Asbestsanierung: Verletzungen gefahrstoffrechtlicher Pflichten

Sachverhalt:

Der Betroffenen ist Geschäftsführer einer GmbH, deren Geschäftszweck die Projektierung und Ausführung aller zusammenhängenden Bereiche in Zentralheizung- und Lüftungsbau sowie bei Gas- und Wasserinstallationen ist.

Das Unternehmen erhielt den Auftrag, mehrere nicht mehr benötigte Heizkörper abzunehmen und im Heizraum Leistungsänderungen vorzunehmen. Der Betroffenen besichtigte die Baustelle mit dem örtlichen Bauleiter. Im Zuge der Besichtigung schätzte der Betroffene das Alter der Innenausstattung der Wand- und Deckenverkleidung mit ca. 15 bis 20 Jahren ein, und wusste, dass damals Blauasbest verarbeitet wurde. Der Betroffene unterließ es aber aus mangelnder Sorgfalt festzustellen, ob seine Arbeitnehmer durch das entfernen der Wand und Deckenverkleidungen einer gesundheitlichen Belastungen durch krebserregende Asbestmaterialien ausgesetzt sind. Auf Grund seiner Kenntnisse und Erfahrungen lag es für den Betroffenen nahe, dass im Zuge des Neuausbaus auch Wand- und Deckenverkleidungen entfernt und damit Blauasbest freigesetzt würde.

Zwei seiner Mitarbeiter waren im inneren des Gebäudes mit der Entfernung von Heizkörpern und Arbeiten an Rohrleitungen beschäftigt. Zum gleichen Zeitpunkt war bereits die gesamte Wand- und Deckenverkleidungen entfernt, wodurch von Arbeitnehmern anderer Firmen Blauasbest freigesetzt wurde. Der Blauasbest wurde im Innenraum als auch im öffentlichen Verkehrsraum vor dem Gebäude breitflächig verteilt. Da die Arbeitnehmer des Betroffenen mit keinen Schutzausrüstungen ausgestattet waren, wurden sie dem besonders gefährlichen, krebserzeugenden Gefahrstoff Krokydolith - sprich Blauasbest - ausgesetzt.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen einer fahrlässige Ordnungswidrigkeit der Verletzung einer Gefahrstoff rechtlichen Pflicht zu einer Geldbuße verurteilt. Die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde des Betroffenen hatte vorläufigen Erfolg.

Entscheidung:

Das bayerische Oberlandesgericht stellte fest, dass die Verurteilung wegen einer fahrlässig begangenen Ordnungswidrigkeit der Gefahrstoffsaussetzung von Arbeitnehmern nach § 26 Abs. 1 Nr. 8 b ChemG, §§ 50 Abs.1 Nr.1, 15a Abs.1 S.1 GefStoffV einer rechtlichen Überprüfung nicht standhält.

Das Gericht führt zwar zunächst aus, dass die Vorinstanz zu Recht den Betroffenen als Normadressat des Beschäftigungsverbots des § 15 a GefStoffV angesehen und eine Sorgfaltspflichtverletzung des Betroffenen bejaht hat. Auch derjenige Arbeitgeber, dessen Sanierungsarbeiten nicht auf das Entfernen von asbesthaltigen Materialien abzielen, kann Normadressat des Beschäftigungsverbots seien. Für den Betroffenen war es erkennbar, das umfangreiche Renovierungsarbeiten an einem älteren Gebäude bevorstanden, die auch von anderen Firmen vorgenommen werden sollten. Auf Grund seiner richtigen Einschätzung des Alters der Wand- und Deckenverkleidung musste er davon ausgehen, dass Asbest verarbeitet worden sein könnte. Damit unterlag der Betroffenen zunächst der Ermittlungspflicht nach § 16 Abs. 4 GefStoffV.

Eine derartige Pflicht folgt insbesondere bei Zusammentreffen von Aufträgen verschiedener Arbeitgeber auch aus Nr. 5.4.4 II der TRGS 519. Hiernach ist ein Arbeitgeber, der Aufträge annimmt und dessen Durchführung zeitlich und örtlich mit Aufträgen anderer Arbeitgeber oder Dritter zusammenfällt, verpflichtet, sich mit den anderen Arbeitgebern, der übergeordneten Bauleitung oder Dritter abzustimmen, so weit dies zur Vermeidung einer gegenseitigen Gefährdung erforderlich ist.

Ein Verstoßes gegen § 15 Abs. 1 S.1 GefStoffV kann vorliegend nicht festgestellt werden. Zwar darf ein Arbeitgeber Arbeitnehmer nach dieser Vorschrift nicht Asbest aussetzen, die Bestimmungen gilt aber gemäß Satz 2 Nr. 1 nicht für Abbruch-, Sanierung- oder Instandhaltungsarbeiten u.a. die Asbest enthalten, so weit die Einhaltung des Gebots gemäß Satz 1 nach dem Stand der Technik nicht möglich ist.

Die Möglichkeit der Gefahrstoffsfreisetzung muss im Hinblick auf die Art der konkret durchzuführenden Sanierungsarbeiten beurteilt werden. Sind diese Arbeiten ohne Gefahrstofffreisetzung nicht möglich bzw. durchführbar, so gilt die Ausnahmevorschrift uneingeschränkt. Waren die Arbeiten ihrer Art nach ohne eine Freisetzung möglich, so bleibt es bei dem Verbot des Satz 1, Arbeitnehmer Gefahrstoffen auszusetzen. Bezogen auf den vorliegenden Fall bedeutet das, das ein Verstoß gegen § 15 Abs. 1 Satz 1 im Hinblick auf die von den anderen Firmen durchgeführten Arbeiten vorliegt, wenn der Betroffene ohne eigenen Eingriff in die asbesthaltigen Decken- und Wandverkleidungen die Heizkörper entfernen und die Leitungen im Heizraum ändern konnte. Waren jedoch die von ihm durchzuführenden Arbeitern ohne einen solchen Eingriffs nicht möglich, so liegt kein Verstoß gegen § 15 a Abs. 1 Satz 1 GefStoffV vor. Vielmehr wären dann Verstöße gegen §§ 15 a III, IV; 39 I 1; 50 I Nr.3, 4 und 22 GefStoffV, jeweils i. V. m. § 26 I Nr. 8b ChemG zu prüfen.

Ob vorliegend die vom Betroffenen durchzuführenden Arbeiten ohne Eingriff in die Decken- und Wandverkleidung möglich waren, lässt sich aufgrund der Berechtigung des Tatrichter nicht klären. Das bayerische Oberlandesgerichte hob aus den dargelegten Gründen das Urteil auf. Die Sache, die weitere Feststellungen bedurfte, oder an einen anderen Richter des Amtsgerichts zurückverwiesen.


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Stand: September 2005


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