Gesellschafterinteressen in der Publikums-KG – Teil 18 – BGH-Entscheidung vom 21.09.2009 (Fortführung)

Ein Gesellschafter, der über die Identität seiner Mitgesellschafter informiert werden will, möchte erfahren, wer seine Vertragspartner sind, mit denen er sich zu einer Außen- oder Innengesellschaft bürgerlichen Rechts verbunden hat. Mag dies auch keine „Angelegenheit der Gesellschaft“ sein, so stehe außer Frage, dass jeden Gesellschafter aus dem Gesellschaftsvertrag die Pflicht trifft, seinem Vertragspartner die eigene Identität zu offenbaren §§ 705, 242 BGB). Denn die GbR ist - grundlegend anders als die AG - von einem personenrechtlichen Element geprägt, und zwar unabhängig davon, ob es sich um eine Gesamthandsgesellschaft oder um eine nur schuldrechtliche Gesellschaft handelt, bei welcher der gemeinsame Zweck das konstituierende Element ist. Der Personengesellschafter, welcher im Verhältnis zu seinen Mitgesellschaftern „anonym“ bleiben wolle, habe dieses personenrechtliche Element des Vertrages einer GbR offenbar schon im Ansatz nicht verstanden.(Fußnote)

Der Umstand, dass das Gesellschaftsverhältnis in Fondsgesellschaften typischerweise unter Einschaltung von Vertretern erfolge, die Gesellschafter also nicht direkt miteinander kontrahieren, ändere an dem personenrechtlichen Charakter der Gesellschaft bürgerlichen Rechts nichts. Aufgrund des bestehenden Gesellschaftsvertrages müsse also jeder Gesellschafter seinen Mitgesellschaftern seine Identität offenbaren. Anspruchsgrundlage sei der Gesellschaftsvertrag selbst §§ 705, 242 BGB).(Fußnote)

Die Frage, ob dieser aus dem Gesellschaftsvertrag resultierende Informationsanspruch abdingbar ist, hat der BGH zu Recht verneint. Aus dem Wesen der GbR folge die unabdingbare Verpflichtung, dass sich jeder Gesellschafter seinen Mitgesellschaftern dahin „offenbaren muss, wer er ist und wo er sitzt. Eine solche Verpflichtung gehöre zu den essentialia negotii.(Fußnote)

Bei der Publikums-GbR sei die Interessenlage der Gesellschafter eine völlig andere. Ihre Interessen seien regelmäßig dadurch gekennzeichnet, dass sie gerade kein Interesse an einem persönlichen Engagement oder einer aktiven Steuerung der Gesellschaft und ihres Geschäfts hätten. Die Interessen der Gesellschafter beschränkten sich auf die Kapitalanlage. Die Kenntnis der Identität der Mitgesellschafter sei für die Realisierung des Anlageziels irrelevant. Regelmäßig erfolge der Beitritt zu solchen Gesellschaften in Unkenntnis der Gesellschafter, die bereits beigetreten sind und ohne Kenntnis darüber, wer und wie viele Personen noch beitreten werden. Ist den einzelnen Gesellschaftern aber die Person ihrer Mitgesellschafter gleichgültig, so spreche dieser Umstand gegen die Unwirksamkeit einer Anonymitätsklausel.(Fußnote)

Bei der Publikums-GbR sei allerdings zu berücksichtigen, dass auch die Gesellschafter einer solchen GbR der unbeschränkten Haftung unterliegen. Ihre rein kapitalistisch geprägten Interessen kollidieren mit einer den persönlichen Bereich des Gesellschafters berührenden Haftung. Die Anonymitätsklausel könne für den Fall, dass das Management der Anlagegesellschaft aus Sicht eines Anlegers zu passiv bleibt, dem Anleger die Möglichkeit nehmen, aktiv auf die Geschicke der Gesellschaft einzuwirken und dadurch den Eintritt der Haftungssituation abzuwenden. Ohne Übermittlung der Daten der Mitgesellschafter würde es für den einzelnen Gesellschafter nahezu unmöglich, eine koordinierte Aktion der Mitgesellschafter zu initiieren. Es sei die spezifische Haftungssituation bei der GbR, die dem Informationsbedürfnis des einzelnen Gesellschafters eine besondere Qualität gebe.(Fußnote)

Diese zur GbR entwickelten Grundsätze für eine grundsätzliche Wirksamkeit von Anonymitätsklauseln würden sich weitgehend auch auf das Einsichtsrecht des Kommanditisten übertragen. Dabei bestünden zwischen GbR und KG zwei in diesem Zusammenhang signifikante Unterschiede: Die beschränkte Haftung des Kommanditisten und als dessen Konsequenz sein nach § 166 HGB weniger weitreichend ausgestaltetes Einsichtsrecht. Diese Unterschiede würden zu einer weitgehenden Zulässigkeit von Anonymitätsklauseln bei einer KG verglichen mit einer GbR führen.(Fußnote)

Ebenso wie von § 716 BGB im Gesellschaftsvertrag einer GbR abgewichen werden kann, lasse § 166 Abs.1 HGB auch bei der KG eine vertragliche Modifikation des gesellschaftsrechtlichen Informationsrechts zu. Bei der Publikums-KG könne in bestimmten Grenzen auch das Einsichtsrecht nach § 161 Abs. 3 HGB modifiziert werden. Modifikationen bei Publikumskommanditgesellschaften unterlägen allerdings wiederum der richterlichen Inhaltskontrolle.(Fußnote)

