Regelinsolvenz - Einführung ins Insolvenzrecht Teil 3: Insolvenzfähigkeit

Nicht jede natürliche oder juristische Person kann einen Insolvenzantrag stellen. Der Schuldner muss „insolvenzfähig“ sein. Insolvenzfähigkeit ist die rechtliche Möglichkeit, Insolvenzschuldner zu sein. Während natürliche Personen Zeit ihres Lebens insolvenzfähig sind, sind es nicht alle juristischen Personen.

Juristische Personen des öffentlichen Rechts (z.B. Gemeinden oder der Staat selbst) sind regelmäßig nicht insolvenzfähig. Juristische Personen des Privatrechts (z.B. Kapitalgesellschaften, auch wenn sie von einer Gemeinde gegründet wurden) können dagegen Insolvenzschuldner sein. Der nicht rechtsfähige Verein wird durch § 11 I .2 InsO ausdrücklich als insolvenzfähig benannt.

Die Behandlung ausländischer Kapitalgesellschaften (z.B. Ltd.) ist seit der Verlagerung der Verpflichtung zur Insolvenzantragsstellung aus § 64 GmbHG in § 15a InsO eindeutig geregelt. Die Insolvenzantragspflicht besteht für alle Kapitalgesellschaften, die in Deutschland ansässig sind, egal welche Rechtsform sie haben.

1. Natürliche Personen

Alle natürlich lebenden Personen, unabhängig von ihrem Alter, Geisteszustand etc. sind insolvenzfähig. Hierbei kann bei den natürlichen Personen zwischen Kaufleuten und Verbrauchern unterschieden werden.

1.1. Kaufleute

Kaufleute sind natürliche Personen, die ein Einzelgewerbe betreiben. Hierzu gehört beispielsweise der selbständige Malermeister oder der selbständige Versicherungsvertreter. Auch natürliche Personen, die im eigentlichen Sinne kein „Gewerbe“, sondern einen freien Beruf ausüben, sind hier betroffen. So ist auch ein selbständiger Grafik-Designer, der kein „Gewerbe“ im eigentlichen Sinne betreibt, sondern einem so genannten „freien Beruf“ nachgeht, insolvenzfähig.

1.2. Verbraucher

Natürliche Personen, die keiner selbständigen Tätigkeit nachgehen, sondern beispielsweise als Arbeitnehmer tätig sind, sind insolvenzfähig. Ebenso gehören Rentner, Studenten oder Arbeitslose zu dieser Gruppe.

Für die Personengruppe der Verbraucher kommt nicht die Regelinsolvenz, sondern das „vereinfachte Insolvenzverfahren“, bekannter unter dem Begriff „Verbraucherinsolvenzverfahren“, zum Tragen (§ 304 ff. InsO).

2. Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit (= Personengesellschaften)

Personengesellschaften haben keine Rechtspersönlichkeit, auch wenn sie inzwischen eigenständig klagen und verklagt werden können. Die wichtigsten Personengesellschaften sind:

Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR)
Offene Handelsgesellschaft (OHG)
Kommanditgesellschaft (KG)

2.1. Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR)

Die GbR – auch GdbR oder BGB-Gesellschaft genannt – kommt in der Wirtschaft in verschiedensten Varianten vor. Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist ein Zusammenschluss mehrerer Gesellschafter zur Verfolgung gemeinsamer Interessen. Ein schriftlicher Gesellschaftsvertrag ist nicht zwingend erforderlich. Gesellschafter können natürliche oder juristische Personen sein. Werden gewerbliche Zwecke verfolgt, ist es eine OHG.

Gesellschaften bürgerlichen Rechts sind beispielsweise Zusammenschlüsse von Freiberuflern (Ärzte, Rechtsanwälte). Auch zeitlich befristete Zusammenschlüsse von Unternehmen können eine GbR sein.

Beispiel:
Die Trinker GmbH und die Schluckspecht Ltd. sind zwei eigenständige Unternehmen in der Alkoholindustrie. Zur Entwicklung eines neuartigen alkoholischen Getränks, welches nicht nur trotz bunter Farben nach Kokosnuss und Vanille schmeckt, sondern auch im Dunkeln leuchtet, schließen sich die beiden Firmen zusammen. In diesem Fall haben sich die beiden eigenständigen Firmen Trinker GmbH und Schluckspecht Ltd. zu einer GbR zusammengeschlossen. Der gemeinsame Gesellschafts-zweck ist hier, das neuartige Getränk zu entwickeln.

Beispiel:
Im Bauwesen erfolgen häufig Zusammenschlüsse von Firmen zu GdbRs für ein einzelnes Bauprojekt. Diese werden in der Regel „ARGE“ (Arbeitsgemeinschaft) genannt.

Auch die so genannte „Vorgründungsgesellschaft“ ist als GbR insolvenzfähig.

In einer Vorgründungsgesellschaft schließen sich mehrere Personen (spätere Gesellschafter der Kapitalgesellschaft) zusammen, um beispielsweise eine GmbH zu gründen. Der Gesellschaftszweck einer Vorgründungsgesellschaft (in Form einer GbR) ist hier die Gründung einer GmbH.

