Risiko Anfechtung Teil 2 - Verträge mit nahestehenden Personen und Schenkungsanfechtung des Finanzamts

In der vorigen Ausgabe haben wir im Rahmen dieser Serie eine Einführung in das Recht der Anfechtung gegeben, mit welcher Vermögensübertragungen im Vorfeld einer Insolvenz aber auch außerhalb rückgängig gemacht werden können. Bereits dargestellt wurden die Absichtsanfechtung und die Anfechtung unentgeltlicher Leistungen sowohl nach der Insolvenzordnung (InsO) als auch nach dem Anfechtungsgesetz (Fußnote). Diese Folge beschäftigt sich mit entgeltlichen Verträgen mit nahestehenden Personen sowie der Inanspruchnahme des Zuwendungsempfängers einer unentgeltlichen Leistung durch das Finanzamt gemäß § 278 Abs. 2 AO.

Zur Erinnerung: im Regelinsolvenzverfahrens obliegt es allein dem Insolvenzverwalter Rechtshandlungen, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind nach Maßgabe der §§ 130 bis 146 InsO anzufechten, im Verbraucherinsolvenzverfahren ist der Gläubiger selbst zur Geltendmachung aufgerufen, während die Regelungen des AnfG es dem einzelnen Gläubiger erlauben Vermögensverschiebungen zwecks Gläubigerbenachteiligung anzufechten und den Leistungsempfänger in Anspruch zu nehmen.

1. Anfechtung wegen vorsätzlicher Benachteiligung durch entgeltliche Verträge mit nahe stehenden Personen §§ 3 AnfG Ziff. 2.

Tatbestandvoraussetzungen sind hier

eine Rechtshandlung in Form eines entgeltlichen Vertrages
mit nahe stehenden Personen (Fußnote)
innerhalb von zwei Jahren vor der Anfechtung
eine dadurch verursachte unmittelbare Gläubigerbenachteiligung
der Vorsatz des Schuldners, seine Gläubiger zu benachteiligen,
Kenntnis des Vertragspartners zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses vom Benachteiligungsvorsatz

Der Tatbestand unterscheidet sich nur im objektiven Tatbestand (Fußnote) von derjenigen der Absichtsanfechtung. Die subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen (Fußnote) sind dagegen identisch. Der wesentliche Unterschied liegt in der Beweislastverteilung. Der Abschluss des Vertrages innerhalb des 2-Jahreszeitraums, die Benachteiligungsabsicht sowie die Kenntnis des Vertragspartners davon werden hier zugunsten des Gläubigers vermutet. Gelingt es dem Vertragspartner des Schuldners zu beweisen, dass der Vertragsschluss länger zurückliegt, bleibt dem Gläubiger die Möglichkeit des Nachweises der strengeren Tatbestandsvoraussetzungen des § 3 Abs. 1 AnfG. Der Begriff des entgeltlichen Vertrages i. S. des § 3 Abs. 2 AnfG ist weit auszulegen. Unter ihn fallen nicht nur schuldrechtliche Vereinbarungen aller Art sondern auch sachenrechtliche Verträge wie Übereignungen, die Bestellung beschränkter dinglicher Rechte, güterrechtliche Verträge, Erbauseinandersetzungen und Gesellschaftsverträge. Entgeltlich sind Verträge, wenn der Leistung des Schuldners eine ausgleichende Zuwendung der ihm nahe stehenden Person gegenübersteht und beide rechtlich voneinander abhängen. Durch den Vertrag muss eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung eingetreten sein. Dies ist ausgeschlossen, wenn ein Bargeschäft i. S. des § 142 InsO vorliegt, da dieses voraussetzt, dass dem Schuldner unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung zufließt.

2. Inanspruchnahme des Zuwendungsempfängers einer unentgeltlichen Leistung gemäß § 278 AO

§ 278 AO gewährt dem Finanzamt einen erleichterten Zugriff auf Vermögen, welches unter Eheleuten übertragen wurde, wenn sie

gemeinsam zu Einkommenssteuer veranlagt werden oder wurden und die Aufteilung gemäß § 268 AO beantragt wurde und
die Vermögensübertragung unentgeltlich oder teilweise unentgeltlich und
innerhalb der letzten 10 Jahre erfolgte.

