Die Gesellschafterversammlung: Ein Leitfaden – Teil 13 – Beschlussfassung in Ein-Person-Gesellschaften, Rechtsnatur des Beschlusses, Aufhebung und Änderung von Beschlüssen

6.4.2 Erleichterungen durch den Gesellschaftsvertrag

Die gesetzlichen Regelungen können sich im Geschäftsalltag als zu starr erweisen. Im Gesellschaftsvertrag können daher erleichternde Regelungen getroffen werden, solange die Mitwirkungsrechte jedes Gesellschafters gewahrt bleiben.[1]
So kann eine Beschlussfassung durch Mehrheitsbeschluss per E-Mail, per Fax oder per Telefon- bzw. Videokonferenz zugelassen werden.[2] Um die Abstimmungsmöglichkeit der Gesellschafter sicherzustellen, muss gerade bei Beschlüssen per E-Mail oder Fax eine angemessene Abstimmungszeit vorgesehen sein. Eine Abstimmung per E-Mail oder Fax dürfte unzulässig sein, wenn einzelne Gesellschafter bekanntermaßen nicht über die entsprechenden technischen Gerätschaften verfügen. Dies gilt umso mehr, wenn geregelt ist, dass nicht abgegebene Stimmen als Ja-Stimmen zu behandeln sind.[3] Die Missbrauchsgefahr führt dazu, dass derartige Regelungen sehr restriktiv zu handhaben sind.
Der Gesellschaftervertrag kann Beschlussfassungen außerhalb von Gesellschafterversammlungen generell oder für bestimmte Beschlussgegenstände ausschließen.[4]

6.5 Beschlussfassung in Ein-Personen-Gesellschaften gemäß § 48 Abs. 3 GmbHG

In einer Ein-Personen-Gesellschaft kann schon begrifflich keine Gesellschafterversammlung abgehalten werden. Darum besteht gerade hier ein besonderes Bedürfnis, grundlegende Entscheidungen in Form eines Protokolls zu fixieren.

6.5.1 Protokollpflicht

Sofern alle Geschäftsanteile in der Hand einer Person (natürliche oder juristische Person) oder daneben lediglich in der Hand der Gesellschaft selbst liegen, besteht nach § 48 Abs. 3 GmbHG die Pflicht, gefasste Beschlüsse zu protokollieren und das fertige Protokoll zu unterschreiben.[5]
Eine Erbengemeinschaft fällt nicht darunter und wird behandelt wie alle anderen Gesellschaften mit mehreren Gesellschaftern.[6] Diese trifft keine gesetzliche Protokollpflicht.[7]

6.5.2 Rechtsfolgen bei Verstoß gegen die Protokollpflicht

Ein Verstoß gegen die Pflicht zur Protokollierung von Beschlüssen einer Ein-Personen-Gesellschaft führt zwar nicht zur Nichtigkeit des betreffenden Beschlusses. Die Rechtsfolgen des Fehlens eines solchen Protokolls sind allerdings noch nicht höchstrichterlich geklärt, sodass aus Gründen der Rechtssicherheit zu empfehlen ist, die Beschlüsse festzuhalten.[8]

6.6 Rechtsnatur des Beschlusses

Der Beschluss stellt ein mehrseitiges Rechtsgeschäft eigener Art dar.[9] Er ist keine Willenserklärung, sodass die allgemeinen Anfechtungsregeln (§§ 119 ff. BGB) nicht zur Anwendung kommen. Dagegen ist die Stimmabgabe als empfangsbedürftige Willenserklärung anfechtbar.[10] Auswirkungen auf den Beschluss hat die Anfechtung nur, wenn das für die Beschlussfassung notwendige Mehrheitserfordernis dadurch unterschritten wird.[11]
Ein Gesellschafterbeschluss wirkt lediglich intern und ist bindend für die Organe der Gesellschaft.[12] Außerhalb der Gesellschaft stehende Personen können sich folglich nicht auf einen Beschluss berufen.

Beispiel
Die Gesellschafterversammlung der X GmbH beschließt, einen Grundstückskaufvertrag mit T abzuschließen. Die Geschäftsführung hat diesen Beschluss jedoch noch nicht umgesetzt.

  • T kann nicht auf Abschluss des Kaufvertrages klagen, indem er sich darauf beruft, dass die Gesellschafterversammlung diesen beschlossen habe. Er ist vielmehr darauf angewiesen, dass die Geschäftsführung diesen Beschluss umsetzt bzw. die Gesellschafterversammlung interne Maßnahmen ergreift, wenn die Geschäftsführung die Umsetzung verschleppt.

6.7 Aufhebung und Änderung von Beschlüssen

Beschlüsse können wieder aufgehoben oder abgeändert werden, sofern diese nicht bereits bindende Wirkung gegenüber Dritten entfaltet.[13] Dies ist bei satzungsändernden Beschlüssen der Fall, solange die Änderung noch nicht in das Handelsregister eingetragen ist.[14] Wenn die Aufhebung oder Änderung nicht noch in derselben Gesellschafterversammlung erfolgt, ist die beabsichtigte Beschlussfassung ordnungsgemäß in der Tagesordnung anzukündigen.[15] Sind bereits Rechtswirkungen eingetreten, können die betreffenden Beschlüsse im Zweifel nur noch mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben werden.

