Die internationale Entsendung von Mitarbeitern – Teil 15 – Krisensituation im Gastland

7.2.4. Krisensituation im Gastland

Vergangene und aktuelle Unruhen in bestimmten Ländern zeigen, dass sich ein Gastland zu einem Krisengebiet entwickeln kann. Der Entsendevertrag sollte daher diesbezügliche Regelungen enthalten.

Das bedeutet:

  • detaillierte Vereinbarungen hinsichtlich der Ausreise des Mitarbeiters im Krisenfall.
  • eine Wiederbeschäftigung im Stammhaus.
  • anderweitige Ersatz-Einsatz-Möglichkeiten.
  • die Behandlung des Vergütungsanspruchs.
  • die Kostenübernahme für die Rückkehr, inkl. Sämtlicher damit in Verbindung stehender Kosten (Wohnung, Flug, PKW, etc.).

7.2.4.1. Vorzeitiger Rückruf durch den Arbeitgeber

Der Arbeitgeber kann den vorzeitigen Rückruf nicht einseitig anordnen. Er ist nicht von seinem Direktionsrecht umfasst. Daher sind vertragliche Vereinbarungen entscheidend. In Konstellationen, in denen der inländische Arbeitsvertrag ruht, ist bei einem vorzeitigen Rückruf zu beachten, dass die ausländische Tochtergesellschaft zu beteiligen ist. Unter anderem durch einvernehmliche Aufhebung, Kündigung oder ein Ruhendstellen des dortigen Arbeitsvertrages.[1] Fehlen solche vertraglichen Regelungen besteht keine allgemeine Pflicht des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer zurückzurufen.

Formulierungsvorschlag:
„Während des Auslandeinsatzes hat der Arbeitgeber das Recht, den Mitarbeiter unter Einhaltung einer Frist von 3 Monaten ins Inland zurückzurufen. Bei Gefahr durch politische Unruhen, Naturkatastrophen, Anschläge am Einsatzort des Mitarbeiters kann der Arbeitgeber den Mitarbeiter ohne Einhaltung dieser Frist endgültig oder vorrübergehend für die Dauer der Krisensituation ins Inland zurückrufen.“

7.2.4.2. Rückehrrecht und Arbeitspflicht des Mitarbeiters

Für den Fall, dass vertragliche Regelungen für das Rückkehrrecht fehlen, kommt eine Befreiung von der Arbeitspflicht nach § 275 I BGB (Ausschluss der Leistungspflicht) nur dann in Betracht, wenn die Erbringung der Arbeitsleistung rechtlich oder tatsächlich unmöglich ist, z.B. bei Zerstörung der Betriebsstätte. Wenn eine konkrete Gefahr für Leib und Leben besteht, ist der Verbleib nicht zumutbar. Das wäre z.B. der Fall, wenn das Auswärtige Amt deutsche Staatsangehörige auffordert, das betreffende Land zu verlassen. Dann darf der Arbeitnehmer auch ohne Genehmigung des Arbeitgebers ausreisen.

Formulierungsvorschlag:
Bei Gefahr durch politische Unruhen, Naturkatastrophen oder Anschläge an seinem Einsatzort, ist der Mitarbeiter berechtigt, nach Mitteilung an den Arbeitgeber vorrübergehend für die Dauer der Krisensituation ins Inland zurückzukehren. Der Mitarbeiter steht dem Arbeitgeber während seines Aufenthaltes im Inland für anderweitige gleichwertige Tätigkeiten zur Verfügung.

7.2.4.3. Kosten der vorzeitigen Rückkehr

Die häufig im Entsendevertrag geregelte Kostentragung im Falle eines Rückrufs durch den Arbeitgeber können auch hier angewendet werden.

Formulierungsvorschlag:
Wir die Auslandstätigkeit während einer Krisensituation am Einsatzort aufgrund eines Rückrufs des Arbeitgebers oder der Ausübung des Rückkehrrechts des Mitarbeiters vorrübergehend für die Krisenzeit unterbrochen, übernimmt der Arbeitgeber die Kosten der Reise ins Inland sowie der späteren Reise zurück zum Einsatzort für den Mitarbeiter und dessen Ehe- oder eingetragenen Lebenspartner und Kinder für die Flüge der Economy-Class bzw. für Bahnfahrten der 2. Klasse.

Erfolgt die Rückreise ausschließlich auf Veranlassung des Arbeitnehmers, gibt es zwei Möglichkeiten.

  • Enthält der Entsendevertrag ein vorzeitiges Rückkehrrecht bei Gefahr durch Unruhen/Katastrophen, kann der Arbeitnehmer davon Gebrauch machen. Damit besteht ein Recht auf Erstattung von Rückreise- und (eventuellen) Umzugskosten, ggf. weiteren Kosten.
  • Ist kein Rückkehrrecht des Arbeitnehmers vereinbart, können eventuelle Regelungen über Heimreisen herangezogen werden. Üblicherweise wird festgelegt, wie oft der Entsandte auf Kosten des Unternehmens nach Hause reisen darf. Ist dieses Kontingent noch nicht ausgeschöpft, kann der Arbeitnehmer (je nach Vereinbarung auch für seine Familie) diese in Anspruch nehmen. Trifft dies nicht zu, hat der Arbeitnehmer diese Kosten selbst zu tragen.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die internationale Entsendung von Mitarbeitern“ von Tilo Schindele, auf Arbeitsrecht spezialisierter Rechtsanwalt, und Babett Stoye, LL.B., mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2016, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-57-1.


 

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Kontakt: tilo.schindele@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2016


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