Eine Anfechtung ist dann nicht erforderlich, sondern das Finanzamt kann direkt aus dieser Rechtsnorm den Zuwendungsempfänger in Anspruch nehmen. Die Tatbestandsvoraussetzungen entsprechen ansonsten denjenigen der Schenkungsanfechtung des § 4 AnfG bzw. § 134 InsO. Als vollstreckbarer Schuldtitel für die Anfechtung dient der Finanzverwaltung der eigene Steuerbescheid, sobald dieser unanfechtbar geworden ist. Soweit § 278 AO einschlägig ist, kann das Finanzamt per Duldungsbescheid direkt gegen die Ehefrau vorgehen.

Beispiel: Im Fall der bereits erwähnten Übertragung des Eigenheims auf den nichtselbständigen Ehepartner werden auch die Raten für das Eigenheim aus dem Einkommen des Unternehmers gezahlt.

Es reicht aus, dass der empfangende Teil diese Absicht kannte, um eine spätere Anfechtbarkeit bestehen bleiben zu lassen. Der Übertragungsvertrag zwischen Ehegatten zum Zwecke der Haftungsbegrenzung wird anfechtbar, da sich auch Gläubiger, die zum Zeitpunkt der Vornahme der Rechtshandlung noch gar keine Gläubigerstellung innehatten, auf § 3 AnfG berufen können. Eine konkrete Haftungslage muss zum Zeitpunkt der Vornahme der anfechtbaren Rechtshandlung noch nicht erkennbar sein. Als besonders fatal können sich hier Regelungen zur Rückübertragung bei Scheitern der Ehe erweisen, weil diese den Vorsatz, die Vermögensübertragung lediglich zum Zweck der Gläubigerbenachteiligung durchzuführen, expliziert dokumentieren.
In der oben geschilderten Konstellation ist dann nicht nur die Übertragung des Eigenheims bzw. des Miteigentumsanteils anfechtbar, sondern auch die Ratenzahlungen des Nicht(mehr)eigentümers für das Finanzierungsdarlehen. Da das Eigenheim im Alleineigentum des Ehepartners steht, handelt es sich bei jeder einzelnen Ratenzahlung um eine nach InsO oder AnfG anfechtbare Schenkung.

Eine Aufteilung der Steuerschuld der zumeist zusammenveranlagten Eheleute nach § 268 AO führt zu demselben Ergebnis: sofern erst nach dem ersten Jahr für das Steuerrückstände bestehen, die Aufteilung der Steuerschuld wurde, kann das Finanzamt die Rückzahlung der geleisteten Ratenzahlungen verlangen. Bei getrennter Veranlagung der Eheleute erfolgt die Anfechtung auch durch das Finanzamt nach AnfechtungsG. Für die ersten 4 Jahre kann laut BGH die Anfechtung auf den Anfechtungsgrund der unentgeltlichen Zuwendung entsprechend § 4 AnfG gestützt werden. Aber auch die Anfechtung weiterer 6 Jahre als vorsätzliche Gläubigerbenachteiligung ist möglich.

Die nächste Folge dieser Serie beschäftigt sich mit der besonderen Insolvenzanfechtung im Vorfeld der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens.

Dieser Beitrag ist erschienen in: Mittelstand und Recht I/2010


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Über die Autoren:

Harald Brennecke, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

Portrait Harald-Brennecke

Rechtsanwalt Harald Brennecke ist Gründer und Managing Partner der Kanzlei Brennecke & Partner. Er ist überwiegend im Bereich des Insolvenzrechts für Unternehmer und Unternehmen tätig.

