Kreditvertragsrecht – Teil 46 – Verbundene Verträge


Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin

Alena Kehret
wissenschaftliche Mitarbeiterin


3.8. Verbundene Verträge

Verbraucher schließen oft Darlehensverträge ab, um mit dem ausbezahlten Geld eine bestimmte Anschaffung zu tätigen, z.B. der Kauf eines Autos. In vielen Fällen werden der Darlehensvertrag und das durch das Darlehen finanzierte Geschäft gewissermaßen „in einem Aufwasch“ abgeschlossen, vor allem, wenn Darlehensgeber und Verkäufer der angeschafften Sache ein und dieselbe Person sind oder der Darlehensgeber mit dem Verkäufer zusammenarbeitet.

Widerruft der Verbraucher den Darlehensvertrag, stellt sich die Frage, was mit dem durch das Darlehen finanzierten Vertrag passiert, den der Verbraucher zumeist ohne das Darlehen nicht abgeschlossen hätte.

Das BGB legt fest, dass der Darlehensnehmer bei Widerruf seines Verbraucherdarlehensvertrages an den mit dem Darlehen finanzierten Vertrag, der auf Lieferung einer Ware oder eine andere Leistung gerichteten ist, nicht mehr gebunden ist. Voraussetzung hierfür ist, dass der andere Vertrag mit dem Darlehensvertrag ein sogenanntes „verbundenes Rechtsgeschäft“ bildet.

Das bedeutet, dass der Verbraucher dann wählen kann, ob er bei Widerruf des Darlehensvertrages den mit dem Darlehen finanzierten Vertrag aufrechterhalten will oder ob er sich auch von diesem lösen möchte.

Ein „verbundenes Rechtsgeschäft“ ist dann anzunehmen, wenn der Darlehensvertrag der Finanzierung des anderen Geschäftes dienen soll, der Verbraucher also das Darlehen gerade aufgenommen hat, um den anderen Vertrag finanzieren zu können.

Darüber hinaus muss der mit dem Darlehen finanzierte Vertrag mit dem Darlehensvertrag eine wirtschaftliche Einheit bilden. Dazu müssen die Verträge eine so enge Verbindung zueinander aufweisen, dass beide Verträge als Teilstücke derselben rechtlichen oder wirtschaftlichen Einheit anzusehen sind. Nach der Rechtsprechung ist dies der Fall, wenn über ein Zweck-Mittel-Verhältnis hinaus die beiden Geschäfte derart miteinander verbunden sind, dass keines ohne das jeweils andere geschlossen worden wäre oder jeder der Verträge seinen Sinn erst durch den anderen erhält.

Es muss also eine engere Verbindung zwischen den Verträgen bestehen, als es bei jedem Darlehensvertrag und einem daraufhin getätigten Geschäft der Fall wäre.

Eine wirtschaftliche Einheit zwischen dem Darlehensvertrag und dem finanzierten Geschäft ist zum einen anzunehmen, wenn der Darlehensgeber und der Unternehmer arbeitsteilig zusammenwirken.

Beispiel

Die Z-Bank hat mit dem Kfz-Händler Herrn T, einen Vertrag abgeschlossen, in welchem die beiden vereinbart haben, dass Herr T Kunden, die sich für ein Kfz interessieren und dafür einen Kredit benötigen an die Z-Bank verweist. So sollen der Z-Bank neue Kunden verschafft werden. Im Gegenzug wird die Bank die meisten Kredite auch vergeben, damit Herr T mehr Kfz verkauft. Der Kredit soll von der Z-Bank nicht an den Kunden des Autohändlers ausbezahlt werden sondern direkt an den Autohändler.

Hier arbeiten Bank und Händler arbeitsteilig zusammen. Widerruft ein Kunde nach Abschluss des Darlehensvertrages den Darlehensvertrag mit der Z-Bank, so kann er zugleich entscheiden, ob er an den Kaufvertrag mit dem Autohändler weiter gebunden sein will oder nicht. Entscheidet er sich, den Kaufvertrag aufrechtzuerhalten, muss er ihn anderweitig finanzieren.

