Bodenreformland - Späte Genugtuung?

Nach mehr als 10 Jahren steht jetzt nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte fest, dass die Enteignungen der Erben von Bodenreformeigentümern rechtswidrig ist. Ob dies bedeutet, dass das enteignete Land zurück gegeben oder eine Entschädigung gezahlt wird, ist derzeit aber noch offen. 

 

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat entschieden, dass die Regelung der Bundesrepublik Deutschland in Bezug auf die Eigentumsübertragung von Bodenreformland nach Art. 233 §§ 11 bis 16 EGBGB gegen die Eigentumsgarantie nach Artikel 1 des Protokoll Nr. 1 verstößt. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat jedoch noch keinen Spruch zu den Rechtsfolgen dieses Verstoßes erlassen.

Hintergrund

In der ehemaligen DDR wurden Großbauern im Rahmen einer Bodenreform enteignet. Die Ländereien wurden in Bodenfonds überführt und an landlose oder landarme Bauern verteilt. Das sog. Bodenreformland unterlag den jeweiligen Bodenreformverordnungen der DDR und dürfte daher in der Regel nicht verpachtet, verpfändet, verkauft und geteilt werden. Es war jedoch vererblich. Die jeweiligen Besitzwechselverordnungen regelten, wann das Bodenreformland an den Bodenfond zurück gegeben werden musste. Das war der Fall, wenn die Besitzer das Land nicht mehr selbst landwirtschaftlich nutzten und der Zweck der Bodenreform, die Versorgung der Bevölkerung mit landwirtschaftlichen Produkten, gefährdet wäre.

Das Gesetz der DDR vom 06.03.1990 über die Rechte der Eigentümer der Grundstücke aus Bodenreformland hob alle Verfügungsbeschränkungen auf. Die Eigentümer wurden vollwertige Eigentümer des Bodenreformlandes. Mit diesem vollwertigern Eigentum sind die jeweiligen Landinhaber am 03.10.1990 in das Rechtssystem der Bundesrepublik Deutschland eingetreten.

Am 14. Juli 1992 verabschiedete die Bundesrepublik Deutschland Art. 233 §§ 11 bis 16 EGBGB. In diesem ist geregelt, dass den Erben der eingetragenen Eigentümer des Bodenreformlandes das Land zusteht, es sei denn, dass es eine Person/ Stelle gibt, die eine „Bessere Berechtigung“ daran hat. Diese Personen können die unentgeltliche Auflassung des Grundstückes an sich verlangen.

Rechtsprechung Deutschland

Diese Regelung wurde bis vor das Bundesverfassungsgericht gebracht. Es hat hierzu mehrere Entscheidungen getroffen.

Das Bundesverfassungsgericht geht - zusammen mit den Zivilgerichten - davon aus, dass das Bodenreformland vererblich war und die betroffenen Bodenreformeigentümer ein vollwertiges Eigentum erlangt haben. Dieses ist am 03.10.1990 in den Geltungsbereich des Grundgesetzes gelangt.

 Dennoch sieht das Bundesverwaltungsgericht in der entschädigungslosen Enteignung keinen Eingriff in das in Art. 14 GG geschützte Grundrecht Eigentum.

 Es führt aus, dass die Eigentümer das Land nicht unter dem Schutz des Art. 14 GG erlangt haben und das Eigentum auch zu DDR Zeiten Einschränkungen unterlegen habe. Bei der gegenständlichen Regelung der Bundesrepublik Deutschland gehe es nur um eine nachträgliche Korrektur der durch das o.g. DDR-Gesetz vom 06.03.1990 erfolgten ersatzlosen Aufhebung der Besitzwechselvorschriften und um Schaffung von klaren Eigentumsverhältnissen an dem aus den Bodenreformfonds stammenden Ackerland. Der Eingriff stelle nur eine Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums dar, Art. 14 I 2 GG. Auf Grund der Besonderheiten der Wiedervereinigung und des damit verbundenen erweiterten Beurteilungsspielraum, sieht das Bundesverfassungsgericht Art. 14 I 2 GG nicht als verletzt an.

 Europäische Gerichtshof für Menschenrechte

 Er geht davon aus, dass gegenständlich vollwertiges Eigentum bzgl. des Bodenreformlandes vorlag. Eine Enteignung kann auf der Grundlage eines Gesetzes stattfinden. Das Gesetz besteht nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte.

 Die Enteignung muss jedoch eine angemessene Entschädigung vorsehen, damit auch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt ist. Da vorliegend keine Entschädigung gezahlt wurde, liegt ein Verstoß gegen die Eigentumsgarantie vor.

 Dem Vorwurf der Diskriminierung der enteigneten Personen gibt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte nicht statt bzw. geht diesem wegen der bereits festgestellten Eigentumsverletzung nicht weiter nach.

 Eine Rechtsfolge hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte noch nicht ausgesprochen. Es ist daher noch offen, wie das Unrecht beseitigt wird. Daher ist es erforderlich, sich alle Möglichkeiten offen zu halten und - sofern noch nicht geschehen - Restitutionsklagen zu erheben.

 Die Bereinigung des Verstoßes kann in der Rückgabe des Landes oder in einer angemessenen Entschädigung liegen. Die erste Alternative wäre zu bevorzugen.


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Stand: April 2004


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Rechtsanwalt Tilo Schindele ist seit Jahren im Bereich internationales Vertragsrecht tätig.

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Er gestaltet, prüft und optimiert Verträge mit internationalem Bezug. Er begleitet bei europarechtlichen Fragen zum freien Waren- und Dienstleistungsverkehr und berät bei der Beantragung von EU-Subventionen. Daneben vertritt Rechtsanwalt Schindele Mandanten im Bereich des Außenwirtschaftsrechts und der Genehmigung von Import oder Export von Waren beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA).

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