Der Bebauungsplan – Teil 38 – Der Bebauungsplan als Grundlage der Baugenehmigung - die Zulässigkeit von Vorhaben


Autor(-en):
Pascal Bothe
Wissenschaftlicher Mitarbeiter


13. Der Bebauungsplan als Grundlage der Baugenehmigung - die Zulässigkeit von Vorhaben

Bei der Planung eines Bauvorhabens sind zunächst zwei Wege denkbar: es gibt schon einen Bebauungsplan, oder es gibt (noch) keinen Bebauungsplan. Es scheint ausgeschlossen, dass eine Gemeinde für alle Bereiche ihres Gebietes einen Bebauungsplan aufgestellt hat. Gerade Innenstädte und Ortskerne, die teils vor Jahrhunderten entstanden sind, sind nicht durch Verwaltungen entwickelt worden, sondern sind „gewachsen“. Dies wird im Bauplanungsrecht als „im Zusammenhang bebauter Ortsteil“ bezeichnet und stellt den sogenannten Innenbereich dar. Alles, was außerhalb der Vorhandenen liegt, wird als Außenbereich bezeichnet. In Einzelfällen sind auch bei entsprechender Größe innerhalb der vorhandenen Bebauung Flächen denkbar, die rechtlich als Außenbereich aufzufassen sind.
Hier gibt es besondere Anforderungen an die Bebauung, die sich vor allem an einer Privilegierung von Bauvorhaben orientiert, die in lenkender Planung „in den Außenbereich gehören“, welcher grundsätzlich von Bebauung frei zu halten ist. Klassisch und beispielhaft sind hier vor allem solche Vorhaben zu nennen, die der Landwirtschaft dienen.

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Abbildung 16 - Verdeutlichung Innen- und Außenbereich


13.1 Zulässigkeit von Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile

Im folgenden Kapitel wird dargestellt, inwiefern ein Bauvorhaben auf einem Gebiet zulässig ist, für das kein Bebauungsplan besteht.

13.1.1 Der im Zusammenhang bebaute Ortsteil

Zur Verdeutlichung anfangs einige Definitionen:
Von einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil spricht man, wenn die Bebauung im Gemeindegebiet den Eindruck einer Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt, die ein gewisses Gewicht hat und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist (Fußnote).
"Ein Ortsteil im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB ist jeder Bebauungskomplex im Gebiet einer Gemeinde, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist. (Fußnote).

Danach ist die Ansiedlung einzelner Häuser noch nicht als Ortsteil zu bezeichnen, vielmehr als Splittersiedlung.
Liegt nun ein Ortsteil vor, so kann es vorkommen, dass dort noch Baulücken bestehen, für die es Interessenten gibt. Nun gilt es zu beurteilen, wie diese Bebauung aussehen darf.

13.1.2 Der Begriff des Einfügens

Der im Zusammenhang bebaute Ortsteil hat sich also durch die Baupraxis selbst entwickelt. In Gebieten, die mit Bauleitplänen überplant sind, hat die Planung die Zielsetzung einer gewissen Optik und Einheitlichkeit. Um diese auch für unbeplante Gebiete zu erreichen, hat die Rechtsprechung das Kriterium des Einfügens entwickelt.Das bedeutet, dass sich ein neu geplantes Bauvorhaben nach Art und Maß der baulichen Nutzung in die bereits vorhandene Bebauung auf dem Gebiet „einfügen“ muss.

