Einführung ins Erbrecht Teil 9: Der Pflichtteil – 7. Umgehung durch Schenkung oder Gegenleistungsvertrag

Es bestehen einige Gestaltungsmöglichkeiten, Pflichtteilsberechtigte von Erbansprüchen auszuschließen. Eine naheliegende und oft nicht ernsthaft erwogene Möglichkeit ist, das eigene Vermögen zu verbrauchen. Gibt es kein Erbe, gibt es auch keinen Pflichtteilsanspruch. Daneben gibt es einige Möglichkeiten, das eigene Vermögen rechtzeitig denjenigen zukommen zu lassen, denen man es zukommen lassen will. Auf diese Weise ist es möglich, Pflichtteilsberechtigte völlig leer ausgehen zu lassen.

1. Umgehung des Pflichtteils durch zeitlich vorgezogene Schenkung

Sofern wirklich der nach dem Gesetz anfallende Pflichtteil gezielt an andere als dem Pflichtteilsberechtigten übertragen werden soll, ist eine langfristige Planung und Gestaltung erforderlich, die immer nur für den jeweiligen Einzelfall vorgenommen werden kann. So sind beispielsweise die Übertragung von Gegenständen oder Grundstücken 10 Jahre vor dem Erbfall nicht mehr dem Nachlass hinzuzurechnen. Die damals vorgenommenen Schenkungen bleiben in voller Höhe unberücksichtigt.

2. Umgehung des Pflichtteils durch Gegenleistungsverträge oder gemischte Schenkungen

Berücksichtigungspflichtig sind Schenkungen des Erblassers; unberücksichtigt bleiben entgeltliche Vereinbarungen über den Übergang eines Gegenstandes oder eines Grundstücks.
Entscheidendes Kriterium einer Schenkung ist deren Unentgeltlichkeit. Der Schenkende wendet dem Beschenkten etwas zu, ohne von diesem eine Gegenleistung zu erhalten. Wesensmerkmale eines vertraglichen Geschäfts ist der gegenseitige Austausch der Leistungen. Im Falle des Grundstückskaufs ist dies die Eintragung des Käufers ins Grundbuch im Gegenzug zur Zahlung des Kaufpreises.

Verkauft der Erblasser nun vor dessen Tode sein Grundstück an eines seiner Kinder, so ist dieses Rechtsgeschäft auf den Nachlass nicht anzurechnen. Das die Übertragung nicht 10 Jahre vor dem Tode des Erblassers stattfand, ist unerheblich. Eine 10-Jahresfrist wie im Falle der Schenkung sieht das Gesetz bei Rechtsgeschäften nicht vor. Der Verkauf des Grundstücks macht für den Erblasser und den Erben aber nur Sinn, wenn der Kaufpreis erheblich unter dessen Wert stattfindet. Das Grundstück wechselt dann den Eigentümer für einen extrem günstigen Preis. Man spricht in hier von einer gemischten Schenkung. Einerseits liegt ein Kaufvertrag vor, andererseits eine Schenkung.

Soll der Betrag, auf den die Schenkung fällt, auf den Nachlass angerechnet werden, so muss bewiesen werden, dass der Erblasser eine Bevorzugung des Begünstigten gegenüber den restlichen Erben wollte. Beweispflichtig ist der Miterbe, der den Pflichtteilsergänzungsanspruch geltend machen will. Dieser Beweis ist schwierig anzutreten.

3. Pflegeleistungen

Oft besteht der Wunsch, das Erbe an Personen zu übertragen, die sich um den Erblasser in besonderer Weise gekümmert haben, während Pflichtteilsberechtigte sich nicht bemühen, was ein verständliches Interesse an einer Minderung des Pflichtteilsrechts bewirkt.

Hier können entgeltliche Verträge für die erbrachte Pflegeleistung dafür sorgen, dass die Pflegepersonen ihre Leistungen besonders vergütet bekommen. Sofern diese Verträge geeignet gestaltet wurden, befindet sich die Pflegevergütung nicht mehr im Nachlass und ist daher für den Pflichtteil nicht zu berücksichtigen. bei der Gestaltung sind jedoch etliche Besonderheiten zu berücksichtigen, beispielsweise die Angemessenheit der Vergütung, die tatsächliche Leistungserbringung und insbesondere, dass die Vermögenszuwendung nicht als testamentarische Erbzuwendung erfolgt, sondern als lebzeitige Gegenleistung. Die Gestaltung solcher Verträge bedarf in der Regel eingehender Beratung und Erörterung.

Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch "Erbrecht – Eine Einführung“ von Harald Brennecke, Dr. Maren Augustin und Isabell Hartung, ISBN 978-3-939384-17-5.


 

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Über die Autoren:

Harald Brennecke, Rechtsanwalt

Portrait Harald-Brennecke

Harald Brennecke ist seit 1997 mit erbrechtlichen Mandaten befasst.
Als Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht berät er insbesondere bei der Gestaltung von Unternehmertestamenten, der Übertragung von Unternehmensanteilen und der Ausarbeitung von Unternehmererbverträgen im Hinblick auf die Sicherung der Unternehmensnachfolge. Als Fachanwalt für Insolvenzrecht berät er Erben und potenzielle Erben bei überschuldetem Nachlass in Bezug auf Erbausschlagung, Dürftigkeitseinreden und der Beantragung und Begleitung bei Nachlassinsolvenzverfahren.
Er berät weiterhin bei der Erstellung von Testamenten und der Gestaltung von Vermögensübergängen, insbesondere aus erbschaftssteuerlicher Sicht und der Auseinandersetzung von Erbengemeinschaften. Er berät bei Pflichtteilsansprüchen, Vermächtnissen sowie bei Fragen der Vorerbschaft und Nacherbschaft. Er begleitet Erben bei der Beantragung von Erbscheinen und der Abwicklung der Erbschaft.

Harald Brennecke hat im Erbrecht veröffentlicht:

  • "Erbrecht – Eine Einführung“ von Harald Brennecke und Dr. Maren Augustin, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-17-5
  • „Erbschaftssteuer- und Schenkungssteuerrecht: Das Recht der Erbschafts- und Schenkungssteuer. Möglichkeiten zur Verringerung der Steuerbelastung bei Erbschaften und Schenkungen“, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-16-8

Bereits 1999 war er Experte für Erbrecht in einer Serie von Live-Fernsehsendungen.
Rechtsanwalt Brennecke ist Dozent für Erbrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.

Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:

  • Erbrecht für Steuerberater – Grundlagen des Erbrechts als Basis erbschaftssteuerrechtlicher Beratung
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