Restschuldbefreiung: Wohlverhaltensperiode, Teil 3 - Obliegenheiten - Arbeitsverpflichtung - angemessene Tätigkeit

Dem abhängig beschäftigten Schuldner werden – je nach dem, ob er eine Beschäftigung ausübt oder nicht – verschiedene Verpflichtungen auferlegt. - Der Schuldner muss eine angemessene Beschäftigung ausüben, wenn er einer Arbeit nachgeht - Der Schuldner muss sich um eine angemessene Tätigkeit bemühen, wenn er beschäftigungslos sein sollte - Der Schuldner darf eine zumutbare Tätigkeit nicht ablehnen, wenn er beschäftigungslos ist  Bei allen drei Fallgruppen ist zu beachten, dass in dem Restschuldbefreiungsverfahren der InsO die höchstmögliche Gläubigerbefriedigung stets im Vordergrund steht. Der arbeitslose Schuldner z.B. wird gegenüber der Bundesagentur für Arbeit unter Umständen sehr wohl einen Umschulungs- oder Fortbildungsanspruch haben. Die Gläubiger jedoch, werden die Umschulung – zu Recht – nur dann für angemessen halten, wenn sie selbst innerhalb der Wohlverhaltensperiode finanziell von dieser Maßnahme profitieren werden. Beim selbständigen Schuldner gelten diese Vorschriften analog mit der Folge, dass er seine Gläubiger durch Zahlungen an den Treuhänder so zu stellen hat, wie sie stehen würden wenn er einer angemessenen abhängigen Beschäftigung nach gehen würden.

Angemessene Beschäftigung

Der Begriff der angemessenen Erwerbstätigkeit beinhaltet sowohl eine zeitliche als auch eine finanzielle Komponente. Zeitlich angemessen ist grundsätzlich die Vollbeschäftigung. Die Wochenarbeitszeit dürfte bei der Vollzeitbeschäftigung – abhängig von den tarifvertraglichen oder betrieblichen Regelungen – zwischen 35 und 40 Stunden liegen.

Beispiel:
Schuldner Schubert (Maurermeister) trägt morgens Zeitungen aus. Einer anderen Beschäftigung geht er nicht nach. Er sagt sich aber, dass es sich hier um eine Vollzeitbeschäftigung handelt, da jeder Zeitungsausträger nur von 4 – 7 Uhr Morgens arbeitet. Hier irrt Schubert, da es sich um eine Tätigkeit handeln muss, die zeitlich angemessen ist. Zeitlich angemessen wäre für ihn als Maurermeister eine Tätigkeit auf einer Baustelle von 8 Stunden täglich.

Finanziell angemessen ist eine Tätigkeit, mit welcher der Schuldner Einnahmen erzielt, die als üblich anzusehen sind und so beispielsweise den tarifvertraglichen Regelungen entsprechen.

Beispiel:
Schuldner Schubert (Maurermeister) trägt morgens Zeitungen aus. Einer anderen Beschäftigung geht er nicht nach. Er sagt sich, dass jeder Zeitungsausträger ca. 6,70 pro Stunde verdient. Aus diesem Grund arbeite er angemessen. Hier irrt Schubert erneut, da es sich die Angemessenheit der Bezahlung auch an seiner Qualifikation orientiert. Als Mauermeister hätte er einen Stundenlohn von 23,- €. Dies zeigt, dass 6,70 € kein angemessenes Arbeitsentgelt darstellt.

Die Angemessenheit einer Beschäftigung folgt ferner aus:

  • der Ausbildung und somit verbundenen Qualifikation,
  • dem Lebensalter,
  • dem bereits zurückgelegten Lebensweg,
  • dem Gesundheitszustand,
  • der beruflichen Erfahrung,
  • der familiären Situation.

