Arglistiges Verhalten bei Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung

BGH-Urteil vom 14.07.2004, AZ: IV ZR 161/03)

1. Arglistiges Verhalten
Ein Versicherungsnehmer, der eine Berufsunfähigkeitsversicherung abschließen möchte, ist verpflichtet, dem Versicherer „gefahrerhebliche Umstände“, also zum Beispiel Vorerkrankungen oder bestehende Beschwerden mitzuteilen.
Auch wenn der Versicherer im Antragsformular Fragen über den Gesundheitszustand des Versicherungsnehmers stellt, muss dieser auch weitergehende, nicht durch diese Fragen abgedeckte Erkrankungen oder Beschwerden mitteilen.
Arglistig handelt dabei jemand, der vorsätzlich – also absichtlich - falsche Umstände angibt bzw. tatsächliche Umstände vorsätzlich verschweigt. Hinzu kommt, dass er die Erheblichkeit dieses nicht oder falsch genannten Umstandes kennt und billigend in Kauf nimmt, dass der Versicherer über seinen Gesundheitszustand getäuscht wird und dadurch in der Entscheidung über den Abschluss eines Versicherungsvertrags beeinflusst wird.

2. Beweis des arglistigen Verhaltens
Hat ein Versicherungsnehmer bei Vertragsabschluss arglistig falsche Angaben über seinen Gesundheitszustand gemacht, so kann der Versicherer gemäß § 18 VVG a.F. (gem. § 19 VVG n.F. unter besonderen Umständen) vom Versicherungsvertrag zurücktreten.
Kommt es zu einem Rechtsstreit, muss die Arglist des Versicherungsnehmers jedoch bewiesen werden. Diese Beweislast liegt nach Auffassung des BGH nicht beim Versicherungsnehmer, sondern beim Versicherer selbst. Da dieser vom Vertrag zurücktreten möchte, muss er die Arglist des Versicherungsnehmers auch beweisen.
Außerdem besteht durchaus die Möglichkeit, dass sich der Versicherungsnehmer durch die Fragen des Versicherers, die im Antragsformular beantwortet werden müssen nicht mehr dessen bewusst ist, dass er auch weitergehende Erkrankungen oder Beschwerden angeben muss. Man kann daher auf keinen Fall davon ausgehen, dass er seine Pflicht absichtlich verletzt hat.

3. Folgen eines arglistigen Verhaltens
Der Versicherer kann, sofern das arglistige Verhalten bewiesen ist, den Versicherungsvertrag anfechten oder zurücktreten.

a) Anfechtung
Ficht der Versicherungsnehmer den Vertrag nach den §§ 123 BGB, 22 VVG an, und sind die entsprechenden Voraussetzungen gegeben, so wird der Vertrag von Anfang an nichtig. Ein Versicherungsschutz besteht damit nicht mehr.
Eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung ist im Einzelnen möglich, wenn die Voraussetzungen des § 123 BGB vorliegen.
Danach muss der Versicherer durch arglistige Täuschung dazu gebracht worden sein, seine Willenserklärung abzugeben, also den Versicherungsvertrag abzuschließen. Dies bedeutet, dass der Getäuschte den Vertrag ohne die Täuschung nicht oder mit anderem Inhalt, also beispielsweise mit höheren Versicherungsprämien, abgeschlossen hätte.
Auch dies muss der Anfechtende – also hier der Versicherer – beweisen.
Eine Täuschung kann die Vorspiegelung oder Entstellung von Tatsachen sein oder durch Verschweigen von Tatsachen entstehen. Außerdem ist erforderlich, dass der Täuschende arglistig handelt, also den Willen hat, den anderen zu täuschen. Weitere Voraussetzung einer Anfechtbarkeit wegen arglistiger Täuschung ist die Einhaltung einer Anfechtungsfrist. Diese beträgt § 124 BGB zufolge ein Jahr ab dem Zeitpunkt, in dem der Getäuschte die Täuschung entdeckt.

b) Rücktritt
Gelingt es dem Versicherer zu beweisen, dass der Versicherungsnehmer Vorerkrankungen oder Beschwerden arglistig verschwiegen hat, kann er zurücktreten.
Tritt der Versicherer zurück, hat dies nicht zur Folge, dass die Versicherung sämtliche bisher bezahlten Prämien des Versicherungsnehmers zurückzahlen muss. Vielmehr ist er gesetzlich hierzu gem. § 40 VVG a.F. (§ 39 VVG n.F.) ausdrücklich nicht verpflichtet.
Ist der Versicherungsfall bereits eingetreten, so muss der Versicherer grundsätzlich im Ergebnis trotzdem leisten, also die Berufsunfähigkeitsrente auszahlen (§ 21 VVG a.F:). Hier gelten jedoch zwei Ausnahmen: Wenn das Verschweigen des Versicherungsnehmers Einfluss auf den Eintritt des Versicherungsfalls gehabt hat, er also früher als zu erwarten gewesen wäre eingetreten ist, entfällt die Leistungspflicht des Versicherers. Gleiches gilt, wenn das Verschweigen Einfluss auf den Umfang der Leistung des Versicherers gehabt hat.
Seit 1.1.2008 ist gem. § 21 Abs. 2 VVG n.F. bei Vorliegen von Arglist seitens des Versicherungsnehmers die Leistungsverpflichtung ausgeschlossen.


Kontakt: brennecke@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: 02.2011


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Über die Autoren:

Harald Brennecke, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz

Portrait Harald-Brennecke

Rechtsanwalt Harald Brennecke ist im Datenschutzstrafrecht als Strafverteidiger tätig.

Rechtsanwalt Brennecke hat zum Datenschutzrecht veröffentlicht:

  • „17 UWG – Betriebsgeheimnisse und Verrat durch (ehemalige) Mitarbeiter“, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-38-0
  • "Einführung in das Datenschutzrecht", Kapitel im E-Business Handbuch für Entscheider, 2. Aufl., ISBN 3.540-43263-9, 2002, Springer-Verlag

Folgende Veröffentlichung von Rechtsanwalt Brennecke ist in Vorbereitung:

  • Einführung in das Datenschutzstrafrecht

Rechtsanwalt Brennecke war an der IHK Karlsruhe als Dozent für Datenschutzrecht tätig. Er ist Dozent für Datenschutzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.

Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare zu den Themen:

  • Schutz von Kundenadressen und Geschäftsgeheimnissen – 17 UWG in Theorie und Praxis
  • Datenschutzstrafrecht
  • Datenschutz in Franchisesystemen – Die unterschätzte Gefahr für Franchisesysteme

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