Die Gesellschafterversammlung: Ein Leitfaden – Teil 24 – Feststellungsklage, Einstweiliger Rechtsschutz

8.5.5 Feststellungsklage

Will der Kläger geklärt wissen, ob der Beschluss einer Gesellschafterversammlung rechtlich existent ist, ist die Feststellungsklage (§ 256 ZPO) statthaft.
Fälle, in denen solche Unklarheiten entstehen können, sind insbesondere dann gegeben, wenn der Gesellschaftsvertrag keine förmliche Beschlussfeststellung voraussetzt.[1] Das GmbH-Recht sieht dies anders als das Aktienrecht nicht vor.[2]

Beispiel
Versammlungsleiter V lässt über einen Antrag abstimmen. Nach der Abstimmung geht er sofort zum nächsten Tagesordnungspunkt über. Gesellschafter A ist nicht klar, ob der Beschluss nun gefasst wurde oder nicht.

  • A kann dies im Wege der Feststellungsklage klären lassen.

Die Klage kann sich gegen Ordnungsmaßnahmen des Versammlungsleiters richten, wobei dem Kläger in solchen - sich schnell erledigenden - Fällen regelmäßig das Rechtsschutzbedürfnis fehlen wird.

Hat sich eine Ordnungsmaßnahme darüber hinaus konkret auf die Beschlussfassung ausgewirkt, indem z.B. ein Gesellschafter nicht mitstimmen konnte, ist die betreffende Ordnungsmaßnahme im Wege der Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage anzugreifen.[3][4] Die Feststellungsklage bleibt statthaft, wenn Wiederholung der Maßnahme droht.[5]

Beispiel
Die Redezeit des Gesellschafters A wurde wegen seiner ausschweifenden und vor allem regelmäßig abschweifenden Beiträge auf zwei Minuten je Wortmeldung beschränkt. A ist erbost und will sich nicht das Wort verbieten lassen.

  • Er kann Klage auf Feststellung, dass diese Ordnungsmaßnahme rechtswidrig war, erheben. Die Ordnungsmaßnahme hat sich allerdings mit Schließung der Sitzung erledigt. Rechtsschutzbedürftig ist er daher nur dann, wenn er geltend machen kann, dass die gleiche Maßnahme in der nächsten Gesellschafterversammlung erneut droht.

Die Klage unterliegt grundsätzlich denselben Anforderungen wie die Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage. Sie ist nicht fristgebunden; das Klagerecht kann jedoch verwirkt sein. Der Kläger muss ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung haben. Die Feststellungsklage ist subsidiär gegenüber der Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage und kann daher nur erhoben werden, wenn diese unstatthaft sind.[6]

8.5.6 Einstweiliger Rechtsschutz

Maßnahmen im einstweiligen Rechtsschutz können dazu beitragen, insbesondere Gesellschafterrechte zu sichern, indem verhindert wird, dass eventuell sogar unumkehrbare Zustände geschaffen werden.

Ein Gesellschafter kann ein Interesse daran haben, zu verhindern, dass ein bestimmter Beschluss gefasst wird, wenn ihm bereits bekannt ist, dass zum Beispiel die Einberufung der Gesellschafterversammlung fehlerbehaftet war. In solchen Fällen kann eine einstweilige Verfügung unter der einschränkenden Voraussetzung erlassen werden, dass die Rechts- und Tatsachenlage eindeutig und der Antragsteller überragend schutzbedürftig ist.

Beispiel
A ist Gesellschafter der X GmbH. Die Einladung zur nächsten Gesellschafterversammlung wurde ausweislich des Poststempels erst drei Tage vor dem Sitzungstermin abgeschickt. Er ist entsetzt, schließlich sollen auf dieser Versammlung weitreichende geschäftspolitische Beschlüsse gefasst werden.

  • Er beantragt den Erlass einer einstweiligen Verfügung beim zuständigen Landgericht, damit verhindert wird, dass im Rahmen dieser Gesellschafterversammlung Beschlüsse gefasst werden.

Ist ein fehlerhafter Beschluss bereits gefasst, kann ein Interesse daran bestehen, diesen nicht ausführen oder gar in das Handelsregister eintragen zu lassen. Voraussetzung ist, dass eine Anfechtungsklage fristgerecht erhoben wurde oder wird.[7]

Beispiel
Die Gesellschafterversammlung der X GmbH fasst einen offensichtlich nichtigen Beschluss. Gesellschafter A möchte verhindern, dass der Beschluss umgesetzt wird, weil er die schädlichen Folgen für das Unternehmen fürchtet. Er erhebt Nichtigkeitsklage und beantragt zugleich den Erlass einer einstweiligen Verfügung, die die Ausführung des Beschlusses verhindern soll.

  • Der Antrag hat Aussicht auf Erfolg. Das Gericht wird der Geschäftsführung der X GmbH vorläufig untersagen, den fraglichen Beschluss umzusetzen.

