Die Anlagengenehmigung nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz – Teil 12 – Einwendungen und Erörterungstermin, vereinfachte Genehmigungsverfahren, Verfahrensfehler


4.1.2.1.5 Einwendungen und Erörterungstermin

Unter Einwendungen sind jede Art von Bedenken gegen das Vorhaben aus Sicht der Nachbarschaft oder der Allgemeinheit zu verstehen, die sachlich auf die Verhinderung oder die Modifizierung des beantragten Vorhabens abzielen.(Fußnote)

Einwendungsbefugt ist gemäß § 10 Abs. 3 S. 4 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes "die Öffentlichkeit", wobei jedoch hinsichtlich der hinreichenden Substantiierung der Bedenken zwischen "Jedermann-Einwendungen" im Interesse der Allgemeinheit und "Betroffenen-Einwendungen" zu unterscheiden ist.(Fußnote) Nach den Regelungen der § 24 Abs. 3 und § 25 VwVfG sind allerdings auch formell oder inhaltlich mangelhafte Einwendungen mit dem Hinweis auf eine Korrektur oder Ergänzung von der Behörde anzunehmen.

Gemäß § 10 Abs. 3 S. 2 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sind Einwendungen in der Auslegungsfrist (s.o., 4.1.2.1.4.2) oder innerhalb der zwei darauffolgenden Wochen zu erheben. Rechtzeitig sind gemäß § 14 Abs. 2 der 9. BImSchV nur solche Einwendungen, die innerhalb dieser Einwendungsfrist bei der Behörde eingehen und darüber hinaus hinreichend substantiiert sind.(Fußnote) Sie sind schriftlich bei der Genehmigungsbehörde (oder ggf. bei der Stelle der Einsichtnahme) unter Angabe von Namen und Unterschrift einzureichen. Dabei kann der Einwender allerdings nach Maßgabe des § 11 der 9. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes die Unkenntlichmachung seiner Identität gegenüber der Behörde und dem Antragsteller verlangen.

Sofern Einwendungen ordnungsgemäß erhoben wurden, sind diese von der Behörde gemäß § 10 Abs. 6 BImSchG gemeinsam mit dem Antragsteller und dem Einwender zu erörtern. Dazu müssen sie gemäß § 16 Abs. 2 BImSchG i.V.m. § 16 der 9. BImSchV

  • rechtzeitig erhoben und
  • nicht zurückgenommen worden sein und
  • nicht auf privatrechtlichen Titeln beruhen.

Der Erörterungstermin hat gemäß § 14 der 9. BImSchV eine doppelte Zielrichtung: die Erweiterung der Entscheidungsgrundlage für die Behörde und das rechtliche Gehör für die Einwender.(Fußnote)

Der Termin ist grundsätzlich öffentlich (§ 18 Abs. 1 S. 1 der 9. BImSchV), sodass auch Personen teilnehmen können, die keine Einwendungen erhoben haben. Eine ausnahmsweise Einschränkung der Öffentlichkeit ist jedoch gemäß § 18 Abs. 1 S. 2 der 9. BImSchV möglich. Obgleich die sachliche Auseinandersetzung mit den Einwendungen dies zweckmäßig erscheinen lässt, besteht keine Anwesenheitspflicht der Einwender während der Erörterung. Folglich ergehen aus einer Abwesenheit auch keine negativen Konsequenzen, wie beispielsweise eine Präklusion oder der Verlust der Klagebefugnis.(Fußnote) Eine Diskussion und ein daraus resultierender Konsens sind jedoch nur bei einer entsprechenden Teilnahme aller Beteiligten möglich. Ein Anspruch auf eine solche Diskussion besteht jedoch nicht,(Fußnote) gleichwohl erhält der Antragsteller die Möglichkeit, das beantragte Vorhaben entsprechend zu modifizieren.(Fußnote)

Eröffnet, geleitet und geschlossen wird der Erörterungstermin von einem zum Verhandlungsleiter bestimmten Vertreter der Genehmigungsbehörde (§ 18 Abs. 1 S. 2 der 9. BImSchV). Dieser soll sicherstellen, dass der Zweck des Termins bestmöglich erreicht wird.(Fußnote) Dem Verhandlungsleiter kommen zudem sitzungspolizeiliche Befugnisse gemäß § 18 Abs. 4 der 9. BImSchV) sowie die Pflicht zu, eine Niederschrift des Termins gemäß § 19 der 9. BImschV zu erstellen.