Harald Brennecke ist seit 1999 im Bereich der Unternehmenssanierung tätig. Als Fachanwalt für Insolvenzrecht gestaltet er Sanierungen und begleitet Firmeninsolvenzen. Rechtsanwalt Brennecke berät insbesondere Geschäftsführer in der Unternehmenskrise hinsichtlich der für diese bestehenden  Haftungsrisiken sowie Gesellschafter im Interesse der Unternehmenssanierung unter dem Blickwinkel des Unternehmens als Vermögensbestandteil des Gesellschafters. Er vertritt bei unzulässigen oder unbegründeten Insolvenzanträgen. Rechtsanwalt Brennecke verhandelt mit Insolvenzverwaltern hinsichtlich des Erwerbs von Unternehmen aus der Insolvenz zum Zwecke der Unternehmensfortführung durch Investoren oder Familienangehörige. Weiter vertritt Rechtsanwalt Brennecke bei Ansprüchen des Insolvenzverwalters aus Anfechtung gegen Gesellschafter, Familienangehörige oder Dritte sowie bei (den häufig unterschätzten) Haftungsansprüchen gegen Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften.   

Er berät Insolvenzschuldner hinsichtlich der Erlangung der Restschuldbefreiung und der hierfür erforderlichen Obliegenheiten und vertritt im gesamten Insolvenzverfahren um sicherzustellen, dass der Schuldner die an ihn gestellten Obliegenheitsanforderungen zur Erlangung der Restschuldbefreiung (die über das hinausgehen, was ein Insolvenzverwalter vom Schuldner verlangt und verlangen darf) erfüllt. Der Irrtum, dass Insolvenzschuldner alleine dann schon Restschuldbefreiung erhielten, wenn sie alle Anforderungen des Insolvenzverwalters erfüllen, ist leider immer noch weit verbreitet.

Rechtsanwalt Brennecke berät Schuldner über das Vorgehen bei der Nutzung der Alternativen des europäischen Insolvenzrechts zur Restschuldbefreiung. In wenigen speziellen Fällen bietet ausländisches Insolvenzrecht Vorteile.

Er hat mehrere Bücher im Bereich Insolvenzrecht veröffentlicht, so

  • "Gesellschaftsrecht in der Insolvenz", ISBN 978-3-939384-267
  • "Die Limited in der Insolvenz", ISBN 978-3-939384-34-2
  • "Der Insolvenzplan – Sanierungsinstrument in der Insolvenz", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-06-9
  • "Die Restschuldbefreiung", 2006, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-00-7 
  • "Privatinsolvenz/Verbraucherinsolvenz - Eine Einführung", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-13-1
  • "Insolvenz und Restschuldbefreiung in Europa", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-05-2
  • "Der Insolvenzplan und der Verbraucherinsolvenzplan - Sanierungsinstrument in der Insolvenz - für Verbraucher und Unternehmen", ISBN 978-3-939384-06-9
  • "Die Regelinsolvenz - Insolvenz für Unternehmer und Unternehmen", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-07-6 
  • "Das Recht der GmbH", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-33-5
  • "Der Gesellschaftsvertrag der GmbH - Die GmbH-Satzung in Theorie und Praxis", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-40-3
  • "Der Unternehmenskauf -  Rechtliche Risiken bei Kauf und Verkauf mittelständischer Unternehmen", Verlag Mittelstand und Recht, 2014, ISBN 978-3-939384-18-2
  • "Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-29-8

Weitere Veröffentlichungen sind in Vorbereitung, so

  • „Selbständigkeit in der Insolvenz“
  • „Schutzschirm und Eigenverwaltung“
  • „Die Liquidation von Kapitalgesellschaften“

Er ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht im DeutscherAnwaltVerein und Dozent für Insolvenzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.  Er moderiert die Gruppe Insolvenz und Insolvenzvermeidung bei XING.
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:

  • Insolvenzrecht für Gründer und lebende Unternehmen: Aus Insolvenzen anderer lernen heißtdas eigene Insolvenzrisiko zu vermeiden
  • Unternehmenssanierung: Kopf aus dem Sand! Wer zu spät reagiert, reagiert nie wieder.
  • Insolvenzrecht für Steuerberater – Grundlagen des Insolvenzrechts für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer 
  • Insolvenzrecht für Unternehmensberater – Sanierungschancen erkennen und wahren
  • Insolvenzberatung: das (enorme) Haftungsrisiko des Sanierungsberaters 
  • Selbständigkeit in der Insolvenz – die große Chance des Neustarts


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