Die Betriebsvereinbarung – Das Regelungsinstrument der Betriebspartner – Teil 04 – Folgen der Rechtsunwirksamkeit einer Betriebsvereinbarung

2.2. Folgen der Rechtsunwirksamkeit einer Betriebsvereinbarung

Eine unwirksame Betriebsvereinbarung entfaltet keine Rechtswirkung. Aus ihr können weder die Betriebspartner noch die Arbeitnehmer Rechtspositionen herleiten. Als Unwirksamkeitsgründe kommen vor allem die folgenden in Betracht:

  • fehlender oder fehlerhafter Betriebsratsbeschluss (--> 2.1.1).
  • fehlerhafte Stellvertretung (--> 2.1.1).
  • Missachtung des Schriftformerfordernisses (--> 2.1.3).
  • Überschreitung der Regelungskompetenz (--> Kap. 4).
  • Verstoß gegen sonstige Schranken (--> Kap. 5).
  • nichtige Betriebsratswahl.

Die Rechtsunwirksamkeit kann sowohl von Anfang an gegeben sein, als auch erst zu einem späteren Zeitpunkt folgen. Von Bedeutung ist auch, ob die Vereinbarung gänzlich oder nur teilweise unwirksam ist. Schließlich muss auch danach gefragt werden, ob die unwirksame Betriebsvereinbarung in ein wirksames Rechtsgeschäft (z.B. eine arbeitsvertragliche Abrede) umgedeutet werden kann.

2.2.1. Anfängliche Unwirksamkeit

Liegt einer der oben aufgeführten Mängel bereits beim Abschluss der Betriebsvereinbarung vor, so ist sie grundsätzlich als von Anfang an unwirksam zu betrachten. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass Mängel in Bezug auf den Betriebsratsbeschluss oder die Stellvertretung rückwirkend beseitigt werden können (--> 2.1.1).

Beispiel
Der Betriebsrat hat darüber zu beraten, ob eine bestimmte Betriebsvereinbarung mit dem Arbeitgeber abgeschlossen werden soll. In der hierfür anberaumten Sitzung erscheinen lediglich zwei der insgesamt fünf Betriebsratsmitglieder und entscheiden sich für den Abschluss der Vereinbarung. Einige Zeit nach ihrer Unterzeichnung wird die Sitzung mit sämtlichen Mitgliedern des Betriebsrats nachgeholt und ein neuer Beschluss gefasst.

  • Die Betriebsvereinbarung war zunächst schwebend unwirksam. Es fehlte an einem ordnungsgemäßen Beschluss, da hierfür gem. § 33 Abs. 2 BetrVG mindestens die Hälfte der Betriebsratsmitglieder an der Beschlussfassung teilnehmen müssten. Durch den nachgeholten ordnungsgemäßen Beschluss wurde die sie jedoch rückwirkend zum Zeitpunkt ihres Abschlusses wirksam.

2.2.2. Nachträgliche Unwirksamkeit

Denkbar ist auch, dass die Betriebsvereinbarung zunächst wirksam abgeschlossen wird und sich der Grund ihrer Rechtsunwirksamkeit zu einem späteren Zeitpunkt ergibt. Die Vereinbarung wird in einem solchen Fall erst nachträglich unwirksam, sodass deren Rückabwicklung ausgeschlossen ist. Zu dieser Konstellation kommt es bspw. dann, wenn ein nach dem Abschluss der Betriebsvereinbarung zustande gekommener Tarifvertrag die Sperrwirkung gem. § 77 Abs. 3 S. 1 BetrVG entfaltet (--> 5.1).
Ebenso verhält es sich auch, wenn die Betriebsvereinbarung von einem der Betriebspartner erfolgreich angefochten wird. Im Gegenteil zur üblichen Rechtsfolge der Anfechtung, tritt hierbei die Unwirksamkeit der Betriebsvereinbarung nachträglich ein.(Fußnote) Ein weiterer Fall der nachträglichen Rechtsunwirksamkeit liegt auch dann vor, wenn der Mangel zwar schon bei Vertragsschluss vorgelegen hat, der Arbeitgeber aber bereits Leistungen an die Arbeitnehmer auf der Grundlage einer Verpflichtung aus der Betriebsvereinbarung erbracht hat. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kann die Vereinbarung nicht rückwirkend beseitigt werden.(Fußnote)

Beispiel
Die Betriebspartner haben eine Betriebsvereinbarung über die Zahlung einer jährlichen Gratifikation an die Belegschaft abgeschlossen. Nachdem der Arbeitgeber die Gratifikation das zweite Jahr in Folge gewährt hat, stellt sich heraus, dass das Vertragsdokument nicht unterzeichnet worden ist.

  • Die Betriebsvereinbarung ist nicht wirksam zustande gekommen, weil das Schriftformerfordernis durch die fehlende Unterzeichnung des Vertragsdokuments missachtet wurde. Da der Arbeitgeber die vereinbarten Gratifikationen jedoch bereits gewährt hat, kann die Unwirksamkeit in der Folge nur noch für die Zukunft geltend gemacht werden. Eine Rückabwicklung der bereits erbrachten Leistungen ist demnach nicht möglich.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die Betriebsvereinbarung – Das Regelungsinstrument der Betriebspartner“ von Tilo Schindele, Rechtsanwalt, und Alexander Geier, Wirtschaftsjurist LL.B., mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-70-0.


 

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Kontakt: tilo.schindele@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2017


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