Einführung ins Urheberrecht - 22 - Weitere Rückrufsrechte

5.7.2 Rückrufsrecht wegen gewandelter Überzeugung, § 42 UrhG

Beispiel:

Nach Erwerb des renommierten Kleinverlages Diogenes durch einen Großverlag haben etliche bekannte Autoren ihre Werkrechte zurückgerufen, da sie nicht bei einem Großverlag veröffentlicht werden wollten.

Bei § 42 UrhG stehen die ideellen Gründe des Verfassers im Vordergrund. Dieser hat ein Interesse daran eine weitere Verwertung wegen einer gewandelten Überzeugung zu verhindern. § 42 I UrhG nennt für diesen Fall die Voraussetzungen, wann ein Nutzungsrecht gegenüber dem Inhaber zurückgerufen werden kann:

(1) Das Werk darf der Überzeugung des Urhebers nicht mehr entsprechen und

(2) ihm kann deshalb die Verwertung nicht mehr zugemutet werden.

§ 42 UrhG gilt, anders als § 41 UrhG, auch bei einem einfachen Nutzungsrecht. (Wandtke/Bullinger-Wandtke, § 42 Rn.3)
Der Begriff der Überzeugung ist weit zu verstehen und umfasst beispielsweise künstlerische, politische und persönliche Ansichten des Urhebers. (Wandtke/Bullinger-Wandtke, § 42 Rn.5)

Die Verwertung muss für den Urheber unzumutbar sein. Ob eine Verwertung unzumutbar ist, entscheidet eine Interessensabwägung. Ein prominentes Beispiel für eine mögliche Unzumutbarkeit ist, dass es für einen Wissenschaftler nicht hinnehmbar sein kann, wenn ein älteres Werk von ihm weiter verbreitet wird, obwohl dies durch neue Erkenntnisse überholt ist. (Dreier-Schulze-Schulze, § 42 Rn.18)

Weiter fordert § 42 III 1 UrhG, dass der Urheber den Inhaber des Nutzungsrechts angemessen zu entschädigen hat. Hier unterscheidet sich das Rückrufsrecht wegen gewandelter Überzeugung vom Rückrufsrecht wegen Nichtausübung gem. § 41 UrhG. Bei § 41 UrhG soll eine Entschädigung nur dann erfolgen, wenn Billigkeitserwägungen dies gebieten. Dies ist selten der Fall. (Dreier/Schulze-Schulze, § 41 Rn.38) Bei einem Rückruf wegen gewandelter Überzeugung ist die Entschädigung dagegen eher die Regel. (Dreier/Schulze-Schulze, § 42 Rn.23)
Nach § 43 III 2 UrhG muss die Entschädigung mindestens die Aufwendungen decken, die der Inhaber des Nutzungsrechts bis zu der Erklärung des Rückrufs gemacht hat.

Beispiel:

Kosten für Werbung

Nach § 42 III 3 UrhG wird der Rückruf erst dann wirksam, wenn der Urheber die Aufwendungen ersetzt oder Sicherheit hierfür geleistet hat. Nach § 42 III 4 UrhG muss der Inhaber des Nutzungsrechts die entstandenen Aufwendungen innerhalb von drei Monaten mitteilen.
Bei einem Rückruf wegen gewandelter Überzeugung ist der Urheber nach § 42 IV UrhG verpflichtet, dem früheren Inhaber des Nutzungsrechts ein entsprechendes Nutzungsrecht zu angemessenen Bedingungen anzubieten, wenn dieser das Werk nach dem Rückruf wieder verwerten will.
Die Regelung beinhaltet demnach eine Anbietungspflicht des Urhebers. Dies soll verhindern, dass der Urheber das Rückrufsrecht wegen gewandelter Überzeugung dazu missbraucht, das Nutzungsrecht lediglich auf einen anderen Nutzungsrechtsinhaber zu übertragen.
Erst nach einer Ablehnung durch den bisherigen Nutzungsrechtsinhaber darf der Urheber das Werk Dritten anbieten. (Dreier/Schulze-Schulze, § 42 Rn.27)

Mit Wirksamwerden des Rückrufsrechts erlischt das Nutzungsrecht, vgl. § 42 V i.V.m. § 41 V UrhG.

