Rechtsschutzversicherung deckt auch Kapitalanlagenfehlberatung

Eine Rechtsschutzversicherung wird abgeschlossen, damit bei einer Auseinandersetzung vor Gericht die Kosten von der Rechtschutzversicherung übernommen werden.

Problematisch wird das nur, wenn in den AGB-Klauseln der Rechtschutzversicherung bestimmte Sachverhalte vom Verssicherungsumfang ausgeschlossen werden. Im vorliegenden Fall geht es um den Ausschluss des Rechtsschutzes für Streitigkeiten im Bereich von Kapitalanlagen. Hat der Versicherungsnehmer sich von einer Bank über den Abschluss einer Kapitalanlage beraten lassen und mit dieser empfohlenen Kapitalanlage Verluste erlitten, entstehen häufig Fragen nach der Bankhaftung bzw. Beraterhaftung. Können nach einer Prüfung durch einen Anwalt Schadensersatzansprüche wegen fehlerhafter Beratung geltend gemacht werden, schrecken viele Anleger vor der gerichtlichen Geltendmachung von Schadensersatzansprüche wegen Beraterhaftung und Bankhaftung zurück, weil ihre die Kostenübernahme hierfür Rechtschutzversicherung ablehnt.

Rechtschutzversicherungen verwenden häufig folgende AGB-Klausel gegenüber Verbrauchern, mit der der Rechtsschutz zum Beispiel in Fällen der Beraterhaftung bei Immobilienfonds eingeschränkt werden soll:

„Rechtsschutz besteht nicht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen in ursächlichem Zusammenhang mit der Anschaffung oder Veräußerung von Effekten (z.B. Anleihen, Aktien, Investmentanteilen) sowie der Beteiligung an Kapitalanlagemodellen, auf welche die Grundsätze der Prospekthaftung anwendbar sind (z.B. Abschreibungsgesellschaften, Immobilienfonds).“

Wäre dieser Ausschluss wirksam, so müsste die Rechtsschutzversicherung, wenn der Versicherungsnehmer Schadensersatzansprüche gegen eine Bank wegen Beraterhaftung im Zusammenhang mit einer Kapitalanlage verfolgen möchte, die Kosten für den Rechtsstreit nicht übernehmen. Ist die AGB-Klausel der Rechtschutzversicherung hingegen unwirksam, bestünde voller Versicherungsschutz, was natürlich für den Versicherungsnehmer wünschenswert wäre.

Als AGB-Klausel ist dieser Ausschluss der Inhaltskontrolle der §§ 305 ff. BGB unterworfen. Hier ist besonders das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB zu beachten. Entsprechend dieser Vorschrift muss die Rechtschutzversicherung bei der Verwendung von AGB-Klauseln die Rechte und Pflichten des Versicherungsnehmers möglichst klar und deutlich darstellen. Die Rechtschutzversicherung muss ihre AGB-Klauseln so gestalten, dass Missverständnisse über die wirtschaftlichen Belastungen des Versicherungsnehmers nicht entstehen können. Die Rechtsschutzversicherung soll keinen Spielraum haben, innerhalb dessen sie sich entscheiden kann, ob sie die Kosten deckt oder nicht. So ein Ermessen stellt eine Unsicherheit beim Vertragsabschluss dar, die es zu vermeiden gilt. Für den Versicherungsnehmer soll klar zu erkennen sein, in welchen Fällen seine Rechtschutzversicherung für die Kosten eines Rechtsstreites eintritt und in welchen nicht.

