Factoring - eine Einführung, Teil II

Factoring und Sicherungsrechte Dritte
Viele der Unternehmen, für die das Factoring in Frage kommt, treten ihre Forderung im Wege des verlängerten Eigentumsvorbehaltes an ihre Lieferanten ab.

Es kommt somit zu einer Kollision zwischen den Rechten des Factors und denen des Vorbehaltslieferanten, so dass der Factoringvertrag wegen unangemessener Benachteiligung des Lieferanten sittenwidrig sein könnte. Der Factoringvertrag beinhaltet eine Globalzession: alle gegenwärtigen und zukünftigen Forderungen des Factorkunden werden unter bestimmten, im Vertrag festgelegten Bedingungen vom Factor angekauft, also an ihn abgetreten. Grundsätzlich ist eine Globalzession, die mit dem verlängerten Eigentum eines Warenlieferanten kollidiert, nach ständiger, gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sittenwidrig. Der BGH hat jedoch bereits 1977 entschieden, dass der Vorbehaltslieferant durch einen Ankauf durch den Factor nicht schlechter steht als bei einem Einzug durch das Unternehmen. Damit ist der Factorvertrag wirksam. Dies gilt jedoch nur beim echten Factoring und nur dann, wenn die Zahlungen des Factors an das Unternehmen / Factorkunden geleistet werden. Da zwischen Unternehmen und Lieferant durch Allgemeine Geschäftsverbindungen dem Unternehmer meist gestattet wird, die im Wege des verlängerten Eigentumvorbehaltes an den Lieferanten abgetretenen Forderungen eigenständig einzuziehen, deckt diese Ermächtigung außerdem auch die Abtretung an den Factor mit ab.
Anders stellt sich die Rechtslage beim unechten Factoring dar. Die in den AGB enthaltene Einziehungsermächtigung deckt nicht die Abtretung an einen Factor im Rahmen des unechten Factoring. Daher gelten beim unechten Factoring dieselben Grundsätze wie in den klassischen Kollisionsfällen zwischen der Globalzession zugunsten einer Bank und dem verlängerten Eigentumsvorbehalt des Lieferanten: der verlängerte Eigentumsvorbehalt ist vorrangig. Die Globalzession der Bank – wenn sie denn durch die sog. „dingliche Verzichtsklausel“ wirksam ist – greift erst, wenn die Forderungen des Lieferanten erfüllt sind.
In der Praxis holt der Factoringkunde, in den seltenen Fällen des unechten Factorings, die Zustimmung des Lieferanten zum Factoring ein, um insoweit jegliche Schwierigkeiten zu umgehen.
Hat der Factoringkunde seine Forderungen bereits im Rahmen einer Globalzession an seine Bank abgetreten, so ist in der Abtretungserklärung regelmäßig (Fußnote) die Berechtigung des ursprünglichen Forderungsinhabers enthalten, die Forderung selbst einzuziehen. Damit ist dem Kunden jedoch nicht die Befugnis erteilt, die Forderungen nochmals im Rahmen des Factoring abzutreten. Hier gilt das Prioritätsprinzip: die zeitlich erste Abtretung ist wirksam, der Kunde ist zum Zeitpunkt des Abschlusses des Factoringvertrages nicht mehr Inhaber der Forderung.

Grenzen des Factoring
Das Gesetz geht davon aus, dass grundsätzlich alle Forderungen abtretbar sind. Nur in den Fällen, in denen gesetzliche Vorschriften (Fußnote) oder ausdrückliche Vereinbarungen zwischen den Parteien(Fußnote) bestehen, ist eine Forderung nicht abtretbar.
Eine Abtretung von Honorarforderungen von Ärzten und Steuerberatern ist gemäß §§ 134 BGB, 203 Abs. 1 StGB nichtig, es sei denn, es liegt von jedem Patienten / Mandanten eine vorherige Einverständniserklärung vor. Nur so ist die bei Privatpatienten heute durchaus übliche Einziehung der Rechnung von entsprechenden Gesellschaften überhaupt möglich.
Honorarforderungen von Rechtsanwälten dürfen dem gegenüber seit der Einführung des § 49 b Abs. 4 BRAO auch ohne Zustimmung des Mandanten an andere Rechtsanwälte abgetreten werden.
In jüngerer Vergangenheit stellte sich im Rahmen von Kreditverkäufen der Banken an Investoren (Fußnote) die Frage, inwieweit die Abtretung von Kreditforderungen zulässig ist. Verkauft und abgetreten wurden sowohl gekündigte oder ausfallgefährdete Forderungen („non performing loans“) als auch solche Kredite, die ordnungsgemäß bedient wurden. An dieser Stelle wäre es verfehlt, die gesamte Diskussion darzustellen. Im Ergebnis ist aber festzustellen, dass der BGH eindeutig die Abtretung von Bank- und Kreditforderungen für zulässig hält.