Auf das Rückrufsrecht wegen gewandelter Überzeugung kann nicht im Voraus verzichtet werden, § 42 II UrhG.

5.7.3 Rückrufsrecht des Urhebers bei der Gesamtveräußerung, § 34 III 2 UrhG

Ein weiteres Rückrufsrecht des Urhebers besteht, wenn
das gesamte Unternehmen veräußert wird, das die Nutzungsrechte innehat,
diejenigen Unternehmensteile eines Unternehmens veräußert werden, die die Nutzungsrechte innehaben,
oder sich die Beteiligungsverhältnisses des Unternehmens, das das die Nutzungsrechte bisher innehat, deutlich ändern, z.B. wenn Gesellschaftsanteile an neue Gesellschafter übergehen.

Erforderlich für die Ausübung des Rückrufsrechts ist, dass dem Urheber die Ausübung des Nutzungsrechts durch den Erwerber des Unternehmens nicht zumutbar ist.

Eine Regelung, wonach auf dieses Rückrufsrecht wegen gewandelter Überzeugung wegen Gesamtveräußerung oder Änderungen der Unternehmensbeteiligung nicht im Voraus verzichtet werden kann, gibt es nicht.

Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Einführung ins Urheberrecht“ von Harald Brennecke, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz und Simon Hofmann, wissenschafticher Mitarbeiter, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht 2011, ISBN 978-3-939384-12-0


 

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Über die Autoren:

Harald Brennecke, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz

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Rechtsanwalt Harald Brennecke berät und vertritt als Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz bei Abmahnungen wegen urheberrechtswidriger Nutzung von Daten, Karten, Texten (wie z.B. Vertragswerken oder AGB in ihrer Gesamtheit), Fotos oder Bildern. Er gestaltet und prüft Lizenzverträge zur Regelung der Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke oder zur Übertragung von Nutzungsrechten für Agenturen, Künstler, Firmen, Rechteverwerter und Medienunternehmen. Er prüft und gestaltet Verwertungsverträge, setzt Verwertungsrechte durch und schützt diese. Er berät bei der Gestaltung von  Webseiten, Unternehmensdarstellungen, Werbeauftritten und Prospekten und prüft deren rechtssichere Darstellung. Rechtsanwalt Brennecke vertritt bei Schadensersatzansprüchen wegen verletzten Urheberrechten an Bildern, Texten, Musik, Videos und anderen Werken. Er vertritt Autoren und Urheber bei der Durchsetzung angemessener Vergütungsansprüche, beispielsweise aufgrund erweiterter Nutzung.

Harald Brennecke hat zum Thema Urheberrecht und Lizenzrecht veröffentlicht:

  • "Urheberrecht - eine Einführung", von Harald Brennecke und Simon Hofmann, 2011, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-23-6
  • „Lizenzrecht - eine Einführung. Lizenzarten und Lizenzverträge.“ von Harald Brennecke und Florin Brückner, 2010, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-08-3
  • "Wettbewerbsrecht - Einführung in das Recht des unlauteren Wettbewerbs und das UWG", Harald Brennecke und Florin Brückner, 2010, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-12-0
  • "Markenrecht - eine Einführung Markenformen, Markenschutz und Markenanmeldung ", Harald Brennecke und Florin Brückner, 2010, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-22-9

Rechtsanwalt Brennecke ist Dozent für Urheberrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.
Rechtsanwalt Brennecke bietet Vorträge, Seminare und Schulungen im Urheberrecht an, unter anderem zu den Themen:

  • Medien, Allgemeines Persönlichkeitsrecht und Urheberrecht – Nicht alles, was Spaß macht, ist auch erlaubt
  • Lizenzvertragsgestaltung
  • Der Gebrauchtsoftwarekauf
  • Der Kauf von Nutzungsrechten an Texten
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