Beispiel
Die Gesellschafterversammlung der X GmbH hat G zum Geschäftsführer bestellt. Er hat dieses Amt mehrere Jahre ausgefüllt.

  • Um ihn von diesem Amte wieder zu entbinden, wird nicht der damalige Beschluss aufgehoben, sondern die Abberufung (mit Wirkung für die Zukunft) beschlossen.

Bei sofortiger Aufhebung noch in derselben Gesellschafterversammlung bedarf die Aufhebung anders als die ursprüngliche Beschlussfassung nur der einfachen Mehrheit. Denn ein satzungsändernder Beschluss kann vor Eintragung in das Handelsregister mit der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen der anwesenden Gesellschafter wieder aufgehoben werden.[16] Die Satzung kann allerdings vorsehen, dass für die Aufhebung die gleichen Mehrheitserfordernisse gelten wie für die Beschlussfassung. Nach Beendigung der Gesellschafterversammlung und Aufhebung des Beschlusses in einer späteren Gesellschafterversammlung sind die üblichen Mehrheitserfordernisse einzuhalten.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die Gesellschafterversammlung: Ein Leitfaden“ von Harald Brennecke, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, und Dipl.-Jur. Marc Schieren, M. L. E., mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2016, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-50-2.


 

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Stand: Januar 2016


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Rechtsanwalt Harald Brennecke ist Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Fachanwalt für Insolvenzrecht.

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    Harald Brennecke ist seit 1999 im Bereich der Unternehmenssanierung tätig. Als Fachanwalt für Insolvenzrecht berät und begleitet er Sanierungen und betreut Geschäftsführer und Gesellschafter bei Firmeninsolvenzen. Er unterstützt Geschäftsführer in der Unternehmenskrise hinsichtlich der für sie bestehenden Haftungsrisiken sowie Gesellschafter im Interesse der Wahrung der Unternehmenswerte. Er unterstützt bei der Suche nach Investoren und Wagniskapitalgebern (venture capital), begleitet Verhandlungen und erstellt Investorenverträge.


Rechtsanwalt Harald Brennecke hat im Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht veröffentlicht:

  • "Das Recht der GmbH", Verlag Mittelstand und Recht, 2015, ISBN 978-3-939384-33-5
  • "Der Gesellschaftsvertrag der GmbH - Die GmbH-Satzung in Theorie und Praxis", 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-40-3
  • "Der Unternehmenskauf -  Rechtliche Risiken bei Kauf und Verkauf mittelständischer Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-18-2
  • "Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-29-8
  • "Gesellschaftsrecht in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-26-7
  • "Die Limited in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-34-2
  • "Der Insolvenzplan – Sanierungsinstrument in der Insolvenz", 2007, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-03-8
  • "Die Regelinsolvenz - Insolvenz für Unternehmer und Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-07-6
  • "Gesellschafterinteressen in der Publikums-KG: Auskunftsrechte der Kommanditisten einer Publikums-KG gegen Treuhänder“, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-28-1
  • "Die Gesellschafterversammlung: Ein Leitfaden", Harald Brennecke und Dipl.-Jur. Marc Schieren, M. L. E., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-50-2
  • "Arztpraxis – Kauf und Übergang", Harald Brennecke und Michael Kaiser, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-54-0

Folgende Veröffentlichungen von Rechtsanwalt Brennecke sind in Vorbereitung:

  • Die Due Diligence – Rechtliche Prüfung beim Unternehmenskauf
  • Die Liquidation der Kapitalgesellschaft
  • Die Unternehmergesellschaft (UG)

Harald Brennecke ist Dozent für Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht im DeutscherAnwaltVerein.  
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:

  • Gesellschaftsrecht für Steuerberater und Unternehmensberater – Grundlagen des Gesellschaftsrechts
  • Gesellschaftsvertragsgestaltung – Grundlagen und Risiken
  • Die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) – kleine Chance, großes Risiko
  • Welche Gesellschaftsform ist die Richtige? Vor- und Nachteile der Rechtsformen für Unternehmer
  • Geschäftsführerhaftung – Geschäftsführung von Kapitalgesellschaften; das letzte große Abenteuer der westlichen Zivilisation
  • Insolvenzrecht für Gründer und lebende Unternehmen: Aus Insolvenzen anderer lernen heißt das eigene Insolvenzrisiko zu vermeiden
  • Unternehmenssanierung: Kopf aus dem Sand! Wer zu spät reagiert, reagiert nie wieder.
  • Insolvenzrecht für Steuerberater – Grundlagen des Insolvenzrechts für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer
  • Insolvenzrecht für Unternehmensberater – Sanierungschancen erkennen und wahren
  • Insolvenzberatung: das (enorme) Haftungsrisiko des Sanierungsberaters

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