Zur Frage der Glaubhaftmachung einer Forderung bei Sozialversicherungsträgern im Falle eines Gläubigerinsolvenzantrags

§ 4 InsO verweist für diese Frage auf § 294 ZPO. Damit genügt für die Glaubhaftmachung eine unter der Schwelle des vollen Beweises liegende überwiegende Wahrscheinlichkeit. Als Mittel der Glaubhaftmachung sind dabei grundsätzlich die allgemeinen Beweismittel der ZPO sowie die Eidesstattliche Versicherung zugelassen. Eine Glaubhaftmachung erfordert jedoch immer präsente Beweismittel, weshalb z.B. Zeugen nur zugelassen sind, wenn sie präsent (nicht erst zu laden) sind. Fraglich ist nun, welche Anforderungen an die Glaubhaftmachung zu stellen sind und ob Behörden hier einen "Vorteil" erhalten sollen.

1. (frühere) Auffassung - für eine Erleichterung der Glaubhaftmachung durch Behörden:

Das OLG Dresden, (7 W 1396/00) hat entschieden, dass bei einem Insolvenzeröffnungsantrag einer ,,Behörde`` wegen ihrer Pflicht zur Objektivität und Unparteilichkeit geringe Anforderungen an die Glaubhaftmachung ihres Vortrages zu stellen sind. Dennoch reicht bei einem Insolvenzantrag eines Sozialversicherungsträgers reicht die blosse – unsubstantiierte – Behauptung,, dass noch ein bestimmter Betrag geschuldet sei, für die Glaubhaftmachung nicht aus. Vielmehr muss dem Insolvenzgericht durch Vorlage des Originals oder einer Ablichtung des Leistungsbescheides oder einer sonstigen Leistungsgrundlage die Prüfung ermöglicht werden, ob es zuständig ist und für welche Zeit und in welcher Höhe rückständige Sozialversicherungsbeiträge geschuldet werden. Das Insolvenzgericht darf sich dann darauf verlassen, dass eine Körperschaft des öffentlichen Rechts die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht aufgrund von Bescheiden beantragt, mit deren Änderung oder Aufhebung ernstlich zu rechnen ist, so das OLG Köln, (2 W 188/99) An die Glaubhaftmachung der Forderungen der Sozialversicherungsträger sind folglich in der Regel geringere Anforderungen zu stellen als an die sonstigen Betroffenen. Zur Glaubhaftmachung dürfte die bloße Vorlage eines Leistungsbescheids regelmässig ausreichen (so auch Kirchhof in HK-InsO § 14, Rdnr. 9).

2. (neuere) Auffassung des BGH - gegen eine Erleichterung der Glaubhaftmachung durch Behörden:

Anderer Ansicht ist jedoch das AG Potsdam, das argumentiert, dass öffentliche Stellen keine ,,Vorrechte`` im Bereich der Glaubhaftmachung gegenüber anderen Gläubigern haben, weil § 14 InsO keine Differenzierung der Gläubiger vornimmt. Daher müssten auch ,,öffentliche Gläubiger`` den Eröffnungsgrund glaubhaft machen. Der Vortrag der Gläubigerin, ihr würden Forderungen aus nicht geleisteten Sozialversicherungsbeiträgen für einen Zeitraum von mehreren Monaten zustehen, genügte dem AG Potsdam für die Glaubhaftmachung eines Insolvenzgrundes nicht.

Der BGH hat diese Frage 2005 eindeutig entschieden. In einem Beschluss hat der BGH klargestellt, dass Sozialversicherungsträger zur Glaubhaftmachung ihrer Forderungen Leistungsbescheide oder Beitragsnachweise der Arbeitgeber vorlegen müssen. Von Finanzämtern wird dementsprechend die Vorlage von Steueranmeldungen oder Steuerbescheiden verlangt.

Daraus folgt:

In Anbetracht der Tragweite eines Insolvenzantrages muss eine Behörde ihre Forderung differenziert darlegen - zumal auch Behörden heute den Segnungen der EDV erlegen sind. Eine Aufsplittung der Beträge nach Zeitraum und Mitarbeiter machen Sozialkassen schliesslich regelmässig, wenn sie Zahlungen aus Insolvenzgeld anmelden - auch wenn sie gegenpüber Insolvenzanwälten immer wieder gerne behaupten, "das könnten sie gar nicht".


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Stand: Februar 2005


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Gericht / Az.: BGH IX ZB 38/05 vom 08.12.2005

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