Antragsberechtigt ist jeder, der eine Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage erheben dürfte, also jeder Gesellschafter und jeder sonst durch den Gesellschaftsvertrag hierzu Ermächtigte.[8]
Richtiger Antragsgegner ist die Gesellschaft.[9]

9. Zusammenfassung

Es hat sich gezeigt, dass die Gesellschafterversammlung ein komplexes Verfahren darstellt, in dem eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung ihre unternehmerischen Entscheidungen in Form von Beschlüssen trifft. Die Verfahrensregeln dienen insbesondere dazu, die Rechte jedes Gesellschafters zu sichern.
Dies führt dazu, dass Verstöße gegen die Verfahrensvorschriften in aller Regel die Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit des fehlerbehafteten Beschlusses nach sich ziehen. Dabei drohen viele potentielle Fehlerquellen zu Fallstricken für die Gesellschaft zu werden.
Dennoch empfiehlt es sich, im Gesellschaftsvertrag eigene Regelungen für die Beschlussfassung innerhalb der Gesellschaft zu treffen. Einerseits kann dies einen eigenen Leitfaden für die Durchführung der Gesellschafterversammlung bilden, andererseits können die in diesem Werk empfohlenen Satzungsbestimmungen für einen reibungsloseren Ablauf und für mehr Rechtssicherheit sorgen. Dies setzt allerdings voraus, dass eine Person durch die Gesellschafterversammlung als Leiter führt, die sowohl mit dem GmbH-Recht als auch mit den individuellen Satzungsbestimmungen vertraut ist.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die Gesellschafterversammlung: Ein Leitfaden“ von Harald Brennecke, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, und Dipl.-Jur. Marc Schieren, M. L. E., mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2016, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-50-2.


 

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Stand: Januar 2016


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Rechtsanwalt Harald Brennecke ist Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Fachanwalt für Insolvenzrecht.

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    Harald Brennecke ist seit 1999 im Bereich der Unternehmenssanierung tätig. Als Fachanwalt für Insolvenzrecht berät und begleitet er Sanierungen und betreut Geschäftsführer und Gesellschafter bei Firmeninsolvenzen. Er unterstützt Geschäftsführer in der Unternehmenskrise hinsichtlich der für sie bestehenden Haftungsrisiken sowie Gesellschafter im Interesse der Wahrung der Unternehmenswerte. Er unterstützt bei der Suche nach Investoren und Wagniskapitalgebern (venture capital), begleitet Verhandlungen und erstellt Investorenverträge.


Rechtsanwalt Harald Brennecke hat im Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht veröffentlicht:

  • "Das Recht der GmbH", Verlag Mittelstand und Recht, 2015, ISBN 978-3-939384-33-5
  • "Der Gesellschaftsvertrag der GmbH - Die GmbH-Satzung in Theorie und Praxis", 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-40-3
  • "Der Unternehmenskauf -  Rechtliche Risiken bei Kauf und Verkauf mittelständischer Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-18-2
  • "Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-29-8
  • "Gesellschaftsrecht in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-26-7
  • "Die Limited in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-34-2
  • "Der Insolvenzplan – Sanierungsinstrument in der Insolvenz", 2007, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-03-8
  • "Die Regelinsolvenz - Insolvenz für Unternehmer und Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-07-6
  • "Gesellschafterinteressen in der Publikums-KG: Auskunftsrechte der Kommanditisten einer Publikums-KG gegen Treuhänder“, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-28-1
  • "Die Gesellschafterversammlung: Ein Leitfaden", Harald Brennecke und Dipl.-Jur. Marc Schieren, M. L. E., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-50-2
  • "Arztpraxis – Kauf und Übergang", Harald Brennecke und Michael Kaiser, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-54-0

Folgende Veröffentlichungen von Rechtsanwalt Brennecke sind in Vorbereitung:

  • Die Due Diligence – Rechtliche Prüfung beim Unternehmenskauf
  • Die Liquidation der Kapitalgesellschaft
  • Die Unternehmergesellschaft (UG)

Harald Brennecke ist Dozent für Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht im DeutscherAnwaltVerein.  
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:

  • Gesellschaftsrecht für Steuerberater und Unternehmensberater – Grundlagen des Gesellschaftsrechts
  • Gesellschaftsvertragsgestaltung – Grundlagen und Risiken
  • Die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) – kleine Chance, großes Risiko
  • Welche Gesellschaftsform ist die Richtige? Vor- und Nachteile der Rechtsformen für Unternehmer
  • Geschäftsführerhaftung – Geschäftsführung von Kapitalgesellschaften; das letzte große Abenteuer der westlichen Zivilisation
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  • Insolvenzrecht für Steuerberater – Grundlagen des Insolvenzrechts für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer
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  • Insolvenzberatung: das (enorme) Haftungsrisiko des Sanierungsberaters

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