Arbeitnehmerüberlassung – Teil 02 – Voraussetzungen für die Arbeitnehmerüberlassung

3.2 Voraussetzungen für die Arbeitnehmerüberlassung

Der Begriff der Arbeitnehmerüberlassung ist im AÜG nicht geregelt.

Früher wurde zwischen der unechten und der echten Leiharbeit unterschieden. Eine unechte Leiharbeit war gegeben, wenn der Arbeitnehmer nur zum Zwecke der Arbeitnehmerüberlassung eingestellt wurde und gewerbsmäßig an einen Dritten überlassen wurde. Im Gegensatz dazu lag eine echte Leiharbeit vor, wenn der Verleiher einen Leiharbeiter eingestellt und vorübergehend und gelegentlich einem Dritten die Arbeitsleistung des Leiharbeiters eingeräumt hat. Beiden Arten war gemein, dass eine vorübergehende Überlassung nötig ist.

Die Neufassung des § 1 AÜG legt heute eine neue Unterscheidung, zwischen einer wirtschaftlichen und einer nicht wirtschaftlichen Arbeitnehmerüberlassung, nahe.

Hinzuweisen ist aber auf § 1 Abs. 2a, Nr. 3. Auf Arbeitnehmerüberlassungsverhältnisse, die eine echten Arbeitnehmerüberlassung zum Gegenstand haben, ist das AÜG nicht anwendbar.

3.2.1 Erlaubnispflicht

Will der Verleiher dem Entleiher einen Leiharbeitnehmer überlassen, benötigt er für eine legale Arbeitnehmerüberlassung eine Überlassungserlaubnis der Bundesagentur für Arbeit gem. §§ 1 I S. 1, 17 AÜG. Die Erlaubnis wird gem. § 2 I AÜG auf schriftlichen Antrag erteilt. Diese Voraussetzung wurde mit der Änderung des AÜG zur Verhinderung von Missbrauch der Arbeitnehmerüberlassung vom 28.04.2011 eingeführt.

Vor dieser Änderung wurde leidglich zwischen einer gewerbsmäßigen und einer nicht gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung unterschieden. Unter der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung war jede nicht nur gelegentliche, sondern auf eine gewisse Dauer angelegte und auf die Erzielung unmittelbarer oder mittelbarer wirtschaftlicher Vorteile ausgerichtete, selbständige Tätigkeit zu verstehen. Es war nicht nötig, dass tatsächlich ein Gewinn erzielt wurde, sondern es war ausreichend, dass mit der Arbeitnehmerüberlassung ein mittelbarer Gewinn angestrebt wird (BAG 21.03.90- 7 AZR 198/89).

Von der Erlaubnispflicht ausgenommen waren Arbeitnehmerüberlassungen mit unmittelbarem gemeinnützigem Zweck, wie bei karitativen Einrichtungen.

Mit der Neufassung des § 1 I 1 AÜG wird eine Erlaubnis benötigt, wenn die Überlassung im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit erfolgt.

Eine wirtschaftliche Tätigkeit ist jede Tätigkeit, die darin besteht, Güter oder Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt anzubieten. Unerheblich ist, ob dabei eine Gewinnerziehung verfolgt wird. Damit werden seit der Gesetzesänderung Arbeitnehmerüberlassungen mit gemeinnützigem Zweck oder konzerninterne Arbeitnehmerüberlassungen von der Erlaubnispflicht erfasst.

Beispiel 1

Die Zeitarbeitsfirma Glöckler GmbH schließt mit dem Schreinerbetrieb Holzbau GmbH einen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag.

  • Die Zeitarbeitsfirma Glöckler GmbH muss eine Erlaubnis bei der Bundesagentur für Arbeit einholen.

Beispiel 2

Der gemeinnützige Verein Hilfe e.V. bietet kostenpflichtige Personentransporte für körperlich eingeschränkte Personen an. Er vereinbart mit dem Roten Kreuz einen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag. Das Rote Kreuz soll dem gemeinnützigen Verein Hilfe e.V. einen Fahrer für zwei Monate überlassen.

  • Die Arbeitnehmerüberlassung selbst ist kein eigenständiger gemeinnütziger Zweck. Daher ist hier eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis erforderlich.