Ein arbeitsteiliges Zusammenwirken kann auch vorliegen, wenn zwischen Darlehensgeber und Unternehmer nur eine lockere, gelegentliche oder sogar einmalige Verbindung besteht. Es ist nicht nötig, dass beide dauerhaft oder zumindest für eine längere Zeit eine Geschäftsbeziehung pflegen.

Ein verbundenes Rechtsgeschäft liegt auch dann vor, wenn der Unternehmer des finanzierten Vertrags selbst das Darlehen ausbezahlt, also Darlehensgeber ist.

Wenn diese Identität besteht oder ein arbeitsteiliges Zusammenwirken vorliegt, wird die wirtschaftliche Einheit zwischen den beiden Verträgen unwiderleglich vermutet. Diese Vermutung bedeutet, dass in einem Gerichtsverfahren der Unternehmer nicht behaupten kann, dass das finanzierte Geschäft und der Darlehensvertrag kein einheitliches Rechtsgeschäft seien.

Für eine wirtschaftliche Einheit sprechen auch die Indizien, dass beide Verträge aufeinander Bezug nehmen oder der Verbraucher in beiden Verträgen jeweils als „Darlehensnehmer und Käufer“ bezeichnet wird.

Besonderheiten bestehen bei dem finanzierten Erwerb eines Grundstücks oder eines grundstücksgleichen Rechts (z.B. Erbbaurechte oder Teilzeitwohnrechte). Hier ist eine wirtschaftliche Einheit nur anzunehmen, wenn der Darlehensgeber selbst dem Verbraucher das Grundstück oder das grundstücksgleiche Recht verschafft oder wenn er neben dem Darlehen auch den Erwerb des Grundstücks oder grundstücksgleichen Rechts durch Zusammenwirken mit dem Unternehmer fördert. Dies geschieht z.B., indem er sich das Interesse des Veräußerers ganz oder teilweise zu eigen macht, z.B. indem der Darlehensgeber zugleich als Makler auftritt, oder bei der Planung, Werbung oder Durchführung des Projekts Funktionen des Veräußerers übernimmt oder den Veräußerer einseitig begünstigt.

Beispiel

Herr R interessiert sich für eine Immobilie und führt mit dem Verkäufer Herr K einige Verhandlungsgespräche. Er ist sich aber noch unsicher, ob er die Immobilie kaufen will, weil ihm nicht ganz klar ist, wie viel die Immobilie tatsächlich wert ist. Herr K bestellt deshalb die Firma X, um ein Gutachten über den Immobilienwert zu erstellen. Diese beschönigt die Werte und gibt gegenüber Herrn R einen höheren als den tatsächlichen Wert an. Außerdem verschweigt die Firma X, dass am Dach in den nächsten paar Monaten eine größere Reparatur fällig sein wird, um so den Preis, den der Verkäufer Herr K erzielen kann, in die Höhe zu treiben. Herr R beschließt letzten Endes, die Immobilie zu kaufen und schließt dazu ein Darlehen bei Firma X ab. Hier hat Firma X als Darlehensgeber den Veräußerer der Immobilie einseitig begünstigt. Herr R kann deshalb, wenn er den Darlehensvertrag widerrufen wird, auch von dem Immobilien-Kaufvertrag Abstand nehmen.

Entschließt sich der Verbraucher, sich sowohl von dem Darlehen als von dem verbundenen Vertrag zu lösen, verwandeln sich beide in ein Rückgewährschuldverhältnis. Das heißt, dass der Verbraucher die finanzierte Kaufsache zurück zu gewähren hat und dafür die bereits entrichtete Raten erhält.

Hat der Darlehensgeber zum Zeitpunkt des Widerrufes das Darlehen noch nicht an den Unternehmer ausgezahlt, so wird die Rückabwicklung ausschließlich zwischen dem Unternehmer und dem Verbraucher durchgeführt. Der Verbraucher muss die finanzierte Sache zurückgeben, wenn er sie schon erhalten hat. Einer Rückabwicklung des Darlehensvertrages bedarf es dann nicht. Hat der Darlehensnehmer schon Raten an den Darlehensgeber bezahlt, kann er diese zurückfordern.

