Sittenwidrigkeit einer Angehörigen-Bürgschaft bei hintereinander abgeschlossenen Bürgschaftsvereinbarungen - Teil 01

Bevor Banken ihren Kunden Kredite gewähren, fordern die Banken, insbesondere bei höheren Beträgen, in vielen Fällen zunächst die Bürgschaft eines Dritten. Diejenigen, die sich zu einer Bürgschaft bereit erklären sind oftmals Angehörige des Kreditnehmers, die zum Beispiel ihren Sohn oder Ehemann unterstützen wollen. Nicht selten gehen sie hohe finanzielle Risiken ein, obwohl sie selbst nur wenig Kapital zur Verfügung haben.
Will später die Bank den Bürgen in Anspruch nehmen, weil der Hauptschuldner nicht zahlen kann, stellt sich in solchen Fällen oft die Frage, ob der Bürgschaftsvertrag mit dem Angehörigen überhaupt wirksam ist. In vielen Fällen ist dies zu verneinen, weil der Angehörige des Hauptschuldners finanziell so überfordert ist, dass der Bürgschaftsvertrag von Anfang an sittenwidrig und daher unwirksam war. Ist dies der Fall, ist die Bürgschaft hinfällig und der Gläubiger kann den Bürgen nicht in Anspruch nehmen.

Eine Sittenwidrigkeit bei Angehörigen-Bürgschaften ist immer dann anzunehmen, wenn zum Zeitpunkt des Abschluss des Bürgschaftsvertrages eine sogenannte krasse finanzielle Überforderung des Bürgen vorliegt. Das ist dann der Fall, wenn der Grad der Verpflichtung, die der Bürge eingeht, seine Leistungsfähigkeit weit übersteigt. Vereinfacht gesagt bedeutet dies, dass die Bürgschaft sittenwidrig ist, wenn schon bei Abschluss des Bürgschaftsvertrages voraussehbar war, dass der Bürge mit seinen finanziellen Mitteln nicht in der Lage sein würde, die spätere Forderung des Gläubigers zu begleichen, wenn der Hauptschuldner nicht zahlen kann. Der Bürge soll so vor dem eigenen finanziellen Ruin geschützt werden. Kann der Bürge nicht einmal die laufenden Zinsen der Hauptforderung bezahlen, dann ist eine krasse finanzielle Überforderung anzunehmen. Wird die Schuld des Bürgen dagegen durch den Wert eines Grundstücks des Bürgen vollständig abgedeckt, ist eine finanzielle Überforderung nicht zu bejahen.
Neben der finanziellen Überforderung muss zur Annahme einer Sittenwidrigkeit der Bürgschaft auch eine verwerfliche Gesinnung des Gläubigers vorliegen. Diese verwerfliche Gesinnung wird vermutet, wenn ein Näheverhältnis zum Hauptschuldner vorliegt und eine krasse finanzielle Überforderung des Bürgen gegeben ist.
Ist der Gläubiger der Auffassung, gerade keine verwerfliche Gesinnung bei Abschluss des Bürgschaftsvertrages gehabt zu haben, muss er dies beweisen. So kann er vor Abschluss des Bürgschaftsvertrages etwa eine Selbstauskunft des Bürgen einfordern und anhand dieser genau überprüfen, welche Vermögenswerte vorliegen und ob diese für den eventuellen Sicherungsfall ausreichen. Konnte der Gläubiger anhand der Angaben des Bürgen davon ausgehen, dass keine finanzielle Überforderung vorlag, so kann er damit die verwerfliche Gesinnung ausschließen.

Schwerer gestaltet sich die Frage der Sittenwidrigkeit dann, wenn zwischen dem Bürgen und dem Gläubiger nach der ersten Bürgschaftsvereinbarung weitere Vereinbarungen getroffen werden.

Beispiel:

Im Jahr 2002 schließt B für den Kredit ihres Ehemannes einen Bürgschaftsvertrag mit einer Bank ab. Die Bürgschaft soll auf einen Höchstbetrag von 40.000 Euro begrenzt sein. In den Jahren 2005 und 2007 werden jeweils neue Vereinbarungen zwischen B und der Bank getroffen, in denen jeweils erneut betragsmäßig begrenzte Bürgschaften vereinbart werden, zunächst auf 40.0000 dann auf 45.000 Euro begrenzt.

Hier stellt sich nun die Frage, auf welchen Zeitpunkt für die Frage der Sittenwidrigkeit des Bürgschaftsvertrages abzustellen ist und ob die Bank bei jeder neuen Vereinbarung erneut prüfen muss, ob eine finanzielle Überforderung vorlag. Diese Frage ist vor allem dann entscheidend, wenn die Vermögensverhältnisse des Bürgen sich im Laufe der Jahre verändern, sodass er z.B. bei der ersten Vereinbarung noch sehr vermögend war, dann aber über die Jahre hinweg Vermögen verliert.


Kontakt: ritterbach@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Juni 2014


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Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht

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Rechtsanwältin Carola Ritterbach arbeitet seit vielen Jahren im Bereich des Bankrechts. Sie ist Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht. Sie unterstützt Verbraucher und Unternehmer in jeglichen Bereichen, in denen Schwierigkeiten mit ihren Banken aufgetreten sind oder drohen aufzutreten.

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  • Die Beraterhaftung im Kapitalmarktrecht, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-30-4
  • Kreditsicherheiten, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-27
  • Kreditzinsen und Vorfälligkeitsentschädigung - Gewinn- und Schadensberechnung der Banken, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-45-8
  • Bankvertragsrecht, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-32-8
  • Kreditvertragsrecht, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-35-9
  • Leasingrecht – Einführung in das Recht des Leasings, ISBN 978-3-939384-25-0, 2014, Verlag Mittelstand und Recht

 

Rechtsanwältin Ritterbach ist Dozentin für Bank- und Kapitalmarktrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie sowie Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Bank- und Kapitalmarktrecht im Deutschen Anwaltsverein.

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