Bilanzierung – Teil 05 – Prinzipien der Bilanzbewertung


Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin

Monika Dibbelt
Rechtsanwältin

Jens Bierstedt
LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter


2.2 Bilanzierung der Höhe nach (Bilanzbewertung)

Neben der Bilanzierung dem Grunde nach, kommt es auf die Bilanzierung der Höhe nach an. Letztere stellt die Bewertung der einzelnen Bilanzposten dar. Bei der Bewertung wird den in der Bilanz anzusetzenden Vermögensgegenständen und Schulden also jeweils ein Geldbetrag zugeordnet.

2.2.1 Prinzipien der Bewertung

Die Prinzipien der Bewertung ergeben sich einerseits aus dem Vorsichtsprinzip und andererseits aus dem Realisations- und Imparitätsprinzip.

2.2.1.1 Einführung zum Vorsichtsprinzip

Dem Vorsichtsprinzip nach § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB liegt die Vorstellung des vorsichtigen Kaufmanns zugrunde, der sich vor sich selbst und vor anderen nicht reicher rechnet, als er tatsächlich ist, sondern im Zweifel eher ärmer.

Das Vorsichtsprinzip dient in erster Linie dem Gläubigerschutz. Die Bilanzansatz- und Bewertungsregeln des Handelsgesetzbuchs stellen ein dominant prägendes Prinzip dar. Sowohl im Interesse der Eigentümer als auch der Gläubiger sollte die Rechnungslegung vorsichtig geführt werden, d.h. sie sollte keinen optimistischen Eindruck von der Lage des Unternehmens vermitteln.

Das Vorsichtsprinzip wird durch zwei Unterprinzipien konkretisiert. Das Realisationsprinzip und das Imparitätsprinzip.

2.2.1.2 Realisations- und Imparitätsprinzip

Das Realisations- und Imparitätsprinzip ist Ausdruck des allgemeinen Vorsichtsprinzips und Maßstab für den zeitgerechten Ausweis von Erträgen und Aufwendungen und damit grundlegendes Aktivierungs- und auch Passivierungsprinzip. Es umfasst das Periodisierungsprinzip (Abgrenzungsprinzip) und das Prinzip der wirtschaftlichen Verursachung.(Fußnote)

2.2.1.2.1 Realisationsprinzip

Das Realisationsprinzip stellt den zentralen Abgrenzungsgrundsatz dar. Es umfasst zwei Aspekte:

  • Es regelt wann ein Erzeugnis bzw. eine Leistung des Unternehmens als realisiert gilt, d.h. zu welchem Zeitpunkt ein Ertrag entsteht.
  • Es bestimmt den Wert, mit dem die noch nicht realisierten Erzeugnissen bzw. Leistungen in der Bilanz auszuweisen sind (Anschaffungswertprinzip). Ein Erlös aus dem Verkauf von Sachgütern bzw. Dienstleistungen gilt erst zu dem Zeitpunkt als realisiert wenn die Lieferung vollzogen bzw. die Dienstleistung beendet ist. Dann erst ist der Wert in der Bilanz ausweisfähig. Eine Lieferung gilt mit dem Zeitpunkt des Gefahrenübergangs als erbracht. Bis zu diesem Zeitpunkt sind die Unternehmenserzeugnisse nach dem Anschaffungswertprinzip, das auch im Gesetz verankert wurde (§ 253 Abs. 1 HGB), höchstens mit den Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten zu bewerten. Durch diese Wertobergrenze wird erreicht, dass noch nicht realisierte Erträge nicht in die Bilanz aufgenommen werden.(Fußnote)

Beispiel

Unternehmer Müller schließt am 10.01.01 mit seinem Großkunden Meyer ein Kaufvertrag über die Lieferung XYZ zum Kaufpreis von 2.000,- € netto. Am 20.01.01 liefert Müller die Ware. Am 24.01.01 schickt Müller die Rechnung an Meyer und am 30.01.01 zahlt Meyer den vereinbarten Kaufpreis. Wann ist der Ertrag realisiert?

  • Mit Abschluss des Kaufvertrages vom 10.01.01 ist der Vertrag noch nicht realisiert. Es handelt sich um ein schwebendes Geschäft. Erst mit der Lieferung vom 20.01.01 ist der Ertrag für Müller realisiert. Müller hat zu diesem Zeitpunkt den Fall zu buchen. Der Buchungssatz lautet: Forderungen aus Lieferung und Leistung 2.380,- € an Umsatzerlöse 2.000,- € und Umsatzsteuer 380,- €.

Für die Ertragsrealisierung ist sowohl der Zeitpunkt der Rechnungserstellung als auch der Zeitpunkt der Zahlung unbeachtlich vgl. § 252 Abs. 1 Nr. 5 HGB.

2.2.1.2.2 Imparitätsprinzip

Nach § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB sind alle vorhersehbaren Risiken und Verluste die bis zum Abschlussstichtag entstanden sind zu berücksichtigen. Gewinne sind erst dann zu berücksichtigen wenn sie am Abschlussstichtag realisiert sind. Verluste sind bereits zu berücksichtigen, sobald sie zu erwarten sind.

