Kreditvertragsrecht – Teil 45 – Widerruf des Verbraucherdarlehensvertrages


Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin

Alena Kehret
wissenschaftliche Mitarbeiterin


3.7. Widerruf

Dem Verbraucher steht gem. § 495 BGB ein Widerrufsrecht nach § 355 BGB zu, wenn er einen Verbraucherdarlehensvertrag abgeschlossen hat. Mit einem Widerruf kann sich dieser nach Vertragsschluss durch einseitige Erklärung gegenüber dem Darlehensgeber nachträglich vom Vertrag lösen.

Das Widerrufsrecht zugunsten des Verbrauchers kann nicht abbedungen werden. Der Darlehensgeber darf dieses Recht im Vertrag oder in seinen AGB nicht ausschließen.

Ein Widerrufsrecht besteht nach dem Gesetz nicht bei Darlehensverträgen,

  • die einen Darlehensvertrag, zu dessen Kündigung der Darlehensgeber wegen Zahlungsverzugs des Darlehensnehmers berechtigt ist, durch Rückzahlungsvereinbarungen ergänzen oder ersetzen, wenn dadurch ein gerichtliches Verfahren vermieden wird und wenn der Gesamtbetrag (Artikel 247 § 3 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche) geringer ist als die Restschuld des ursprünglichen Vertrags,
  • die notariell zu beurkunden sind, wenn der Notar bestätigt, dass die vorvertragliche Informationspflichten eingehalten wurden, der Vertrag schriftlich abgeschlossen wurde und die nach § 492 BGB erforderlichen Inhalte enthält
  • in Form von Überziehungsmöglichkeiten, wenn vereinbart wurde, dass nach der Auszahlung die Laufzeit höchstens drei Monate beträgt oder der Darlehensgeber kündigen kann, ohne eine Frist einzuhalten
  • in Form einer geduldeten Überziehung.

3.7.1. Widerrufsrecht

Die Ausübung des Widerrufsrechts erfolgt, indem der Verbraucher gegenüber dem Darlehensgeber deutlich macht, dass er nicht mehr an seine Willenserklärung zum Vertragsschluss gebunden sein möchte. Das Wort „Widerruf“ muss dabei nicht verwendet werden, solange der Willen des Darlehensnehmers eindeutig erkennbar wird. Es bedarf keiner bestimmten Form, wobei aus Beweisgründen der Widerruf nicht mündlich erfolgen sollte. Allerdings können auch ein Fax oder eine E-Mail ausreichend sein. Der Widerruf bedarf keiner Begründung.

Für die Wirksamkeit ist entscheidend, dass der Widerruf fristgerecht erfolgt, wobei die rechtzeitige Absendung der Widerrufserklärung ausreichend ist.Die regelmäßige Widerrufsfrist beträgt 14 Tage und beginnt grundsätzlich mit dem Abschluss des Darlehensvertrages. Das heißt, dass von dem Moment an, in dem der Vertrag wirksam abgeschlossen wurde, der Verbraucher seine Erklärung und damit den Vertrag innerhalb von 14 Tagen widerrufen kann.

Beispiel

Herr Frei schließt mit der Y-Bank am 03.07.2014 einen Darlehensvertrag ab. Nach Vertragsschluss überlegt er es sich allerdings anders und setzt ein Schreiben auf, in dem er nur festhält, dass er „hiermit den Vertrag nicht mehr wolle“. Dieses Schreiben sendet er am 15.07.2014 ab, es erreicht die Y-Bank jedoch erst ab 18.07.2014.
Dieser Widerruf ist wirksam: Die Erklärung bringt eindeutig zum Ausdruck, dass Herr Frei den Vertrag widerrufen will, außerdem beträgt die Frist 14 Tage ab Vertragsschluss, sodass die Widerrufsfrist bis zum 17.07.2014 läuft. Weil Herr Frei schon am 15.07.2014 die Erklärung abschickte, ist sie fristgerecht erfolgt. Dass sie erst am 18.07.2014 bei der Bank ankam, ist unschädlich.

Der Verbraucher muss den Vertrag nicht widerrufen, wenn der Vertrag nicht wirksam zustande gekommen ist, etwa weil die Schriftform nicht eingehalten wurde. Der Vertrag entfaltet dann schon
grundsätzlich keine rechtlichen Wirkungen. Bei einem Verbraucherdarlehensvertrag beginnt die Widerrufsfrist nicht zu laufen, bevor der Darlehensgeber dem Darlehensnehmer die Vertragsurkunde oder den schriftlichen Antrag des Darlehensnehmers zur Verfügung gestellt hat. Eine Kopie der Dokumente ist ausreichend. Händigt der Darlehensgeber den Vertrag bzw. die Kopie also erst nach Vertragsschluss aus, so beginnt die 14-tägige Widerrufsfrist erst dann zu laufen. Händigt der Darlehensgeber die Unterlagen gar nicht aus, läuft die Frist nicht und der Darlehensnehmer ist dauerhaft zum Widerruf berechtigt, bis die Unterlagen ausgehändigt werden.