Die Erlaubnis kann nach §§ 3, 5 AÜG versagt werden, wenn

  • der Verleiher die erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt oder
  • aufgrund seiner Betriebsorganisation nicht in der Lage ist, die üblichen Arbeitgeberpflichten zu erfüllen oder
  • wenn dem Leiharbeitnehmer das Gleichstellungsgebot für die Zeit der Überlassung nicht gewährleistet werden kann.

Beispiel 3

Nachdem die Zeitarbeitsfirma Glöckler GmbH mit dem Schreinerbetrieb Holzbau GmbH einen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag vereinbart hat, beantragt die Zeitarbeitsfirma eine Erlaubnis bei der Bundesagentur für Arbeit. Dabei stellt sich heraus, dass der Schreinerbetrieb bereits über zwanzig Arbeitnehmer beschäftigt, obwohl der Platz in der Halle, sowie in dem Pausenraum nur für 18 Arbeitnehmer ausreicht. Ferner verfügt der Schreinerbetrieb nur über zwanzig Sicherheitsanzüge und -schuhe. Die Holzbau GmbH kann dem Leiharbeitnehmer von daher keine Sicherheitsanzüge und -schuhe anbieten.

  • Die Holzbau GmbH kann die erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen somit nicht gegenüber dem Leiharbeitnehmer gewährleisten. Die Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung ist zu versagen.

3.2.2 Ausnahme der Erlaubnispflicht

Eine Ausnahme von der Erlaubnispflicht gewährt § 1 III AÜG. Eine Erlaubnispflicht besteht nicht

  • zwischen Arbeitgebern desselben Wirtschaftszweiges zur Vermeidung von Kurzarbeit oder Entlassungen, wenn ein für den Entleiher und Verleiher geltender Tarifvertrag dies vorsieht (§ 1 III Nr. 1 AÜG)
  • zwischen Konzernunternehmen im Sinne des § 18 AktG, wenn der Arbeitnehmer nicht zum Zweck der Überlassung eingestellt und beschäftigt wird (§ 1 III Nr. 2 AÜG)
  • zwischen Arbeitgebern, wenn die Überlassung nur gelegentlich erfolgt und der Arbeitnehmer nicht zum Zweck der Überlassung eingestellt und beschäftigt wird (§ 1 III Nr. 2a AÜG) oder
  • bei Arbeitnehmerüberlassungen ins Ausland, wenn der Leiharbeitnehmer in ein auf der Grundlage zwischenstaatlicher Vereinbarungen begründetes deutsch-ausländisches Gemeinschaftsunternehmen verliehen wird, an dem der Verleiher beteiligt ist (§ 1 III Nr. 3 AÜG).

Beispiel 1

Das Einzelhandelsunternehmen PRO AG steht in Kooperation mit dem Einzelhandelsunternehmen France in Frankreich. Auf Grundlage einer zwischenstaatlichen Vereinbarung, an dem beide Unternehmen beteiligt sind, wird der Arbeitnehmer Herr Meier für einen Monat an dem Standort des Einzelhandelsunternehmens France in Paris eingesetzt.

  • Eine Überlassungserlaubnis ist nach § 1 III Nr. 3 AÜG nicht erforderlich.

§ 1 a AÜG ermöglicht Kleinbetrieben mit weniger als 50 Beschäftigten, zur Erhaltung von Arbeitsplätzen, Leiharbeitnehmer ohne eine Erlaubnis gem. § 1 I 1 AÜG zu überlassen. Vorausgesetzt ist, dass die Arbeitnehmerüberlassung zuvor ordnungsgemäß angezeigt wurde. Im Gegensatz zu § 1 III Nr. 1 AÜG ist es bei § 1 a AÜG nicht nötig, dass die beteiligten Unternehmen zum selben Wirtschaftszweig gehören oder ein Tarifvertrag die erlaubnisfreie Arbeitnehmerüberlassung vorsieht. Eine solche Abreitnehmerüberlassung ist auf zwölf Monate beschränkt.

Beispiel 2

Die Schlosserei Stahl GmbH hat 30 Stammmitarbeiter. Die Schöne Gärten AG stellt Zäune und Tore für Gärten her. Sie planen eine limitierte Serie hochwertiger Zaunpfosten. Hierzu benötigen sie den speziell ausgebildeten Schlosser Herrn Max, der bei der Stahl GmbH angestellt ist. Die Stahl GmbH überlässt der Schöne Gärten AG Herrn Max für sechs Monate. Die Schöne Gärten AG hat nur 15 Mitarbeiter.