13.1.2.1 Nach Art der baulichen Nutzung

Um die Bauvorhaben nach der Art zu beurteilen, wird die Umgebungsbebauung nach den dort vorkommenden Nutzungen hypothetisch einem der Gebietstypen der BauNVO zugeordnet.eine fiktive Art der baulichen Nutzung festgelegt. Entspricht die Eigenart der bisherigen Bebauung und der näheren Umgebung einem der Gebiete, die in der Bauverordnung festgelegt sind (Allgemeines Wohngebiet, Besonderes Wohngebiet, Gewerbegebiet etc.), so beurteilt sich das „Einfügen nach der Art“ nach der näheren Umgebung. Danach fügt sich also nur ein, was in dem hypothetischen Gebietstyp zulässig wäre: bestehen schon eine Reihe Wohnhäuser, so ist die Wohnnutzung in dem Gebiet tendenziell zulässig und ein weiteres Wohnhaus wird kaum an dem Gebietstyt als solchem scheitern. Besteht ein Restaurant in der näheren Umgebung, so handelt es sich bei dem Gebiet vom Typ her wohl nicht um ein reines Wohngebiet, so dass ein weiterer gastronomischer Betrieb regelmäßig kaum bereits aufgrund einer hierin begründeten Unverträglichkeit unzulässig sein dürfte. Denkbar ist allerdings, dass die Zulassung eines weiteren Vorhabens mit einer bereits vorhandenen Nutzung den hypothetisch gebildeten Gebietstyp zum „Kippen“ bringen würde: es könnte sein, dass bereits so viele Restaurants vorhanden sind, dass die Zulassung eines weiteren den Gebietstyp von "Allgemeines Wohngebiet“ in Richtung „Kerngebiet“ verändern würde. Ein solches Vorhaben wäre dann nach dem Einfügenskriterium unzulässig.

Wird aber nach einem fiktiven Gebiet beurteilt, so sind die bekannten Maßstäbe anzulegen, nach denen in beplanten Gebieten entschieden wird. Kommt man also zu dem Schluss, dass es sich nach der bisherigen Art um ein „Allgemeines Wohngebiet“ handelt, so sind auch die in der Bauverordnung benannten Ausnahmen zulässig. In der Regel dürften über die Jahrhunderte Mischgebiete entstanden sein, da gerade in den Innenstädten typischerweise auch Gewerbe und Gastronomie direkt neben der Nutzung als Wohnbebauung anzutreffen ist.


13.1.2.2 Nach Maß der baulichen Nutzung

In beplanten Baugebieten ist das Maß der baulichen Nutzung durch die Parameter der Geschossflächenzahl und der Grundflächenzahl reglementiert. Eine Fiktion lässt sich nur schwer herstellen. Daher richtet sich das Merkmal des Einfügens hier in erster Linie nach den unmittelbar wahrnehmbaren Umfängen der Bebauung im Hinblick auf Höhe, Länge, Breite und Tiefe sowie die Dichte der Bebauung. Die Zulässigkeit der Bebauung wird daher in Abhängigkeit der vorhandenen Bauwerke entschieden. Ein Wolkenkratzer in einer Altstadt mit kleinen Fachwerkhäusern ist nach dem Maß unzulässig.

13.1.2.3 Nach der Bauweise und der Grundstücksfläche

Daneben muss sich das Vorhaben auch nach der Bauweise in die Umgebungsbebauung einfügen, also nach dem Kriterium der offenen, geschlossenen oder ggf. auch uneinheitlichen. Sind in der näheren Umgebung also Häuser und Grundstücke mit einem gewissen seitlichen Abstand vorhanden, so fügt sich nur ein Bauvorhaben ein, dass ebenfalls in offener Bauweise gebaut wurde. Sind allerdings eher Gebäude ohne seitlichen Grenzabstand, also beispielsweise Reihenhäuser (gerade in Fachwerk-Altstädten oftmals anzutreffen) maßgeblich, so ist auch die weitere Bebauung in geschlossener Bauweise vorzunehmen. Dieses Kriterium scheint einfach zu erfüllen.

Umfangreicher ist da schon die Beurteilung der Grundstücksgröße. Einige Gerichte berücksichtigen dabei nicht nur die Stellung der bereits vorhandenen Nachbargebäude, sondern auch deren Breite und Länge. Das Bundesverwaltungsgericht hat daher in einem Grundsatzurteil festgelegt, dass Einfügen in diesem Fall nicht völlige Anpassung, sondern vielmehr Harmonie bedeutet. Es soll damit verhindert werden, dass bauliche Fremdkörper diese Harmonie stören. Dies führt dazu, dass Vorhaben, die größer sind als bisher vorhandene Gebäude, trotz dieses Überschreitens nicht schlechthin unzulässig sein müssen. Die Entscheidung ist hier regelmäßig einzelfallbezogen zu treffen.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Der Bebauungsplan Einführung in das Bauplanungsrecht“ von Olaf Bühler, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, und Pascal Bothe LL.B.,wissenschaftlicher Mitarbeiter, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2015, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-19-9.


 

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Stand: Januar 2015


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