Fehlt in der Vertragsurkunde, die der Darlehensnehmer erhalten muss, eine der oben dargelegten Pflichtangaben, beginnt die Widerrufsfrist erst dann zu laufen, sobald der Verbraucher die Informationen erhalten hat. In diesem Fall beträgt die Frist nicht 14 Tage sondern einen Monat. Waren die Pflichtangaben falsch, beginnt die Widerrufsfrist bis zur Korrektur nicht. Erfolgt eine Korrektur der Angaben beginnt die Frist in dem Moment, in der Verbraucher die korrigierten Angaben erhält und beträgt dann einen Monat.
Für fehlende oder fehlerhafte Pflichtangaben bedeutet das, dass das Widerrufsrecht des Verbrauchers unter Umständen noch Jahre nach dem Vertragsschluss bestehen kann.Fehler in Bezug auf die Informationspflichten entstehen insbesondere dann, wenn der Darlehensgeber nicht die gesetzlich vorgeschlagenen Muster benutzt, sondern die Informationen selbst verfasst oder die Muster abändert.

Beispiel

Frau Fischer hat mit ihrer Bank am 08.08.2014 einen Verbraucherdarlehensvertrag abgeschlossen. Zwar hat die Bank ihr unmittelbar bei Vertragsschluss eine Kopie sämtlicher Vertragsunterlagen ausgehändigt, die Bank hat jedoch nicht das gesetzliche Muster der Pflichtangaben verwendet, sondern ein eigenes erstellt. In diesem fehlen sämtliche Angaben zum Widerrufsrecht. Diese Angaben erhält Frau Fischer erst am 15.12.2014, nachdem der Bank der Fehler aufgefallen ist. Die Widerrufsfrist für Frau Fischer beginnt deshalb erst am 15.01.2015 und beträgt einen Monat. Frau Fischer kann den Vertrag noch bis zum 15.01.2015 widerrufen.

Die Realisierung des Widerrufsrechts gegenüber der Bank ist nicht immer einfach. Viele Banken wollen die Fehlerhaftigkeit der Widerrufsbelehrungen und das damit einhergehende Widerrufsrecht ihrer Kunden nicht ohne weiteres anerkennen. Hier lohnt es sich, auf anwaltliche Hilfe zurückzugreifen und das Bestehen eines Widerrufsrechts sowie die notwendigen außergerichtlichen oder gerichtlichen Schritte prüfen zu lassen.

3.7.2. Rechtsfolgen

Übt der Verbraucher sein Widerrufsrecht aus, werden seine Willenserklärung und damit der Vertrag rückwirkend unwirksam. Der Vertrag wandelt sich in ein Rückgewährschuldverhältnis. Der Darlehensnehmer und der Darlehensgeber müssen dann alle Leistungen, die sie im Rahmen des Vertrages erhalten haben, dem anderen Vertragspartner zurückerstatten.

Gem. § 357 a Abs. 1 BGB sollen die Leistungen innerhalb von 30 Tagen zurückgewährt werden.

Der Darlehensnehmer hat für den Zeitraum zwischen der Auszahlung des Darlehens und der Rückzahlung des Darlehens den vereinbarten Sollzins zu entrichten, § 357 a Abs. 3 BGB. Wenn das Darlehen durch ein Grundpfandrecht gesichert war, kann der Darlehensnehmer nachweisen, dass der Wert des Gebrauchsvorteils niedriger war als der vereinbarte Sollzins. Dies ist möglich, indem der Darlehensnehmer nachweist, dass der Marktzins niedriger als der Vertragszins war Gelingt dieser Nachweis, so muss nur der niedrigere Betrag bezahlt werden.

Die Rückgewährpflicht bedeutet für den Darlehensnehmer, dass er das komplette Darlehen zurückbezahlen muss. Darüber sollte er sich vor der Ausübung seines Widerrufsrechts bewusst sein
und genauestens prüfen, ob er dieser Rückzahlungspflicht innerhalb von 30 Tagen nachkommen kann. Das ist etwa durch eine Umschuldung möglich. Im Gegenzug erhält er vom Darlehensgeber die bereits bezahlten Raten zurück.

