Der Bebauungsplan – Teil 44 – Planungsschadensrecht, Der städtebauliche Vertrag


Autor(-en):
Pascal Bothe
Wissenschaftlicher Mitarbeiter


16. Planungsschadensrecht

Nicht immer ist Verlass auf die Erstellung von Bebauungsplänen. Hin und wieder kommt es vor, dass durch Änderungen der Bauplanung Schäden in finanzieller Hinsicht für den Grundstückseigentümer entstehen. Dies sind die sog. Planungsschäden, die wir abschließend kurz umreißen:

Planungsschäden sind Vermögensnachteile, die einem Grundeigentümer an einem Grundstück durch die Aufstellung bzw. Änderung von Bebauungsplänen entstehen. Der Gesetzgeber hat hierfür Entschädigungsregelungen im Baugesetzbuch getroffen, die entweder auf eine Geldentschädigung oder aber sogar Übernahme des betroffenen Grundstückes ausgerichtet sind.

Das Planungsschadensrecht ist in §§ 39 ff. Baugesetzbuch (BauGB) geregelt. Darin wird festgelegt, unter welchen Voraussetzungen und auf welche Weise Vermögensnachteile, die einem Grundstückseigentümer an seinem Grundstück durch Festsetzungen in einem Bebauungsplan entstehen, auszugleichen sind. Zum einen ist dies die Geldentschädigung. Unter Planungsschaden wird hierbei diejenige konkrete Vermögenseinbuße verstanden, die ein Eigentümer in schutzwürdigem Vertrauen auf den Bestand eines rechtsverbindlichen Bebauungsplans getätigt hat.

Planungsschäden umfassen beispielsweise den Verlust von Nutzungsmöglichkeiten, die ein Bebauungsplan gewährt hat und die durch nachfolgende Planänderungen – in der Regel innerhalb von sieben Jahren – entfallen sind. Außer Betracht bleiben hierbei solche Wertminderungen, die die Erheblichkeitsschwelle nicht erreichen bzw. überschreiten.

Weiterhin ist ein Grundstückseigentümer bei einem Planungsschaden zu entschädigen, wenn ihm durch die Festsetzung von gemeinnützigen Inhalten ein Nachteil entsteht. Danach kann er von der planenden Gemeinde unter bestimmten Voraussetzungen insbesondere die Übernahme des Grundstücks gegen eine Geldentschädigung verlangen.

Dies sind im Einzelnen folgende Möglichkeiten:

  1. Flächen für den Gemeinbedarf sowie für Sport- und Spielanlagen,
  2. Flächen für Personengruppen mit besonderem Wohnbedarf,
  3. Flächen mit besonderem Nutzungszweck,
  4. von der Bebauung freizuhaltende Schutzflächen und Flächen für besondere Anlagen und Vorkehrungen zum Schutz vor Einwirkungen,
  5. Verkehrsflächen,
  6. Versorgungsflächen,
  7. Flächen für die Abfall- und Abwasserbeseitigung, einschließlich der Rückhaltung und Versickerung von Niederschlagswasser, sowie für Ablagerungen,
  8. Grünflächen,
  9. Flächen für Aufschüttungen, Abgrabungen oder für die Gewinnung von Steinen, Erden und anderen Bodenschätzen,
  10. Flächen für Gemeinschaftsstellplätze und Gemeinschaftsgaragen,
  11. Flächen für Gemeinschaftsanlagen,
  12. von der Bebauung freizuhaltende Flächen,
  13. Wasserflächen, Flächen für die Wasserwirtschaft, Flächen für Hochwasserschutzanlagen und Flächen für die Regelung des Wasserabflusses,
  14. Flächen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft

Weiterhin kann der Eigentümer die Übernahme der Flächen durch die Kommune verlangen, wenn ihm mit Rücksicht auf die Festsetzung oder Durchführung des Bebauungsplans wirtschaftlich nicht mehr zuzumuten ist, das Grundstück zu behalten.

17. Der städtebauliche Vertrag

Wenn es um städtebauliche Projekte geht, regeln städtebauliche Verträge, welche Rechte und Pflichten der Investor auf der einen Seite und die Kommune auf der anderen hat. Im Rahmen des Vorhaben- und Entwicklungsplanes sind wir bereits kurz darauf eingegangen, dass bauliche Entwicklung oftmals auf Wunsch Dritter, vorrangig Investoren, vorgenommen wird. Dabei wird i.d.R. ein sog. „Städtebaulicher Vertrag“ abgeschlossen.

