit zur Unanwendbarkeit der VOB/B führen,
, so muss dies „erst recht“ bei Unvereinbarkeit mit einer Richtlinie zum Verbraucherschutz gelten (Quack BauR 97/26).
Eine noch im AGB-Recht zu findende Privilegierung von Bauverträgen findet sich in der Richtlinie nun gerade nicht mehr. All diese Gründe sprechen für eine ungebührliche Benachteiligung i.S.d. Richtlinie und damit zu einer Unvereinbarkeit der Privilegierung von VOB/B und Verbraucherverträgen.

Soweit die Unvereinbarkeit noch anerkannt wird, so umstritten ist dann die Konsequenz daraus.
Ein möglicher Weg ist die richtlinienkonforme Auslegung, wobei dann der Regelung bestehen bleibt, aber eben nicht bei Verbraucherverträgen angewandt wird. Ein anderer vorgeschlagener Weg ist die unmittelbare Anwendung der Richtlinie oder die schlichte Unwirksamkeit von § 308 Nr.8 b( ff) BGB.

3. Fazit

Entscheidungen deutscher Gerichte zu diesem Thema gibt es noch nicht, so wird sich wahrscheinlich erst nach einer Vorlage zum EuGH zeigen, ob hier die mannigfaltigen Literaturstimmen nicht irren. Trotzdem kann die Prognose gewagt werden ,dass aufgrund der verbraucherfreundlichen Rechtsprechung des EuGH die verkürzte Verjährung der VOB/B im Bereich der Verbraucherverträge nicht anwendbar sein wird und das hier immer von einer 5 jährigen Verjährungsfrist nach BGB ausgegangen werden muss.


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Stand: März 2004


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