Wirtschaftlich gesehen ergeben sich die Grenzen des Factoring aus dem in Frage kommenden Kundenkreis: da der Factor sich bei einem Factoringvertrag nicht nur auf die Forderung an sich, also auf die Bonität des Drittschuldners, stützt, sondern auch den mit einer Forderung aus Lieferungen verbundenen Eigentumsvorbehalt an der Ware betrachtet (Fußnote), ist Factoring vor allem bei reinen Handelsgesellschaften sinnvoll. Bei Produktionsunternehmen ist der Einsatz dagegen aufgrund möglicher Mängelrügen am Produkt eher seltener. Seit wenigen Jahren erst wagen sich erste Factoringgesellschaften an Kunden aus der Dienstleistungsbranche (Fußnote). Da hier jedoch kein Warenrecht mit der Forderung verbunden ist, erhöht sich dadurch das Risiko des Factors.

Haftung
Wie bereits dargestellt ist das echte Factoring rechtlich gesehen ein Kaufvertrag über Forderungen, §§ 453, 433 BGB. Es gilt somit auch § 435 S. 1 BGB:
„Die Sache ist frei von Rechtsmängeln, wenn Dritte in Bezug auf die Sache keine oder nur die im Kaufvertrag übernommenen Rechte gegen den Käufer geltend machen können.“
Ein Rechtsmangel im Sinne des § 435 BGB liegt jedoch nicht vor, wenn die Forderung wegen Zahlungsunfähigkeit oder Zahlungsunwilligkeit des Debitors nicht erfüllt wird. Dieses Risiko übernimmt beim echten Factoring der Factor. Eine Bonitätshaftung des Factorkunden besteht nicht.
Rechtsmängel bestehen, wenn die abgetretene Forderung entweder gar nicht besteht oder z.B. mit Pfand- oder Nießbrauchrechten belastet ist. Wer „Dritter“ im Sinne des § 435 BGB ist, bestimmt sich allein aus Sicht der Parteien des Factoringvertrages, so dass auch der Debitor selbst Dritter ist. Für diese Veritätshaftung gilt der Verschuldensmaßstab des § 276 BGB, also Vorsatz und Fahrlässigkeit. In der Praxis wird teilweise in den Factoringverträgen eine verschuldensunabhängige Haftung ausdrücklich vereinbart.
Zahlt der Debitor an den Factor auf eine abgetretene, aber gar nicht bestehende Forderung, hat der Bereicherungsausgleich über §§ 812 ff BGB nach den allgemeinen Regeln zu erfolgen. Durch den Factoringvertrag, der ein Finanzierungsmittel darstellt, tritt der Factor nicht in das Vertragsverhältnis zwischen Factorkunde und Debitor ein, so dass der Debitor den Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung allein gegen seinen Vertragspartner, den Factorkunden hat.

Zusammenfassung
Das echte Factoring ist ein Forderungskaufvertrag nach §§ 433, 453 BGB, der seitens des Factorkunden durch Abtretung der Forderung nach § 398 BGB erfüllt wird.
Grundsätzlich sind alle Forderungen factoringfähig, die auch abtretbar sind. Gesetzliche Abtretungsverbote betreffen vor allem Honorarforderungen von Ärzten, Steuerberatern etc.. Sie ergeben sich aus § 134 BGB in Verbindung mit entsprechenden Vorschriften aus dem StGB. Abtretbar sind auch Kreditforderungen von Banken. Beim echten Factoring ist der Factoringvertrag auch bei einer Kollision mit verlängerten Eigentumsvorbehalten von Lieferanten wirksam.
Bei Nichtzahlung der abgetretenen Forderung ist zwischen Bonitäts- und Veritätshaftung zu unterscheiden.


 

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zum vorhergehenden Teil des Buches

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Stand: November 2009


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