Die Gesellschafterversammlung: Ein Leitfaden – Teil 21 – Rechtsschutz gegen fehlerhafte Gesellschafterbeschlüsse

8.5 Rechtsschutz gegen fehlerhafte Gesellschafterbeschlüsse

Im Folgenden geht es darum, wie ein Gesellschafter Beschlussmängel geltend machen und nötigenfalls gerichtlich durchsetzen kann.

In Betracht kommt hierzu die

  • interne Geltendmachung
  • Anfechtungsklage
  • Nichtigkeitsklage
  • Beschlussfeststellungsklage
  • Feststellungsklage
  • einstweiliger Rechtsschutz

8.5.1 Interne Geltendmachung

Zunächst sollte die Fehlerhaftigkeit gesellschaftsintern gerügt und auf die Heilung des Fehlers[1] oder Aufhebung des Beschlusses[2] hingewirkt werden.[3] Der Gesellschaftsvertrag kann hierfür Fristen vorsehen. Zu beachten ist jedoch, dass sich dies nicht auf die gerichtlichen Fristen auswirkt; diese sind folglich zwingend einzuhalten. Die interne Klärung von fehlerhaften Beschlüssen kann einen Gerichtsprozess obsolet machen.

Beispiel
Gesellschafter A beanstandet, dass ein festgestellter Beschluss nicht mit der notwendigen Mehrheit gefasst wurde.

  • Um die Fehlerhaftigkeit zu heilen, stimmt die Gesellschafterversammlung erneut über den Beschlussantrag ab.

8.5.2 Anfechtungsklage gemäß § 246 AktG analog

Anfechtbare Beschlüsse sind solange wirksam, bis rechtskräftig festgestellt wurde, dass sie unwirksam sind.[4] Prozessual wird die Wirksamkeit im Wege der Anfechtungsklage geprüft. Das GmbH-Recht trifft für die Anfechtungsklage keine eigenen Regelungen, sodass die Instrumentarien des Aktienrechts entsprechende Anwendung finden.

Gegenstand einer Anfechtungsklage kann jeder Beschluss einer Gesellschafterversammlung sein.
Für gesellschaftsrechtliche Anfechtungsklagen ist ausschließlich das Landgericht am satzungsmäßigen Sitz der Gesellschaft zuständig (§ 246 Abs. 3 S. 1 AktG analog).[5] Der Gesellschafter muss sich von daher durch einen Anwalt vertreten lassen.

8.5.2.1 Kläger und Beklagter

Klageberechtigt sind ausschließlich Gesellschafter. Geschäftsführern, Aufsichtsräten und anderen Organen kann durch den Gesellschaftsvertrag ein Anfechtungsrecht eingeräumt werden.[6] Eine Teilnahme an der fraglichen Gesellschafterversammlung oder die vorherige Erhebung eines Widerspruchs sind nicht notwendig.[7]

Beispiel
Im Gesellschaftsvertrag der X GmbH ist geregelt, dass auch der Aufsichtsratsvorsitzende V Beschlüsse anfechten kann. V liest im Protokoll von einem Beschluss, mit dem er ganz und gar nicht einverstanden ist.

  • V kann eine Anfechtungsklage erheben, auch wenn er in der fraglichen Sitzung nicht anwesend war.
    Die Anfechtungsbefugnis des Gesellschafters entfällt, wenn er
  • den Beschluss nachträglich (ggf. auch nur durch schlüssiges Verhalten) gebilligt
  • wirksam auf ein Rechtsmittel verzichtet hat oder
  • die Anfechtung rechtsmissbräuchlich ist.[8]

Beispiel
V weiß, dass seine Klage keinerlei Aussicht auf Erfolg hat, möchte die Geschäftsführung jedoch durch das Gerichtsverfahren lähmen.

  • Die Klage ist rechtsmissbräuchlich und daher unzulässig.

Das Gericht kann in Bezug auf einen Streitgegenstand nur einmal entscheiden. Sofern also mehrere Gesellschafter gegen einen Beschluss - gemeinsam oder individuell - vorgehen, bilden sie eine notwendige Streitgenossenschaft (§ 62 ZPO). Wenn der Kläger gleich mehrere Beschlüsse einer Gesellschafterversammlung anficht, wird das Gericht die Prozesse zur gemeinsamen Behandlung miteinander verbinden (§ 246 Abs. 3 S. 5 AktG analog).
Die Klage muss sich gegen die Gesellschaft richten.

