Besondere Informationspflichten im E-Commerce; Widerrufsfristbeginn beim gesetzlichen Widerrufsrecht

7.3. Besondere Informationspflichten im E-Commerce

Die Anwendung des § 312 i BGB (7.2.1.4.8.) ist ausgeschlossen, wenn der Vertragsschluss per individueller Kommunikation erfolgt.

Beispiel:

Wird ein Vertrag per E-Mail geschlossen, dann ist der Vertragsschluss per individueller Kommunikation erfolgt. Die Anwendung des § 312 i BGB, weil kein elektronischer Geschäftsverkehr vorliegt(Fußnote).

§ 312 i BGB ist nur anwendbar, wenn sich ein Unternehmen zum Zweck des Abschlusses eines Vertrages über die Lieferung von Waren oder über die Erbringung von Dienstleistungen der Telemedien bedient(Fußnote).

Beispiel:

Telemedien im Sinne des § 312 i BGB sind z. B. Angebote im Bereich der Individualkommunikation (Bsp. Telebanking) und Angebote von Waren und Dienstleistungen in elektronisch abrufbaren Datenbanken mit interaktiven Zugriff und unmittelbarer Bestellmöglichkeit und das Teleshopping(Fußnote).

Dienen die Telemedien nicht der Vorbereitung eines Vertragsschlusses, fallen sie nicht unter den Anwendungsbereich des § 312 i BGB(Fußnote).

Es empfiehlt sich, um die Anforderungen des § 312 i I 1 Nr. 1 BGB (7.2.1.4.8.) zu erfüllen, die Bestellmaske eines Online-Shops so einzurichten, dass auf dem Bildschirm eine Zusammenfassung aller Bestellangaben zur Bestätigung erscheint, bevor der Bestell-Button endgültig angeklickt wird(Fußnote). Dadurch erhält der Kunde die Möglichkeit seine Bestellung in Hinblick auf etwaige Tippfehler noch einmal zu überprüfen.

Der Unternehmer muss ferner die Informationspflichten gemäß Art. 246 c EGBGB bei Verträgen im elektronischen Geschäftsverkehr einhalten:

1. über die einzelnen technischen Schritte, die zu einem Vertragsschluss führen,

2. darüber, ob der Vertragstext nach dem Vertragsschluss von dem Unternehmer gespeichert wird und ob er dem Kunden zugänglich ist,

3. darüber, wie er mit den nach § 312 i I 1 Nr. 1 BGB zur Verfügung gestellten technischen Mitteln Eingabefehler vor Abgabe der Vertragserklärung erkennen und berichtigen kann,

4. über die für den Vertragsschluss zur Verfügung stehenden Sprachen und

Beispiel:

Es ist nicht zwingend eine Information dieser Art „Die einzige für den Vertragsschluss zur Verfügung stehenden Sprache ist Deutsch.“ zu geben(Fußnote).

5. über sämtliche einschlägigen Verhaltenskodizes, denen sich der Unternehmer unterwirft, sowie über die Möglichkeit eines elektronischen Zugangs zu diesen Regelwerken.

7.4. Widerrufs- und Rückgaberecht

Die §§ 312 g i. V. m. 355 BGB regeln das Widerrufsrecht. Wird einem Verbraucher durch Gesetz ein Widerrufsrecht nach § 355 BGB eingeräumt, so sind der Verbraucher und der Unternehmer an ihre auf den Abschluss des Vertrags gerichteten Willenserklärungen nicht mehr gebunden, wenn der Verbraucher seine Willenserklärung fristgerecht widerrufen hat.

Der Widerruf erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Unternehmer. Aus der Erklärung muss der Entschluss des Verbrauchers zum Widerruf des Vertrags eindeutig hervorgehen. Der Widerruf muss keine Begründung enthalten. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Hierzu bedarf es keiner Begründung.

7.4.1. Gesetzliches Widerrufsrecht

Gemäß § 356 I BGB kann der Unternehmer dem Verbraucher die Möglichkeit einräumen, das Muster-Widerrufsformular nach Anlage 2 zu Art. 246 a § 1 II 1 Nr. 1 EGBGB oder eine andere eindeutige Widerrufserklärung auf der Webseite des Unternehmers auszufüllen und zu übermitteln. Macht der Verbraucher von dieser Möglichkeit Gebrauch, muss der Unternehmer dem Verbraucher den Zugang des Widerrufs unverzüglich auf einem dauerhaften Datenträger (7.2.2.2.) bestätigen.

7.4.1.1. Widerrufsfrist

Die Widerrufsfrist beträgt gemäß § 355 II BGB 14 Tage. Sie beginnt mit Vertragsschluss, soweit nichts anderes bestimmt ist. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufsformulars.