Zwei Begriffe könnten in der oben dargestellten AGB-Klausel nicht klar genug für einen Verbraucher definiert worden sein: „Effekte“ und „Grundsatz der Prospekthaftung“. Um zu beurteilen, ob diese Begriffe Definitionsschwierigkeiten begründen wird zuerst untersucht, ob die bisherige Rechtsprechung für diese Begriffe schon genaue Definitionen entwickelt hat. Ist das der Fall, so werden diese herangezogen. Gibt es für diese Begriffe keine durch die Rechtsprechung entwickelten Definitionen, wird als nächstes darauf abgestellt was ein durchschnittlicher Verbrauchers im täglichen Leben unter diesen Begriffen verstehen kann. Das heißt, es wird geprüft, ob die von der Rechtsschutzversicherung in ihren AGB-Klauseln verwenden Begriffe für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer so verständlich sind, dass sich für ihn ohne weiteres erkennen lässt, wann Rechtsschutz besteht und wann nicht.
Mit dem Begriff „Effekte (z.B. Anleihen, Aktien, Investmentanteilen)“ erschließt sich dem Verbraucher nur, dass es sich um eine Teilmenge von Wertpapieren handelt, nicht jedoch welche Wertpapiere im Einzelnen erfasst sind. Will sich der Versicherungsnehmer über den Umfang von Effekten zum Beispiel im Internet informieren, erhält er unterschiedliche Antworten. Dies steigert die Unklarheit weiter.
Bei dem Begriff „Grundsätze der Prospekthaftung (z.B. Abschreibungsgesellschaften, Immobilienfonds)“ erschließt sich dem durchschnittlichen Verbraucher ebenfalls nicht genau die Reichweite des Ausschlusses. Ihm wird im Regelfall nicht geläufig sein, was „Prospekthaftung“ bedeutet und auch der Begriff „Grundsätze“ lässt einen zu weiten Spielraum zu.
Damit ist der Umfang der Pflichten der Rechtschutzversicherung nicht deutlich dargestellt, was das Transparentgebot verletzt und den Versicherungsnehmer unangemessen benachteiligt, weil sich für ihn nicht ergibt, bei welchen Kapitalanlagen die Rechtsschutzversicherung die gerichtliche Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen im Bereich der Beraterhaftung und Bankhaftung abdeckt.

Das Interesse der Rechtschutzversicherung mit dieser AGB-Klausel ein schwer zu kalkulierendes Risiko auszuklammern und damit eine niedrigere und einfachere Beitragskalkulation zu ermöglichen, spielt hierbei keine Rolle.

Ist ein Teil einer AGB-Klausel unwirksam ist, kann der restliche Teil der AGB-Klausel nicht alleine gelten. Somit ist die gesamte AGB-Klausel und damit der gesamte Versicherungsausschluss unwirksam, was zu einer Zahlungspflicht der Rechtsschutzversicherung bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen im Zusammenhang mit Beraterhaftung oder Bankhaftung bei Kapitalanlagen führt.

Dieser Auffassung folgte nun auch das OLG München in seinem Urteil vom 22.09.2011, Aktenzeichen 29 U 589/11.


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Über die Autoren:

Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht

Portrait Carola-Ritterbach

Rechtsanwältin Carola Ritterbach arbeitet seit vielen Jahren im Bereich des Bankrechts. Sie ist Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht. Sie unterstützt Verbraucher und Unternehmer in jeglichen Bereichen, in denen Schwierigkeiten mit ihren Banken aufgetreten sind oder drohen aufzutreten.

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Rechtsanwältin Carola Ritterbach hat im Bankrecht veröffentlicht:

  • Die Beraterhaftung im Kapitalmarktrecht, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-30-4
  • Kreditsicherheiten, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-27
  • Kreditzinsen und Vorfälligkeitsentschädigung - Gewinn- und Schadensberechnung der Banken, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-45-8
  • Bankvertragsrecht, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-32-8
  • Kreditvertragsrecht, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-35-9
  • Leasingrecht – Einführung in das Recht des Leasings, ISBN 978-3-939384-25-0, 2014, Verlag Mittelstand und Recht

 

Rechtsanwältin Ritterbach ist Dozentin für Bank- und Kapitalmarktrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie sowie Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Bank- und Kapitalmarktrecht im Deutschen Anwaltsverein.

Rechtsanwältin Ritterbach bietet Schulungen, Vorträge und Seminare zu den Themen:

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Normen: § 305 ff BGB, § 307 BGB,

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