2.2. Offene Handelsgesellschaft (OHG)

Die OHG ist eine Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit. Sie kann unter ihrem eigenen Namen klagen und verklagt werden und über ein weitgehend selbständiges Vermögen verfügen. Sie ist allerdings keine juristische Person. Damit eine OHG insolvenzfähig ist, ist nicht zwingend erforderlich, dass die Gesellschaft ins Handelsregister eingetragen wurde. Vielmehr kann sich die Insolvenzfähigkeit auch dadurch ergeben, dass die OHG ihren kaufmännischen Geschäftsbetrieb schon aufgenommen hat. Man nennt dies eine „faktische OHG“.

Eine faktische OHG ist von einer Scheingesellschaft zu unterscheiden. Eine Scheingesellschaft ist nicht insolvenzfähig und liegt vor, wenn zwar eine OHG gegründet wurde, aber nicht einmal ein mündlichers Gesellschaftsvertrag vorliegt und keinem kaufmännischen Gewerbe nachgegangen wird. Die OHG wurde hier nur zum Schein gegründet, ohne den Willen zur Aufnahme eines Geschäftsbetriebes.

2.3. Die Kommanditgesellschaft (KG)

Auch die KG muss, um insolvenzfähig zu sein, nicht im Handelsregister eingetragen sein. Bereits die Institution der „faktischen KG“ ist hier ebenfalls insolvenzfähig.

3. Juristische Personen: Kapitalgesellschaften

Juristische Personen des Privatrechts sind grundsätzlich insolvenzfähig (§ 11 I InsO).  Zu den juristischen Personen gehören insbesondere:

Aktiengesellschaft (AG)
Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA)
Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH)
Genossenschaft

Der nicht rechtsfähige Verein wird insolvenzrechtlich einer juristischen Person gleichgestellt (§ 11 I S. 2 InsO).

Dieser Aufsatz wurde entnommen dem Buch: Regelinsolvenz - Einführung ins Insolvenzrecht für Unternehmen und Unternehmer von Harald Brennecke, Dr. Maren Augustin und Markus Jauch, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-07-6


 

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Stand: Mai 2010


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Über die Autoren:

Harald Brennecke, Rechtsanwalt

Portrait Harald-Brennecke

Rechtsanwalt Harald Brennecke ist Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Fachanwalt für Insolvenzrecht.

Er berät, vertritt und begleitet Gesellschafter, Geschäftsführer und Unternehmen bei

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  • Wahl des Firmennamens
  • Gesellschaftsgründungen:
    z.B. Beratung zu Gesellschaftskonzepten, Gestaltung von Gesellschaftsverträgen, Geschäftsführerverträgen, Handelsregisteranmeldungen, Vorbereitung und Begleitung  bei Notarterminen 
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  • Liquidation von Gesellschaften
  • Firmenkäufen
  • Due Diligence
  • Geschäftsführerverträgen
  • Sanierung, Insolvenzvermeidung und Insolvenzbegleitung:
    Harald Brennecke ist seit 1999 im Bereich der Unternehmenssanierung tätig. Als Fachanwalt für Insolvenzrecht berät und begleitet er Sanierungen und betreut Geschäftsführer und Gesellschafter bei Firmeninsolvenzen. Er unterstützt Geschäftsführer in der Unternehmenskrise hinsichtlich der für sie bestehenden Haftungsrisiken sowie Gesellschafter im Interesse der Wahrung der Unternehmenswerte. Er unterstützt bei der Suche nach Investoren und Wagniskapitalgebern (venture capital), begleitet Verhandlungen und erstellt Investorenverträge.


Rechtsanwalt Harald Brennecke hat im Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht veröffentlicht:

  • "Das Recht der GmbH", Verlag Mittelstand und Recht, 2015, ISBN 978-3-939384-33-5
  • "Der Gesellschaftsvertrag der GmbH - Die GmbH-Satzung in Theorie und Praxis", 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-40-3
  • "Der Unternehmenskauf -  Rechtliche Risiken bei Kauf und Verkauf mittelständischer Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-18-2
  • "Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-29-8
  • "Gesellschaftsrecht in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-26-7
  • "Die Limited in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-34-2
  • "Der Insolvenzplan – Sanierungsinstrument in der Insolvenz", 2007, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-03-8
  • "Die Regelinsolvenz - Insolvenz für Unternehmer und Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-07-6
  • "Gesellschafterinteressen in der Publikums-KG: Auskunftsrechte der Kommanditisten einer Publikums-KG gegen Treuhänder“, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-28-1
  • "Die Gesellschafterversammlung: Ein Leitfaden", Harald Brennecke und Dipl.-Jur. Marc Schieren, M. L. E., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-50-2
  • "Arztpraxis – Kauf und Übergang", Harald Brennecke und Michael Kaiser, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-54-0

Folgende Veröffentlichungen von Rechtsanwalt Brennecke sind in Vorbereitung:

  • Die Due Diligence – Rechtliche Prüfung beim Unternehmenskauf
  • Die Liquidation der Kapitalgesellschaft
  • Die Unternehmergesellschaft (UG)

Harald Brennecke ist Dozent für Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht im DeutscherAnwaltVerein.  
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:

  • Gesellschaftsrecht für Steuerberater und Unternehmensberater – Grundlagen des Gesellschaftsrechts
  • Gesellschaftsvertragsgestaltung – Grundlagen und Risiken
  • Die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) – kleine Chance, großes Risiko
  • Welche Gesellschaftsform ist die Richtige? Vor- und Nachteile der Rechtsformen für Unternehmer
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Kontaktieren Sie Rechtsanwalt Harald Brennecke unter:
Mail: brennecke@brennecke-rechtsanwaelte.de
Telefon: 0721-20396-28

 


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