Die Gesellschaft wird im Prozess durch den Geschäftsführer vertreten (§ 35 Abs. 1 S. 1 GmbHG). Ist der Kläger selbst einziger Geschäftsführer, wird für die GmbH ein besonderer Vertreter durch die Gesellschafterversammlung zu bestellen sein (§ 46 Nr. 8 GmbHG i.V.m. § 29 BGB oder § 57 ZPO).[9]

Beispiel
G ist einziger Geschäftsführer der X GmbH. Er erhebt Anfechtungsklage gegen einen Beschluss der Gesellschafterversammlung.

  • Die Gesellschafterversammlung muss für diesen Prozess einen besonderen Vertreter bestellen.

Die Gesellschaft muss die nicht am Prozess beteiligten Gesellschafter über die Tatsache, dass Klage gegen sie erhoben wurde, sowie den Termin zur mündlichen Verhandlung und das Recht zum Prozessbeitritt informieren.[9]


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die Gesellschafterversammlung: Ein Leitfaden“ von Harald Brennecke, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, und Dipl.-Jur. Marc Schieren, M. L. E., mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2016, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-50-2.


 

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Stand: Januar 2016


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Über die Autoren:

Harald Brennecke, Rechtsanwalt

Portrait Harald-Brennecke

Rechtsanwalt Harald Brennecke ist Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Fachanwalt für Insolvenzrecht.

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  • Liquidation von Gesellschaften
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  • Sanierung, Insolvenzvermeidung und Insolvenzbegleitung:
    Harald Brennecke ist seit 1999 im Bereich der Unternehmenssanierung tätig. Als Fachanwalt für Insolvenzrecht berät und begleitet er Sanierungen und betreut Geschäftsführer und Gesellschafter bei Firmeninsolvenzen. Er unterstützt Geschäftsführer in der Unternehmenskrise hinsichtlich der für sie bestehenden Haftungsrisiken sowie Gesellschafter im Interesse der Wahrung der Unternehmenswerte. Er unterstützt bei der Suche nach Investoren und Wagniskapitalgebern (venture capital), begleitet Verhandlungen und erstellt Investorenverträge.


Rechtsanwalt Harald Brennecke hat im Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht veröffentlicht:

  • "Das Recht der GmbH", Verlag Mittelstand und Recht, 2015, ISBN 978-3-939384-33-5
  • "Der Gesellschaftsvertrag der GmbH - Die GmbH-Satzung in Theorie und Praxis", 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-40-3
  • "Der Unternehmenskauf -  Rechtliche Risiken bei Kauf und Verkauf mittelständischer Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-18-2
  • "Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-29-8
  • "Gesellschaftsrecht in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-26-7
  • "Die Limited in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-34-2
  • "Der Insolvenzplan – Sanierungsinstrument in der Insolvenz", 2007, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-03-8
  • "Die Regelinsolvenz - Insolvenz für Unternehmer und Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-07-6
  • "Gesellschafterinteressen in der Publikums-KG: Auskunftsrechte der Kommanditisten einer Publikums-KG gegen Treuhänder“, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-28-1
  • "Die Gesellschafterversammlung: Ein Leitfaden", Harald Brennecke und Dipl.-Jur. Marc Schieren, M. L. E., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-50-2
  • "Arztpraxis – Kauf und Übergang", Harald Brennecke und Michael Kaiser, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-54-0

Folgende Veröffentlichungen von Rechtsanwalt Brennecke sind in Vorbereitung:

  • Die Due Diligence – Rechtliche Prüfung beim Unternehmenskauf
  • Die Liquidation der Kapitalgesellschaft
  • Die Unternehmergesellschaft (UG)

Harald Brennecke ist Dozent für Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht im DeutscherAnwaltVerein.  
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:

  • Gesellschaftsrecht für Steuerberater und Unternehmensberater – Grundlagen des Gesellschaftsrechts
  • Gesellschaftsvertragsgestaltung – Grundlagen und Risiken
  • Die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) – kleine Chance, großes Risiko
  • Welche Gesellschaftsform ist die Richtige? Vor- und Nachteile der Rechtsformen für Unternehmer
  • Geschäftsführerhaftung – Geschäftsführung von Kapitalgesellschaften; das letzte große Abenteuer der westlichen Zivilisation
  • Insolvenzrecht für Gründer und lebende Unternehmen: Aus Insolvenzen anderer lernen heißt das eigene Insolvenzrisiko zu vermeiden
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  • Insolvenzrecht für Steuerberater – Grundlagen des Insolvenzrechts für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer
  • Insolvenzrecht für Unternehmensberater – Sanierungschancen erkennen und wahren
  • Insolvenzberatung: das (enorme) Haftungsrisiko des Sanierungsberaters

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