Ist das Darlehen zum Zeitpunkt des Widerrufes bereits dem Verbraucher zugeflossen, er es aber noch nicht an den Verkäufer weitergeleitet hat, erfolgt die Rückabwicklung in den jeweiligen Vertragsverhältnissen. Der Darlehensnehmer zahlt das Darlehen an den Darlehensgeber zurück und gibt die gekaufte Sache an den Käufer zurück, wenn er diese bereits erhalten hat. Nutzungen, die der Verbraucher gezogen hat, hat er ggf. dem Unternehmer zu ersetzen.

Wenn beim Widerruf das Darlehen bereits dem Unternehmer zugeflossen ist, so kann die Rückabwicklung beider Verträge allein im Verhältnis zwischen Verbraucher und Darlehensgeber erfolgen. Letzterer tritt in die Rechte und Pflichten des Verkäufers ein und ist damit quasi so zu behandeln als habe er - und nicht der Unternehmer des verbundenen Vertrages - dem Verbraucher die Sache verkauft. Für den Verbraucher ist dies vorteilhaft, denn er muss sich dann nach Rückzahlung des Darlehens an den Darlehensgeber nicht an den Verkäufer wenden, um von diesem den Kaufpreis zurück zu erhalten. Er muss sich allein mit dem Darlehensgeber auseinandersetzen.

Der Verbraucher muss dem Darlehensgeber die Sache zurückgeben und ihm gezogene Nutzungen vergüten und kann dafür von diesem bereits gezahlte Darlehensraten und Anzahlungen an den Verkäufer zurückverlangen. Schadensersatzansprüche wegen Mangelhaftigkeit der gekauften Sache oder wegen schlechter Vertragserfüllung durch den Unternehmer kann der Verbraucher aber weiterhin nur gegen den Unternehmer, nicht etwa gegen die Bank geltend machen. Der Verbraucher kann aber wegen des Schadensersatzanspruches ein Zurückbehaltungsrecht geltend machen, das er gem. § 359 BGB auch dem Darlehensgeber entgegenhalten kann, wenn dieser die Darlehensraten zurückfordert.

Beispiel

Herr K hat mit der Firma L. einen Darlehensvertrag abgeschlossen. Dieses Darlehen nutzt er zur Finanzierung eines fabrikneuen Sportwagens bei der Firma X . Firma L und Firma X arbeiten bei Abschluss der beiden Verträge eng und arbeitsteilig zusammen. Der Sportwagen wird an Herrn K geliefert, die Firma L überweist das Darlehen zur Finanzierung direkt an die Firma X. Zwei Wochen später tritt Herr K wirksam vom Vertrag zurück.

Er kann nun den Sportwagen direkt an die Firma L zurückgeben, an diese den Nutzungsersatz bezahlen und erhält von Firma L die bereits geleisteten Darlehensraten und den Anzahlungsbetrag für den Sportwagen zurück. Mit der Firma X hat er im Rahmen der Rückabwicklung nichts zu tun.

Maßgeblich für die Frage des Zeitpunktes des Widerrufs ist nicht die Abgabe der Widerrufserklärung sondern der Zugang beim Widerrufsempfänger.

Die hier dargestellten Regeln zum Widerruf bei verbundenen Verträgen gelten nicht, wenn der Darlehensvertrag, der abgeschlossen wurde, der Finanzierung des Erwerbs von Finanzinstrumenten dient. Das ist z.B. der Fall, wenn Aktienanteile an einem Unternehmen finanziert werden sollen.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Kreditvertragsrecht“ von Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, spezialisiert auf Bank- und Kapitalmarktrecht, und Alena Kehret, wissenschaftliche Mitarbeiterin, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2014, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-35-9.


 

Weiterlesen:
zum vorhergehenden Teil des Buches
zum folgenden Teil des Buches

Links zu allen Beiträgen der Serie Buch - Kreditvertragsrecht


Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin

Alena Kehret
wissenschaftliche Mitarbeiterin


Kontakt: ritterbach@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Dezember 2014


Wir beraten Sie gerne persönlich, telefonisch oder per Mail. Sie können uns Ihr Anliegen samt den relevanten Unterlagen gerne unverbindlich als PDF zumailen, zufaxen oder per Post zusenden. Wir schauen diese durch und setzen uns dann mit Ihnen in Verbindung, um Ihnen ein unverbindliches Angebot für ein Mandat zu unterbreiten. Ein Mandat kommt erst mit schriftlicher Mandatserteilung zustande.
Wir bitten um Ihr Verständnis: Wir können keine kostenlose Rechtsberatung erbringen.