Der Zweck des Imparitätsprinzips liegt in der Vorwegnahme von Verlusten. Das ist im Sinne der Kapitalerhaltung und des Gläubigerschutzes. Das Imparitätsprinzip findet seinen Ausdruck in mehreren Fällen:

  • im Niederstwertprinzip für Vermögensgegenstände,
  • dem Höchstwertprinzip für Schulden und bei der Bildung von sogenannten Drohverlustrückstellungen.

Das Niederstwertprinzip besagt allgemein formuliert, dass bei der Bewertung von Aktiva von zwei möglichen Werten der niedrigere Wert anzusetzen ist.

Das Niederstwertprinzip kommt in zwei Ausprägungen vor:

  • im Umlaufvermögen gilt das strengere Niederstwertprinzip d.h. von zwei in Betracht kommenden Werten ist zwingend der niedrigere Wert anzusetzen,
  • im Anlagevermögen gilt dagegen das gemilderte Niederstwertprinzip, dabei ist der niedrigere Wert nur dann anzusetzen, wenn eine voraussichtlich dauernde Wertminderung des Vermögensgegenstandes vorliegt.

Das Höchstwertprinzip gilt für Schulden und entspricht dem Niederstwertprinzip für die Aktiva. Das bedeutet, dass von zwei möglichen Wertansetzen für Schulden nicht der niedrigere sondern der höhere Wert anzusetzen ist. Damit werden Risiken und Verluste vorweggenommen und der aktuelle Gewinn der Periode vermindert.

Beispiel

Unternehmer Müller erwirbt zur kurzfristigen Spekulation am 07.12.01 einhundert Aktien der XYZ-AG zum Kurswert von 10,- € je Stück. Am Bilanzstichtag zum 31.12.01 beträgt der Kurswert in der Fallgestaltung

a) 7,- € je Stück und in der Fallgestaltung

b) 12,- € je Stück. Mit welchem Wert sind die Aktien zum 31.12.01 anzusetzen?

  • Bei den Aktien handelt es sich um Vermögensgegenstände des Umlaufvermögens, da sie der kurzfristigen Spekulation dienen. Für Vermögensgegenstände des Umlaufvermögens gilt gemäß § 253 Abs. 4 HGB das strenge Niederstwertprinzip. Das bedeutet, es sind auf diese Vermögensgegenstände Abschreibungen vorzunehmen, um diese mit einem niedrigeren Wert anzusetzen der sich aus einem Börsen- oder Marktpreis zum abschlussstichtag ergibt.
  • zu a) die Aktien sind auf den niederen Aktienkurs abzuschreiben; der Bilanzansatz ist hier 100 * 7,- € = 700 €; zum Bilanzstichtag wird ein Verlust von 300,- € vorweggenommen, der tatsächlich noch nicht realisiert ist; realisiert wäre der Verlust, wenn Müller die Aktien auch tatsächlich zum Kurswert von 7,- € veräußert hätte; es werden unrealisierte Verluste berücksichtigt.
  • zu b) der Kurswert ist zum Bilanzstichtag höher als der Anschaffungswert; die Wertsteigerung beträgt also 100 * 2,- € = 200,- €; da diese Wertsteigerung jedoch noch nicht realisiert ist darf ein entsprechender Ertrag (noch) nicht berücksichtig werden; unrealisierte Gewinn bleiben unberücksichtigt.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Bilanzierung“ von Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, spezialisiert auf Steuerrecht, Monika Dibbelt, Rechtsanwältin, und Jens Bierstedt LL.M., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2016, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-49-6.


 

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Carola Ritterbach
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Kontakt: ritterbach@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2016


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Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht

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Rechtsanwältin Carola Ritterbach ist Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht.
Rechtsanwältin Ritterbach berät und vertritt Unternehmer und Unternehmen seit Jahren in bankrechtlichen Fragen sowie in Bezug auf Leasingverträge. Sie absolviert derzeit den Fachanwaltskurs für Steuerrecht, so dass sie bei der Vertretung und Beratung von bank- und leasingrechtlichen Mandaten stets den Bezug zum Steuerrecht herstellen kann. 

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Carola Ritterbach ist Autorin mehrerer Bücher im Leasingrecht und Bankrecht, so

  • "Leasingrecht" – Einführung in das Recht des Leasings, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-25-0
  • "Kreditvertragsrecht", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-35-9
  • "Kreditzinsen und Vorfälligkeitsentschädigung - Gewinn- und Schadensberechnung der Banken", 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-45-8,
  • "Bankvertragsrecht", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-32-8
  • "Die Beraterhaftung im Kapitalmarktrecht", 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-30-4
  • "Kreditsicherheiten", 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-27

Rechtsanwältin Ritterbach ist Dozentin für Bank- und Kapitalmarktrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie sowie Mitglied der Arbeitsgemeinschaften Bank- und Kapitalmarktrecht und Steuerrecht im Deutschen Anwaltsverein.
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