An der Entscheidung des Gerichts wird kritisiert, dass die vorgenommene Inhaltskontrolle entgegen allgemeinen Regeln des Sonderrechts für Publikumskommanditgesellschaften auf den Wertungsmaßstab des Aktienrechts nicht eingeht, und dies obwohl dort die Anonymität der gesetzliche Regelfall sei.(Fußnote)

Vor diesem Hintergrund, sowie angesichts der Tatsache, dass die Anonymität des Kapitalanlegers Wesensmerkmal der Publikumsgesellschaft sei, erscheine die Argumentation des Gerichts weder zwingend noch verallgemeinerungsfähig. Obwohl es sich um eine Publikums-GbR handelte, habe das Gericht auf Maßstäbe der gesetzestypischen GbR rekurriert, was nur auf die Besonderheiten des konkreten Sachverhalts zurückzuführen sein könne.(Fußnote)

Keineswegs zwingend erscheine die Argumentation auch insoweit, als sie maßgeblich auf das Bestehen eines „Schuldverhältnisses“ abstelle, um hieraus die „selbstverständliche Kenntnis des Vertragspartners“ abzuleiten. Denn die Nichtoffenlegung des wahren Berechtigten sei bei der Treuhand über Gesellschaftsanteile doch gerade typisch.(Fußnote)

Auch die Tatsache, dass der Anleger allein oder gemeinsam mit anderen gesellschaftsvertragliche Mindestquoren für die Geltendmachung bestimmter Gesellschafterrechte erreichen müsse, vermag für sich genommen den Anspruch auf Offenlegung der Daten sämtlicher Mitgesellschafter nicht zu rechtfertigen, auch nicht in der Krise. Denn diese faktische Notwendigkeit habe auch den Aktiengesetzgeber nicht etwa dazu veranlasst, einen umfassenden Offenlegungsanspruch gem. §67 AktG zu bejahen. (Fußnote)

Indem der BGH feststellt, dass das Recht, seinen Vertragspartner zu kennen, in einem Schuldverhältnis nicht wirksam ausgeschlossen werden könne, erhebe er den umfassenden Offenlegungsanspruch des einzelnen Anlegers in der Publikums-GbR im Ergebnis zu einem Mitgliedschaftsrecht.(Fußnote)


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Gesellschafterinteressen in der Publikums-KG: Auskunftsrechte der Kommanditisten einer Publikums-KG gegen Treuhänder“ von Harald Brennecke, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht 2014, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-28-1.


 

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Stand: Oktober 2014


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Rechtsanwalt Harald Brennecke hat im Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht veröffentlicht:

  • "Das Recht der GmbH", Verlag Mittelstand und Recht, 2015, ISBN 978-3-939384-33-5
  • "Der Gesellschaftsvertrag der GmbH - Die GmbH-Satzung in Theorie und Praxis", 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-40-3
  • "Der Unternehmenskauf -  Rechtliche Risiken bei Kauf und Verkauf mittelständischer Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-18-2
  • "Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-29-8
  • "Gesellschaftsrecht in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-26-7
  • "Die Limited in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-34-2
  • "Der Insolvenzplan – Sanierungsinstrument in der Insolvenz", 2007, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-03-8
  • "Die Regelinsolvenz - Insolvenz für Unternehmer und Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-07-6
  • "Gesellschafterinteressen in der Publikums-KG: Auskunftsrechte der Kommanditisten einer Publikums-KG gegen Treuhänder“, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-28-1
  • "Die Gesellschafterversammlung: Ein Leitfaden", Harald Brennecke und Dipl.-Jur. Marc Schieren, M. L. E., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-50-2
  • "Arztpraxis – Kauf und Übergang", Harald Brennecke und Michael Kaiser, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-54-0

Folgende Veröffentlichungen von Rechtsanwalt Brennecke sind in Vorbereitung:

  • Die Due Diligence – Rechtliche Prüfung beim Unternehmenskauf
  • Die Liquidation der Kapitalgesellschaft
  • Die Unternehmergesellschaft (UG)

Harald Brennecke ist Dozent für Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht im DeutscherAnwaltVerein.  
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:

  • Gesellschaftsrecht für Steuerberater und Unternehmensberater – Grundlagen des Gesellschaftsrechts
  • Gesellschaftsvertragsgestaltung – Grundlagen und Risiken
  • Die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) – kleine Chance, großes Risiko
  • Welche Gesellschaftsform ist die Richtige? Vor- und Nachteile der Rechtsformen für Unternehmer
  • Geschäftsführerhaftung – Geschäftsführung von Kapitalgesellschaften; das letzte große Abenteuer der westlichen Zivilisation
  • Insolvenzrecht für Gründer und lebende Unternehmen: Aus Insolvenzen anderer lernen heißt das eigene Insolvenzrisiko zu vermeiden
  • Unternehmenssanierung: Kopf aus dem Sand! Wer zu spät reagiert, reagiert nie wieder.
  • Insolvenzrecht für Steuerberater – Grundlagen des Insolvenzrechts für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer
  • Insolvenzrecht für Unternehmensberater – Sanierungschancen erkennen und wahren
  • Insolvenzberatung: das (enorme) Haftungsrisiko des Sanierungsberaters

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