Nach § 18 Abs. 5 S. 1 der 9. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes ist der Erörterungstermin zu schließen, wenn die einzelnen Einwendungen gegen die Genehmigungsfähigkeit erörtert worden sind und somit der Zweck des Termins erreicht wurde; dies bedeutet jedoch nicht, dass eine abschließende Stellungnahme zu den Einwendungen erforderlich ist.(Fußnote)

4.1.2.2 Das vereinfachte Genehmigungsverfahren

Wie bereits eingangs erwähnt, sieht das Bundes-Immissionsschutzgesetz neben dem soeben erläuterten formellen Verfahren auch ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren gemäß § 19 BImSchG vor. Wann das lediglich vereinfachte Verfahren zur Anwendung kommt, bestimmt sich nach dem Anhang 1 zur 4. BImSchV. Gemäß § 19 Abs. 2 BImSchG besteht die "Vereinfachung" im Wesentlichen darin, dass

  • keine Öffentlichkeitsbeteiligung stattfindet und dass
  • Einwendungen im technischen Sinne weder möglich noch geboten sind.

Insbesondere entfallen im vereinfachten Verfahren die Publizitätsbestimmungen, etwa die Bekanntmachung des Vorhabens, die Auslegung des Antrags und der Unterlagen, der Erörterungstermin sowie die Bekanntmachung des Bescheids gegenüber Dritten.(Fußnote) Diese fehlende Beteiligung schließt jedoch nicht aus, dass Dritte nach den allgemeinen verwaltungsrechtlichen Bestimmungen hinzuzuziehen und anzuhören sind.(Fußnote)

Da nicht nur Vollgenehmigungen, sondern auch Teil- und Änderungsgenehmigungen sowie Vorbescheide im vereinfachten Verfahren erteilt werden können, sind unter Umständen die in der 9. BImSchV geregelten Besonderheiten zu beachten:

  • für die Teilgenehmigung: § 8 BImSchG i.V.m. § 22 der 9. BImSchV,
  • für Änderungsgenehmigungen: § 16 BImSchG,
  • für Vorbescheide: § 9 BImSchG i.V.m. § 23 der 9. BImSchV.(Fußnote)

Zu berücksichtigen sind ferner die besonderen landesrechtlichen Verwaltungsvorschriften zur Genehmigungspraxis.(Fußnote) Die Konzentrationswirkung aus § 13 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes gilt hingegen auch für Genehmigungen, die im Wege des vereinfachten Verfahrens erteilt wurden.

4.1.3 Verfahrensfehler

Verfahrensnormen stellen grundsätzlich keine Schutznormen dar, da sie lediglich die Herstellung einer richtigen Sachentscheidung ermöglichen und ihnen daher keine eigenständige Bedeutung zukommt.(Fußnote) Somit führen Verfahrensfehler seitens der Behörde nicht per se zur Rechtswidrigkeit der Genehmigungsentscheidung oder zu einem Aufhebungsanspruch.(Fußnote) Dementsprechend enthält § 45 VwVfG eine Heilungsmöglichkeit für eine Vielzahl dieser Fehler vor und schließt in § 46 VwVfG gleichzeitig einen Aufhebungsanspruch aus, sofern offensichtlich ist, dass der Fehler die Sachentscheidung nicht beeinflusst hat.(Fußnote) Andernfalls greifen die Rechtsschutzmöglichkeiten Dritter, die unter 6.2 näher erörtert werden.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die Anlagengenehmigung nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz“ von Olaf Bühler, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, und Niklas Gatermann, LL.M. of German and Polish Law und deutsche Rechtswissenschaften an der Europa-Universität Viadrina, Magister des Polnischen Rechts an der Adam-Mickiewicz-Universität Poznan, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2016, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-58-8.


 

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Stand: Januar 2016


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