7.4.1.1.1. Widerrufsfristbeginn

Seit der Einführung der Verbraucherrechterichtlinie ist die Grundbelehrung zum Widerruf gemäß Art. 246 a § 1 II 1 Nr. 1 EGBGB (7.2.1.4.6.) Voraussetzung für den Beginn der Widerrufsfrist (§ 356 III 1 BGB)(Fußnote). Demnach ist der Unternehmer verpflichtet, den Verbraucher über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts nach § 355 I BGB sowie das Musterwiderrufsformular in der Anlage II.

Ferner ist die Warenlieferung eine Voraussetzung für den Widerrufsfristbeginn beim Verbrauchsgüterkauf. Gemäß § 356 II Nr. 1 BGB beginnt die Widerrufsfrist bei einem Verbrauchsgüterkauf,

Verbrauchsgüterkäufe sind gemäß § 474 I BGB Verträge, durch die ein Verbraucher von einem Unternehmer eine bewegliche Sache kauft. Um einen Verbrauchsgüterkauf handelt es sich auch bei einem Vertrag, der neben dem Verkauf einer beweglichen Sache die Erbringung einer Dienstleistung durch den Unternehmer zum Gegenstand hat.

a) der nicht unter die Buchstaben b bis d fällt, sobald der Verbraucher oder ein von ihm benannter Dritter, der nicht Frachtführer ist, die Waren erhalten hat (Warenlieferung),

b) bei dem der Verbraucher mehrere Waren im Rahmen einer einheitlichen Bestellung bestellt hat und die Waren getrennt geliefert werden, sobald der Verbraucher oder ein von ihm benannter Dritter, der nicht Frachtführer ist, die letzte Ware erhalten hat,

c) bei dem die Ware in mehreren Teilsendungen oder Stücken geliefert wird, sobald der Verbraucher oder ein vom Verbraucher benannter Dritter, der nicht Frachtführer ist, die letzte Teilsendung oder das letzte Stück erhalten hat,

d) der auf die regelmäßige Lieferung von Waren über einen festgelegten Zeitraum gerichtet ist, sobald der Verbraucher oder ein von ihm benannter Dritter, der nicht Frachtführer ist, die erste Ware erhalten hat,

Gemäß § 356 II Nr. 2 BGB beginnt die Widerrufsfrist bei einem Vertrag, der die nicht in einem begrenzten Volumen oder in einer bestimmten Menge angebotene Lieferung von Wasser, Gas oder Strom, die Lieferung von Fernwärme oder die Lieferung von nicht auf einem körperlichen Datenträger befindlichen digitalen Inhalten zum Gegenstand hat, mit Vertragsschluss.

Gemäß § 356 III 1 und 2 BGB beginnt die Widerrufsfrist nicht, bevor der Unternehmer den Verbraucher entsprechend den Anforderungen des Art. 246 a § 1 II Nr. 1 oder des Art. 246 b § 2 I EGBGB unterrichtet hat. Damit beginnt die Frist erst nach vollständiger Erfüllung der Informationspflichten. Hierzu genügt es, wenn der Unternehmer eine Widerrufsbelehrung (7.2.1.4.6.) vorhält. Aufgepasst werden muss, wenn man die Muster-Widerrufsbelehrung des Anhang 1 zu Art. 246 a § 1 II 2 EGBGB verwendet. Es darf nur eine der vier dort genannten Varianten zum Widerrufsfristbeginn eingefügt werden und zwar die Variante, die der Natur des Onlineshop am nächsten kommt. Andernfalls könnte dem Verbraucher nicht klar sein, welche der vier Varianten nun gelten solle – und dies verstößt gegen § 5 I UWG.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Websiten abmahnsicher gestalten“ von Harald Brennecke, Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz, und Sandra Kuley, Bachelor of Laws (LL.B.), mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2015, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-42-7.


 

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Kontakt: brennecke@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2016


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Über die Autoren:

Harald Brennecke, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz

Portrait Harald-Brennecke

Rechtsanwalt Harald Brennecke ist im Datenschutzstrafrecht als Strafverteidiger tätig.

Rechtsanwalt Brennecke hat zum Datenschutzrecht veröffentlicht:

  • „17 UWG – Betriebsgeheimnisse und Verrat durch (ehemalige) Mitarbeiter“, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-38-0
  • "Einführung in das Datenschutzrecht", Kapitel im E-Business Handbuch für Entscheider, 2. Aufl., ISBN 3.540-43263-9, 2002, Springer-Verlag

Folgende Veröffentlichung von Rechtsanwalt Brennecke ist in Vorbereitung:

  • Einführung in das Datenschutzstrafrecht

Rechtsanwalt Brennecke war an der IHK Karlsruhe als Dozent für Datenschutzrecht tätig. Er ist Dozent für Datenschutzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.

Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare zu den Themen:

  • Schutz von Kundenadressen und Geschäftsgeheimnissen – 17 UWG in Theorie und Praxis
  • Datenschutzstrafrecht
  • Datenschutz in Franchisesystemen – Die unterschätzte Gefahr für Franchisesysteme

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