Was bedeutet das?

„Städtebaulich" ist ein Vertrag, der sich auf Regelungen des Städtebaurechts bezieht. Städtebauliche Vereinbarungen können mit privatrechtlichen Regelungen, etwa über Grundstücksgeschäfte (z.B. Grunderwerb von der Gemeinde), verbunden werden.

Ohne dass die Aufzählung vollständig wäre, erwähnt § 11 BauGB die nachfolgenden Gegenstände als beispielhaft für die Regelung durch städtebauliche Verträge:

  1. die Vorbereitung oder Durchführung städtebaulicher Maßnahmen durch den Vertragspartner auf eigene Kosten; dazu gehören auch die Neuordnung der Grundstücksverhältnisse, die Bodensanierung und sonstige vorbereitende Maßnahmen, die Erschließung durch nach Bundes- oder nach Landesrecht beitragsfähige sowie nicht beitragsfähige Erschließungsanlagen sowie die Ausarbeitung der städtebaulichen Planungen sowie erforderlichenfalls des Umweltberichts; die Verantwortung der Gemeinde für das gesetzlich vorgesehene Planaufstellungsverfahren bleibt unberührt;
  2. die Förderung und Sicherung der mit der Bauleitplanung verfolgten Ziele, insbesondere die Grundstücksnutzung, auch hinsichtlich einer Befristung oder einer Bedingung, die Durchführung des Ausgleichs im Sinne des § 1a Absatz 3, die Berücksichtigung baukultureller Belange, die Deckung des Wohnbedarfs von Bevölkerungsgruppen mit besonderen Wohnraumversorgungsproblemen sowie des Wohnbedarfs der ortsansässigen Bevölkerung;
  3. die Übernahme von Kosten oder sonstigen Aufwendungen, die der Gemeinde für städtebauliche Maßnahmen entstehen oder entstanden sind und die Voraussetzung oder Folge des geplanten Vorhabens sind; dazu gehört auch die Bereitstellung von Grundstücken;
  4. entsprechend den mit den städtebaulichen Planungen und Maßnahmen verfolgten Zielen und Zwecken die Errichtung und Nutzung von Anlagen und Einrichtungen zur dezentralen und zentralen Erzeugung, Verteilung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung;
  5. entsprechend den mit den städtebaulichen Planungen und Maßnahmen verfolgten Zielen und Zwecken die Anforderungen an die energetische Qualität von Gebäuden.

Zumeist werden die Kosten für diese städtebaulichen Projekte auch von Investoren getragen, beispielsweise Maßnahmen für die Aufstellung eines Bebauungsplans oder Folgekosten im Rahmen der Erschließung. Dafür schafft die Gemeinde Baurecht, etwa durch die Aufstellung eines Bebauungsplans.

So kennt das Gesetz z. B. den Durchführungsvertrag zum vorhabenbezogenen Bebauungsplan (nach § 12 BauGB) oder den Erschließungsvertrag (nach § 124 BauGB).

Städtebauliche Verträge sind gem. BauGB schriftlich abzuschließen. Ist darin gar der Übergang von Eigentum an einem Grundstück geregelt, so ist dieser Vertrag daneben als Wirksamkeitsvoraussetzung im Hinblick auf den grundstücksrechtlichen Teil auch notariell zu beurkunden.

Beispielsweise können die Gemeinden die Ausarbeitung von Flächennutzungs- und Bebauungsplänen bzw. deren Änderungen und Ergänzungen einem privaten Investor auf seine Kosten übertragen. Auch die Ausarbeitung von Landschafts- und Grünordnungsplänen oder von ergänzenden Gutachten kann durch einen städtebaulichen Vertrag übertragen werden.

Weiterhin können Verträge geschlossen werden, um die Ziele der Bauleitplanung zu fördern und zu sichern. Dazu zählen die Verpflichtung zur Nutzung der Grundstücke binnen einer angemessenen Frist entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans, Vereinbarungen zum sozialen Wohnungsbau oder zur Deckung des Wohnbedarfs der ortsansässigen Bevölkerung (sog. "Einheimischenmodelle"). Aber auch die bereits benannten Ausgleichsmaßnahmen können vertraglich festgelegt werden.