  • Eine Erlaubnispflicht besteht gem. § 1 a AÜG nicht.

3.2.3 Vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung

Gem. § 1 I 2 AÜG ist nur eine vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung zulässig. Vor der Einführung dieser Regelung war die Arbeitnehmerüberlassung durch eine Höchstüberlassungsgrenze beschränkt. Diese Grenze wurde aufgehoben. Mit § 1 I 2 AÜG sollen die Anforderungen an die unternehmerische Flexibilität aufgegriffen werden, damit nicht in jedem Fall an einer strengen Höchstdauer festgehalten werden muss. Gleichzeitig soll die Vorschrift verhindern, dass eine dauerhafte Arbeitnehmerüberlassung erfolgt.

Arbeitnehmer, die einem anderen Arbeitgeber dauerhaft überlassen werden, sind nach § 1 I 2 AÜG nicht vom Anwendungsbereich des AÜG erfasst, sodass das Gleichstellungsgebot unberücksichtigt bleibt. Dies führt dazu, dass für einen Leiharbeitnehmer, der länger als „vorübergehend“ im Entleiherbetrieb eingegliedert wird, die Schutzvorschriften des AÜG nicht mehr gelten, obwohl er sie gerade besonders benötigt.

Eine dauerhafte Arbeitnehmerüberlassung darf von daher nicht zu einer Einschränkung der Arbeitnehmerrechte führen. Das AÜG und seine zugrundeliegende Leiharbeiterrichtlinie beabsichtigt die Sicherung von Mindestarbeits- und Beschäftigungsbedingungen der Arbeitnehmer. Für die Geltung der allgemeinen Arbeitnehmerschutzrechte ist es unerheblich, ob der Arbeitnehmer nur vorübergehend oder dauerhaft im Betrieb eines Dritten eingesetzt wird. Sie finden sowohl bei der Arbeitnehmerüberlassung Anwendung, als auch bei der Begründung eines dauerhaften Arbeitsverhältnisses. Der auf Dauer überlassene Leiharbeiter kann sich zwar nicht mehr auf die Schutzvorschriften nach dem AÜG berufen, dafür aber auf die allgemeinen Arbeitnehmerschutzvorschriften.

Eine Mindermeinung der juristischen Literatur sieht das Verbot der längerfristigen Arbeitnehmerüberlassung nach § 1 I 2 AÜG als sanktionsloses Verbot im Verhältnis des Entleihers zu dem Leiharbeiter an. Setzt der Entleiher den Leiharbeiter dauerhaft ein, kommt das AÜG mit seinen vorgesehenen Schutzvorschriften nicht zur Anwendung, andere Folgen für den Entleiher sind nicht ersichtlich.

Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden. Typisch für die Arbeitnehmerüberlassung ist die Aufspaltung der Arbeitgeberstellung zwischen dem Verleiher und dem Entleiher. Um ihr gerecht zu werden, ist eine dauerhafte Arbeitnehmerüberlassung nicht sinngemäß. Eine dauerhafte Arbeitnehmerüberlassung führt nicht dazu, dass ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Entleiher und dem Leiharbeitnehmer besteht (BAG, Urteil vom 10.12.2013, Az.: 9 AZR 73/13). Selbst bei einer dauerhaften Arbeitnehmerüberlassung bleibt der Verleiher Arbeitgeber und damit zur Vergütung verpflichtet.

Ferner ist eine zeitlich unbestimmte Überlassung aus Sicht des Richtliniengebers unerwünscht, da sie dazu führen würde, dass der Entleiher für die vom Leiharbeiter besetzte Stelle keinen unbefristeten Arbeitsvertrag abschließen würde. Damit wäre der Sinn der Arbeitnehmerüberlassung verfehlt, der gerade einen vorübergehenden Personalbedarf decken soll. § 1 I 2 AÜG ist dahingehend auszulegen, dass nur eine vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung zulässig und erlaubnisfähig ist.

Um Klarheit und Rechtssicherheit zu gewähren wäre künftig eine feste zeitliche Grenze wünschenswert, die sich beispielsweise an der zwei Jahres Frist nach § 14 II 1 TzBfG orientieren könnte.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Arbeitnehmerüberlassung“ von Tilo Schindele, auf Arbeitsrecht spezialisierter Rechtsanwalt, und Patricia Netto, wissenschaftliche Mitarbeiterin, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2016, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-55-7.


 

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Stand: Januar 2016


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