Über die Autoren:

Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht

Portrait Carola-Ritterbach

Rechtsanwältin Carola Ritterbach arbeitet seit vielen Jahren im Bereich des Bankrechts. Sie ist Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht. Sie unterstützt Verbraucher und Unternehmer in jeglichen Bereichen, in denen Schwierigkeiten mit ihren Banken aufgetreten sind oder drohen aufzutreten.

Beispiele aus dem Tätigkeitsbereich von Rechtsanwältin Carola Ritterbach:

  • Beratung und Vertretung von Bankkunden bei allen Fragen hinsichtlich Darlehensverträgen, Kreditsicherheiten, wie beispielsweise Bürgschaften oder Grundschulden und Kapitalanlagen wie z.B. Wertpapiere oder Fonds
  • Durchsetzung von Schadensersatz- und Rückabwicklungsansprüchen bei Bankberatungsfehlern, z.B. beim Abschluss von offenen oder geschlossenen Immobilienfonds, Schiffsfonds, Zinsdifferenzgeschäften, Swapverträgen etc.
  • Beratung bei Fragen zur Anlagevermittlung und Prospekthaftung
  • Rückabwicklung von Bankanlageprodukten, die sich im Nachhinein als Verlust erweisen
  • Abwehr von Ansprüchen aus sittenwidrigen Angehörigen-Bürgschaften oder Darlehensmitübernahmen
  • Abwehr von Forderungen aus unzulässigen Klauseln in Bankverträgen
  • Rückabwicklung unberechtigter Gebührenzahlungen an Banken
  • Widerruf und Rückabwicklung von Immobiliendarlehen aufgrund fehlerhafter Widerrufserklärungen
  • Abwicklung von Leasingverträgen
  • Begleitung bei Sanierungen notleidender Finanzierungen
  • Unterstützung bei allen Fragen rund um das Girokonto, Sparbuch und dem elektronischen Zahlungsverkehr Wahrung des Bankgeheimnisses und Beanspruchung von Bankauskünften
  • Beratung und Vertretung im Bereich des Factorings

Rechtsanwältin Carola Ritterbach hat im Bankrecht veröffentlicht:

  • Die Beraterhaftung im Kapitalmarktrecht, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-30-4
  • Kreditsicherheiten, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-27
  • Kreditzinsen und Vorfälligkeitsentschädigung - Gewinn- und Schadensberechnung der Banken, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-45-8
  • Bankvertragsrecht, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-32-8
  • Kreditvertragsrecht, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-35-9
  • Leasingrecht – Einführung in das Recht des Leasings, ISBN 978-3-939384-25-0, 2014, Verlag Mittelstand und Recht

 

Rechtsanwältin Ritterbach ist Dozentin für Bank- und Kapitalmarktrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie sowie Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Bank- und Kapitalmarktrecht im Deutschen Anwaltsverein.

Rechtsanwältin Ritterbach bietet Schulungen, Vorträge und Seminare zu den Themen:

  • Die Bürgschaft - Wer bürgt wird gewürgt?
  • Pflichten und Haftung bei der Anlageberatung - Welche Rechte haben Sie gegenüber Ihrer Bank?
  • Bankstrategien von Unternehmen – u.a.: Zweibankenstrategie, die passende Bank für Ihr Geschäft
  • Die Abrechnung von Leasingverträgen - Was Leasinggesellschaften dürfen und worauf Sie achten sollten
  • Der Verkauf von notleidenden Krediten – Was darf Ihre Bank und was nicht
  • Datenschutz im Bankrecht – Bankgeheimnis und Bankauskünfte: Wer erfährt was?

Kontaktieren Sie Rechtsanwältin Ritterbach unter:
Mail: ritterbach@brennecke-rechtsanwaelte.de
Telefon: 0721-20396-26

 


Mehr Beiträge zum Thema finden Sie unter:

RechtsinfosBankrecht