Denkbar sind weiterhin Folgekostenverträge:

In Folgekostenverträgen können u.a. Kosten für Erschließungsmaßnahmen einem Vorhabenträger auferlegt werden. In Betracht kommen aber auch Kosten für Infrastrukturmaßnahmen wie Schulen, Kindergärten, Altenheime, Jugendfreizeitheime, Senioreneinrichtungen, Bürgerzentren oder Sport- und Spielplätze. In Goslar beispielsweise wollte ein Investor ein Altenheim auf dem Grundstück einer Skaterbahn errichten. Er verpflichtete sich gegenüber der Stadt, diese an einem anderen Ort neu zu errichten.

Zu beachten gilt jedoch, dass mit dem Abschluss eines Vertrages kein Rechtsanspruch auf die Aufstellung eines Bebauungsplanes besteht. Was im ersten Moment komisch klingt, weil ein Investor ja genau das beabsichtigt, wird klar, wenn wir uns daran erinnern, in welchem Verfahren ein Bebauungsplan aufgestellt wird. Denn wenn in einem Vertrag bereits vereinbart wird, dass der Plan aufgestellt wird, so umginge man damit alle Formen der Bürgerbeteiligung und Abwägung. Damit machte man den Bebauungsplan in formeller Hinsicht angreifbar. Daher ist dieser Anspruch nicht Teil eines solchen Vertrages.

Zudem besteht das sog. Koppelungsverbot. Dies besagt, dass Leistung und Gegenleistung in einem sachlichen Zusammenhang stehen müssen. Ein Investor darf sich den Abschluss des Vertrages also nicht „erkaufen“, indem er für die Stadt einige weitere „Geschenke“ übernimmt, um die Entscheidung zu beeinflussen. Die Entscheidung der Verwaltung darf damit nicht von wirtschaftlichen Gefälligkeiten abhängen. Man kann sich also eine Baugenehmigung nicht kaufen. Wohl aber kann man vertraglich Erschließungsmaßnahmen übernehmen, um die Erschließung des Bauvorhabens zu sichern und damit die Baugenehmigung zu ermöglichen, womit die Kommune finanziell deutlich entlastet wird.

Schließlich gilt auch hier der Maßstab der „Angemessenheit“: Beispielsweise muss die wegen eines Vorhabens vereinbarte Übernahme von Folgekosten bei wirtschaftlicher Betrachtung des gesamten Vorhabens in einem angemessenen Verhältnis zum Wert des Vorhabens stehen. Werden z.B. die Kosten für die Schaffung von vier neuen Kinderspielplätzen übernommen, muss dies dem tatsächlich durch das neue Wohngebiet ausgelösten Bedarf entsprechen.

18. Fazit und Zusammenfassung

Abschließend lässt sich feststellen, dass das Bauplanungsrecht eine umfangreiche und komplexe Materie darstellt. Nutzungsarten und Baugebiete verschwimmen oftmals ineinander, sodass es häufig auf die Entscheidung der Baugenehmigungsbehörde ankommt, ob ein Vorhaben zulässig ist oder nicht. Nicht selten ist eine professionelle juristische Begleitung von Vorhaben erforderlich und bereits im planenden Vorfeld ratsam, insbesondere auch zur frühzeitigen Abstimmung von Investoreninteressen mit der Behörde. .

Dieses Buch dient daher in erster Linie dazu, einen ersten Überblick über mögliche Problemfelder, aber auch sich darauf ergebende Chancen zu schaffen.

Man sollte sich daher nicht allzu frühzeitig mit einem „Nein“ einer Baubehörde zufrieden geben – Verhandeln, Anpassen, oder auch ein gerichtliches Verfahren führen oftmals zum Ziel. Hier ist der Raum für nützliche und lohnende fachjuristische Begleitung.

Es ist daher zu raten, frühzeitig den Kontakt mit der Behörde zu suchen, um abzustecken, ob das Vorhaben genehmigt werden wird, oder nicht.

Dieses Buch ist daher als erste Orientierung zu sehen, worauf es ankommen kann und nach welchen Kriterien entschieden wird. Insbesondere sollten Sie nun eine erste grobe Einschätzung geben können, ob ihr Vorhaben in der bislang angedachten Form zulässig ist Oder ob Ihnen anwaltliche Beratung im Hinblick auf ermöglichende Modifikationen von Nutzen sein kann.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Der Bebauungsplan Einführung in das Bauplanungsrecht“ von Olaf Bühler, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, und Pascal Bothe LL.B.,wissenschaftlicher Mitarbeiter.


 

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zum vorhergehenden Teil des Buches

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Pascal Bothe
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Stand: Januar 2015


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