Gesellschafterinteressen in der Publikums-KG – Teil 21 – BGH, Urteil vom 11.01.2011 / 02

 

Die Rechtsstellung des Anlegers, der sich über einen Treuhandkommanditisten an einer Publikums-Kommanditgesellschaft beteiligt, sei im Hinblick auf den hier in Rede stehenden Auskunftsanspruch nicht mit der eines Aktionärs vergleichbar.
Im vorliegenden Zusammenhang sei insbesondere von Bedeutung, dass es für die Beurteilung, welche Auskunftsansprüche Anlegern einer Publikums-Kommanditgesellschaft, die sich als Treugeber über einen Treuhandkommanditisten mittelbar an der Kommanditgesellschaft beteiligt haben, gegenüber anderen Treugebern zustehen, nicht in erster Linie auf die Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrags der Kommanditgesellschaft ankomme. Maßgeblich sei vielmehr, ob und gegebenenfalls wie die Treugeber ihr Innenverhältnis zueinander rechtlich gestaltet hätten. Der Umstand, dass Anleger sich (lediglich mittelbar) über einen Treuhänder an einer Publikums- Kommanditgesellschaft beteiligten, schließe weder die Bildung einer Innengesellschaft bürgerlichen Rechts unter den Treugebern aus noch begründe er unabhängig von der konkreten vertraglichen Gestaltung dieses Rechtsverhältnisses ein Recht auf Anonymität.108

Ein schützenswertes Geheimhaltungsinteresse der Mittreugeber bestehe bei der   vorliegenden Fallgestaltung auch nicht aus datenschutzrechtlichen Gründen. Das Übermitteln personenbezogener Daten sei gem. § 28 Abs. 1 Nr. 1 BDSG im Rahmen eines rechtsgeschäftlichen Schuldverhältnisses zulässig, wenn es für dessen Durchführung erforderlich sei. Das sei anzunehmen, wenn der Auskunftsberechtigte bei vernünftiger Betrachtung auf die Datenverwendung zur Erfüllung der Pflichten oder zur Wahrnehmung der Rechte aus dem Vertragsverhältnis angewiesen sei.
In diesem Sinn sei im vorliegenden Fall die Kenntnis der Mitgesellschafter zur effektiven Nutzung der Rechte in der zwischen den Treugebern bestehenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts erforderlich.
Die Kläger müssten sich nicht nicht in Anlehnung an § 127a AktG auf ein Internetforum als milderes Mittel verweisen lassen. Es müsse vielmehr den Gesellschaftern überlassen bleiben, auf welchem Weg und in welcher Weise sie sich an ihre Mitgesellschafter wenden wollten. Es bestehe ein berechtigtes Interesse der Kläger, ihre Rechte als Mitglieder der Innengesellschaft der Treugeber wahrnehmen zu können, ohne auf die Beklagte als Mittlerin zu den übrigen Treugebern angewiesen zu sein oder von ihr oder der Fondsgesellschaft bereitgestellte und kontrollierte Medien zu nutzen.109

Soweit der Auskunftsanspruch des mittelbar über einen Treuhandkommanditisten beteiligten Anlegers wie hier daraus folge, dass durch die konkrete vertragliche Gestaltung neben dem Kommanditgesellschaftsverhältnis im Innenverhältnis der Anleger eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts begründet worden ist, bestehe schon aus diesem Grund kein Wertungswiderspruch zur Rechtsstellung des unmittelbar als Kommanditist beteiligten Anlegers.
Ist der unmittelbare Anleger-Kommanditist gleichfalls an der Innengesellschaft der Anleger beteiligt, so stehe ihm der aus diesem Gesellschaftsverhältnis folgende Auskunftsanspruch ebenso wie den nur mittelbar beteiligten Anlegern zu. Fehle es nach der konkreten Vertragsgestaltung an einer solchen Rechtsbeziehung im Innenverhältnis zu den übrigen Anlegern, so könne sich ein entsprechender Auskunftsanspruch aus dem Kommanditgesellschaftsverhältnis ergeben und richte sich jedenfalls gegen die (unmittelbaren) Mitgesellschafter der Kommanditgesellschaft. Da unmittelbare Kommanditisten mit Name, Vorname, Geburtsdatum und Wohnort im Handelsregister einzutragen sind (§ 162 Abs. 1 Satz 1, § 106 Abs. 2 Nr. 1 HGB), könnten sich deren Mitgesellschafter durch Einsichtnahme in das Handelsregister (§ 9 Abs. 1 Satz 1 HGB) jederzeit darüber informieren, wer neben ihnen an der Kommanditgesellschaft unmittelbar beteiligt ist. Sind die persönlichen Daten der Kommanditisten auch bei der Publikums-Kommanditgesellschaft aber schon von Gesetzes wegen für jedermann offen zu legen, so könne nicht angenommen werden, dass der unmittelbare Kommanditist einer Publikums-Kommanditgesellschaft dem seinen Mitgesellschaftern aus dem Gesellschaftsverhältnis zustehenden Anspruch auf Mitteilung von Name und Wohnort ein grundsätzliches Geheimhaltungsinteresse entgegenhalten oder die begehrte Auskunft von seiner Einwilligung abhängig machen kann.

