Die Anlagengenehmigung nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz – Teil 17 – Andere öffentlich-rechtliche Vorschriften und Belange des Arbeitsschutzes


4.2.1.2 Andere öffentlich-rechtliche Vorschriften und Belange des Arbeitsschutzes

Neben den Regelungen des Immissionsschutzrechts unterliegt eine genehmigungsbedürftige Anlage einer Vielzahl an weiteren öffentlich-rechtlichen Anforderungen, die sich aus unterschiedlichen Rechtsgrundlagen ergeben und im Folgenden dargestellt werden sollen.


4.2.1.2.1 Öffentliches Baurecht

Dem öffentlichen Baurecht kommt hinsichtlich der immissionsschutzrechtlichen Anlagengenehmigung eine besondere Bedeutung zu. Innerhalb des öffentlichen Baurechts werden die Teilbereiche des Bauplanungsrechts und des Bauordnungsrechts unterschieden. Dabei regelt das Bauplanungsrecht insbesondere die Anforderungen an den Standort der Anlage. Das Bauordnungsrecht hingegen betrifft die baulich-technischen Anforderungen und regelt insbesondere die Errichtung und die Nutzung baulicher Anlagen sowie die Gefahrenabwehr.

4.2.1.2.1.1 Bauplanungsrecht

Das Bauplanungsrecht ist im Wesentlichen im Baugesetzbuch (BauGB)[1] und der Baunutzungsverordnung (BauNVO)[2] geregelt. Im Hinblick auf eine immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Anlage ist dieser Teilbereich des Baurechts für die Standortfrage relevant.

Das Bauplanungsrecht enthält für Bauvorhaben eine zweistufige Regelung. Zunächst ist zu ermitteln, ob die Gemeinde für den vorgesehenen Anlagenstandort einen Bebauungsplan erlassen hat. In diesem Fall richtet sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit im Wesentlichen nach § 30 BauGB.[3] Besteht kein Bebauungsplan, gilt die insbesondere in den §§ 34, 35 BauGB festgelegte bodenrechtliche Grundregelung.[4]

4.2.1.2.1.1.1 Vorhaben innerhalb eines Bebauungsplans

Ist der Anlagenstandort im Bereich eines Bebauungsplans gelegen, kann die Anlage genehmigt werden, wenn sie den Festsetzungen des Plans nicht widerspricht und ihre Erschließung gesichert ist.[5] Die Art der baulichen Nutzung im Sinne des § 30 BauGB ist dabei in der BauNVO nach Gebietstypen klassifiziert. Die Errichtung bzw. der Betrieb immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftiger Anlagen ist regelmäßig nur in Industriegebieten (§ 9 BauNVO) zulässig.[6] In Gewerbegebieten nach § 8 BauNVO ist ein solches Vorhaben hingegen grundsätzlich unzulässig.[7] Im Bereich eines Bebauungsplans ist außerdem bedeutsam, dass Bebauungspläne auch der Vorsorge i.?S.?d. § 5 Abs.1 Nr.2 dienen können.[8]

4.2.1.2.1.1.2 Vorhaben in einem unbeplanten Innenbereich

§ 34 BauGB regelt die Zulässigkeit von Vorhaben innerhalb von im Zusammenhang bebauten Ortsteilen (sog. "unbeplanter Innenbereich"). Die Vorschrift enthält somit eine Ausnahme vom Grundsatz, dass die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke in der Gemeinde durch die Bauleitplanung vorbereitet und geleitet wird (§ 1 Abs. 1 BauGB).[9] Im unbeplanten Innenbereich kommt es auf die tatsächliche Situation an: entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete der Baunutzungsverordnung, gelten gem. § 34 Abs. 2 BauGB die Ausführungen zu den Vorhaben im Bereich eines Bebauungsplans (s.o., 4.2.1.2.1.1.1).

4.2.1.2.1.1.3 Vorhaben im Außenbereich

Im Außenbereich nach § 35 BauGB sind genehmigungsbedürftige Anlagen regelmäßig zulässig, wenn es sich um privilegierte Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 1 BauGB handelt.[10] Dies gilt insbesondere für Anlagen, die gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB wegen ihrer nachteiligen Wirkung auf die Umgebung in den Außenbereich gehören. Da allerdings das Bauen im Außenbereich nur in Ausnahmefällen zulässig sein soll, sind die Privilegierungstatbestände in Abs. 1 eng auszulegen.[11]

Bei der Entscheidung nach § 35 Abs. 1 BauGB steht der Genehmigungsbehörde kein Ermessen zu, sodass ein Rechtsanspruch auf Zulassung des Vorhabens besteht, sofern die sonstigen genannten Voraussetzungen erfüllt sind, also

  • öffentliche Belange nicht entgegenstehen,
  • die ausreichende Erschließung gesichert ist und
  • das Vorhaben den Festsetzungen eines etwaigen einfachen Bebauungsplans nicht widerspricht.[12]

Werden die Vorgaben des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG gewahrt, gehen von dem Vorhaben auch keine schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BauGB aus.[13] Nicht privilegierte Vorhaben sind im Einzelfall gemäß § 35 Abs. 2 BauGB zulässig.


4.2.1.2.1.1.4 Ausnahmen nach § 38 BauGB

Grundsätzlich gelten die obigen Ausführungen auch für immissionsschutzrechtlich relevante Abfallentsorgungsanlagen. § 38 S. 1 BauGB statuiert jedoch eine Ausnahme, sofern

  • eine solche Anlage öffentlich zugänglich und
  • das Vorhaben von überörtlicher Bedeutung ist.

Öffentlich zugänglich ist eine Abfallentsorgungsanlage, wenn ihre Nutzung einem unbestimmten Personenkreis offensteht und daher der Kreis der Anlieferer nicht von vorneherein beschränkt ist.[14] Die überörtliche Bedeutung einer Anlage ist im Einzelfall festzustellen. Eine solche Bedeutung ist jedenfalls dann indiziert, wenn bei einer typisierenden Betrachtung eine nichtgemeindliche, überörtliche Planungszuständigkeit, vor allem aber das Erfordernis der Einbettung eines Vorhabens in einen über das Gebiet der Gemeinde hinausreichenden planerischen Zusammenhang besteht.[15]

Liegen diese Voraussetzungen vor, so ist die Anwendung der §§ 29 - 37 BauGB ausgeschlossen.

4.2.1.2.1.2 Bauordnungsrecht

Das Bauordnungsrecht liegt in der Rechtsetzungskompetenz der Länder, so dass für die bauordnungsrechtlichen Vorschriften auf die jeweiligen Landesbauordnungen zurückzugreifen ist. Innerhalb des Genehmigungsverfahrens gibt die fachlich zuständige Bauaufsichtsbehörde auf Grundlage des § 10 Abs. 5 S. 1 BImSchG eine entsprechende Stellungnahme ab.[16]


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die Anlagengenehmigung nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz“ von Olaf Bühler, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, und Niklas Gatermann, LL.M. of German and Polish Law und deutsche Rechtswissenschaften an der Europa-Universität Viadrina, Magister des Polnischen Rechts an der Adam-Mickiewicz-Universität Poznan, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2016, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-58-8.


 

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Stand: Januar 2016


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