Für den Darlehensnehmer kann ein Widerruf des Darlehensvertrages zum einen dann interessant sein, wenn sich nach Abschluss des Vertrages herausstellt, dass die vereinbarten Darlehenskonditionen zu hoch sind und der Darlehensnehmer woanders viel günstigere Konditionen bekommen könnte. Zum anderen kann ein Widerruf dann interessant sein, wenn sich die marktüblichen Zinsen infolge der Konjunktur verringern, wie es in den letzten Jahren der Fall war, der Darlehensnehmer aber durch den Darlehensvertrag an einen viel höheren Zinssatz gebunden ist.

Die vorzeitige Kündigung des Darlehensvertrages ist für Verbraucher wegen den zu zahlenden Vorfälligkeitsentschädigungen zumeist nicht effektiv. Solche Vorfälligkeitsentschädigungen stellen eine Art Schadensersatz dar, den der Darlehensnehmer an den Darlehensgeber dafür zahlen muss, dass er sich vorzeitig vom Vertrag löst. Sie können oft sehr hoch sein und sind schwer zu berechnen. Widerruft der Verbraucher aber den Vertrag, anstatt ihn zu kündigen, wird der Vertrag insgesamt unwirksam und zurückabgewickelt, sodass vereinbarte Vorfälligkeitsentschädigungen nicht geschuldet werden. Der Verbraucher kann sich somit durch den Widerruf von einem ungünstigen Vertrag lösen und einen neuen Vertrag mit besseren Darlehenskonditionen abschließen, ohne hierfür eine Entschädigung an die Bank zahlen zu müssen.

Von dieser Möglichkeit können auch Bankkunden mit sogenannten „Forward Darlehen“ profitieren. Bei „Forward Darlehen“ werden bereits vor Erhalt des Darlehens jahrelang Zinsen gezahlt, um sich einen vermeintlich günstigen Zinssatz zu sichern.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Kreditvertragsrecht“ von Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, spezialisiert auf Bank- und Kapitalmarktrecht, und Alena Kehret, wissenschaftliche Mitarbeiterin, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2014, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-35-9.


 

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Carola Ritterbach
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Kontakt: ritterbach@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Dezember 2014


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Über die Autoren:

Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht

Portrait Carola-Ritterbach

Rechtsanwältin Carola Ritterbach arbeitet seit vielen Jahren im Bereich des Bankrechts. Sie ist Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht. Sie unterstützt Verbraucher und Unternehmer in jeglichen Bereichen, in denen Schwierigkeiten mit ihren Banken aufgetreten sind oder drohen aufzutreten.

Beispiele aus dem Tätigkeitsbereich von Rechtsanwältin Carola Ritterbach:

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  • Beratung bei Fragen zur Anlagevermittlung und Prospekthaftung
  • Rückabwicklung von Bankanlageprodukten, die sich im Nachhinein als Verlust erweisen
  • Abwehr von Ansprüchen aus sittenwidrigen Angehörigen-Bürgschaften oder Darlehensmitübernahmen
  • Abwehr von Forderungen aus unzulässigen Klauseln in Bankverträgen
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  • Abwicklung von Leasingverträgen
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  • Unterstützung bei allen Fragen rund um das Girokonto, Sparbuch und dem elektronischen Zahlungsverkehr Wahrung des Bankgeheimnisses und Beanspruchung von Bankauskünften
  • Beratung und Vertretung im Bereich des Factorings

Rechtsanwältin Carola Ritterbach hat im Bankrecht veröffentlicht:

  • Die Beraterhaftung im Kapitalmarktrecht, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-30-4
  • Kreditsicherheiten, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-27
  • Kreditzinsen und Vorfälligkeitsentschädigung - Gewinn- und Schadensberechnung der Banken, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-45-8
  • Bankvertragsrecht, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-32-8
  • Kreditvertragsrecht, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-35-9
  • Leasingrecht – Einführung in das Recht des Leasings, ISBN 978-3-939384-25-0, 2014, Verlag Mittelstand und Recht

 

Rechtsanwältin Ritterbach ist Dozentin für Bank- und Kapitalmarktrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie sowie Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Bank- und Kapitalmarktrecht im Deutschen Anwaltsverein.

Rechtsanwältin Ritterbach bietet Schulungen, Vorträge und Seminare zu den Themen:

  • Die Bürgschaft - Wer bürgt wird gewürgt?
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Normen: § 355 BGB, § 357 BGB, § 495 BGB

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