Die Pflicht zur Mitteilung von Name und Adresse der Mitgesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts bestehe nicht nur dann, wenn für die begehrte Auskunft ein besonderer Anlass bestehe. Die Auskunftspflicht aus § 716 Abs. 1 BGB sei einer solchen Einschränkung nicht unterworfen. Ein aus einer besonderen gesetzlichen Regelung folgender Auskunftsanspruch werde vielmehr - anders als ein aus § 242 BGB hergeleiteter Auskunftsanspruch - nur durch das Verbot der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) und durch das Schikaneverbot gem. § 226 BGB begrenzt. Die Auskunft dürfe danach nur verweigert werden, wenn an ihrer Erteilung kein vernünftiges Interesse bestehe oder das Interesse so unbedeutend sei, dass es in keinem Verhältnis zu dem für die Erteilung erforderlichen Aufwand stehe.110

Im Schrifttum wurde geäußert, dass die Feststellungen des BGH für viele Fondsgesellschaften eine Veränderung der bisherigen Situation bedeuteten.111 Gerade bei Publikumspersonengesellschaften, deren Zielsetzung durch ein Konzept einer rein kapitalistisch orientierten Geldanlage geprägt sei, bedeute dies eine stärkere Akzentuierung ihrer Struktur als Personengesellschaft mit einem Element personaler Verbundenheit.

 

Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Gesellschafterinteressen in der Publikums-KG: Auskunftsrechte der Kommanditisten einer Publikums-KG gegen Treuhänder“ von Harald Brennecke, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht  2014, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-28-1.


 

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Stand: November 2014


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Über die Autoren:

Harald Brennecke, Rechtsanwalt

Portrait Harald-Brennecke

Rechtsanwalt Harald Brennecke ist Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Fachanwalt für Insolvenzrecht.

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    Harald Brennecke ist seit 1999 im Bereich der Unternehmenssanierung tätig. Als Fachanwalt für Insolvenzrecht berät und begleitet er Sanierungen und betreut Geschäftsführer und Gesellschafter bei Firmeninsolvenzen. Er unterstützt Geschäftsführer in der Unternehmenskrise hinsichtlich der für sie bestehenden Haftungsrisiken sowie Gesellschafter im Interesse der Wahrung der Unternehmenswerte. Er unterstützt bei der Suche nach Investoren und Wagniskapitalgebern (venture capital), begleitet Verhandlungen und erstellt Investorenverträge.


Rechtsanwalt Harald Brennecke hat im Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht veröffentlicht:

  • "Das Recht der GmbH", Verlag Mittelstand und Recht, 2015, ISBN 978-3-939384-33-5
  • "Der Gesellschaftsvertrag der GmbH - Die GmbH-Satzung in Theorie und Praxis", 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-40-3
  • "Der Unternehmenskauf -  Rechtliche Risiken bei Kauf und Verkauf mittelständischer Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-18-2
  • "Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-29-8
  • "Gesellschaftsrecht in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-26-7
  • "Die Limited in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-34-2
  • "Der Insolvenzplan – Sanierungsinstrument in der Insolvenz", 2007, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-03-8
  • "Die Regelinsolvenz - Insolvenz für Unternehmer und Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-07-6
  • "Gesellschafterinteressen in der Publikums-KG: Auskunftsrechte der Kommanditisten einer Publikums-KG gegen Treuhänder“, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-28-1
  • "Die Gesellschafterversammlung: Ein Leitfaden", Harald Brennecke und Dipl.-Jur. Marc Schieren, M. L. E., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-50-2
  • "Arztpraxis – Kauf und Übergang", Harald Brennecke und Michael Kaiser, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-54-0

Folgende Veröffentlichungen von Rechtsanwalt Brennecke sind in Vorbereitung:

  • Die Due Diligence – Rechtliche Prüfung beim Unternehmenskauf
  • Die Liquidation der Kapitalgesellschaft
  • Die Unternehmergesellschaft (UG)

Harald Brennecke ist Dozent für Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht im DeutscherAnwaltVerein.  
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:

  • Gesellschaftsrecht für Steuerberater und Unternehmensberater – Grundlagen des Gesellschaftsrechts
  • Gesellschaftsvertragsgestaltung – Grundlagen und Risiken
  • Die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) – kleine Chance, großes Risiko
  • Welche Gesellschaftsform ist die Richtige? Vor- und Nachteile der Rechtsformen für Unternehmer
  • Geschäftsführerhaftung – Geschäftsführung von Kapitalgesellschaften; das letzte große Abenteuer der westlichen Zivilisation
  • Insolvenzrecht für Gründer und lebende Unternehmen: Aus Insolvenzen anderer lernen heißt das eigene Insolvenzrisiko zu vermeiden
  • Unternehmenssanierung: Kopf aus dem Sand! Wer zu spät reagiert, reagiert nie wieder.
  • Insolvenzrecht für Steuerberater – Grundlagen des Insolvenzrechts für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer
  • Insolvenzrecht für Unternehmensberater – Sanierungschancen erkennen und wahren
  • Insolvenzberatung: das (enorme) Haftungsrisiko des Sanierungsberaters

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