Eine grundsätzliche Verpflichtung zur Übernahme einer Vollzeitstelle kann allerdings eingeschränkt sein. Eine Einschränkung kommt beispielsweise aufgrund gesundheitlicher Gründe in Betracht. Ein weiterer Grund hierfür kann sein, dass erziehungspflichtige Kinder zu betreuen sind. Der Schuldner kann sich allerdings nur dann auf die Erziehungsverpflichtung der Kinder berufen, wenn die Betreuung der Kinder nicht durch den anderen Elternteil gewährleistet werden kann. Beispiel: Schuldner Schubert sagt, dass er nur halbtags arbeiten könne, da er nachmittags zuerst seine Kinder aus dem Kindergarten abholen müsse und sich später dann um sie kümmern und sie beaufsichtigen muss. Sofern Schubert alleinerziehend ist, könnte diese Argumentation schlüssig sein. Ist allerdings Schuberts Ehefrau Hausfrau, so könnte diese Halbtagstätigkeit einen Obliegenheitsverstoß darstellen.

In Anlehnung an die Rechtssprechung kann man die folgenden Arbeitsverpflichtungen für einen Schuldner annehmen, der Kinder zu erziehen und zu beaufsichtigen hat. Ausschlaggebend wird das jeweilige Lebensalter des Kindes sein bzw. wie viele Kinder zu erziehen sind.

- 1 Kind:
Bis zum Alter von drei Jahren besteht keine Arbeitsverpflichtung. Im Alter von drei bis sechs Jahren besteht dann eine Verpflichtung zur Teilzeitarbeit, wenn die Kinderbetreuung im Kindergarten gesichert und die Berufstätigkeit während der Betreuung möglich ist. Im Alter von sechs bis zehn Jahren gilt das selbe, wenn die Tätigkeit während der Schulzeiten möglich ist, und auch die weitergehende Betreuung des Kindes sicher gestellt ist. Wegen der Verselbständigung des Kindes steigt die zeitliche Verpflichtung zur Arbeit ab dem zehnten Jahr an. Ab einem Alter von 15, 16 Jahren ist von einer Verpflichtung zur Übernahme einer Vollzeitstelle auszugehen.

- 2 Kinder:
Solange beide Kinder unter zehn Jahren sind, besteht keine Arbeitsverpflichtung. Auch hier ist mit zunehmendem Alter der Kinder die Verpflichtung zur stundenweisen Tätigkeit anzunehmen. Wenn das jüngere Kind dreizehn Jahre alt ist kann sich eine Verpflichtung zur Halbtagstätigkeit ergeben. Eine Vollzeitbeschäftigung ist dann anzunehmen, wenn das jünger Kind sechzehn Jahre alt ist.

- 3 Kinder (und mehr):
Solange alle Kinder unter zehn Jahre alt sind, liegt keine Arbeitsverpflichtung vor. Bei älteren Kindern wird auf die Umstände des Einzelfalls, z.B. den Altersunterschied zwischen den einzelnen Geschwistern abzustellen sein. Eine Verpflichtung zu Übernahme einer Vollzeitstelle wird hier erst dann anzunehmen sein, wenn das jüngste Kind sechzehn Jahre alt ist. Im Einzelfall sind bezüglich der angemessenen Beschäftigung immer die individuellen Umstände entscheidend. Sind Überstunden im Beschäftigungsbetrieb des Schuldners üblich, so kann der Schuldner Überstunden nicht generell ablehnen. Dies kann er vor allem dann nicht, wenn er vor Beginn der Wohlverhaltensperiode regelmäßig Überstunden gemacht hat. Allerdings hat der Schuldner die Möglichkeit sich bei der Ablehnung von Überstunden auf familiäre oder persönliche Umstände berufen. Wenn sich dem Schuldner die Möglichkeit einer beruflichen Weiterentwicklung (z.B. Beförderung) bietet, so muss er diese Karrierechancen nutzen. Diese Pflicht gilt auch dann, wenn der Schuldner durch den Aufstieg beruflichen Mehrbelastungen ausgesetzt ist. Allerdings hat auch hier der Schuldner die Möglichkeit, sich auf persönliche oder familiäre Gründe zu berufen, und die Beförderung damit nicht annehmen.

 

 

Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch "Restschuldbefreiung - Schuldenabbau durch Insolvenz (Chancen und Risiken der Restschuldbefreiung)" von Harald Brennecke und Markus Jauch, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 3-939384-00-3, ISBN ab 01.01.2007: 978-3-939384-00-7.

 

 

 


 

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Stand: Juni 2006


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Über die Autoren:

Harald Brennecke, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

Portrait Harald-Brennecke

Rechtsanwalt Harald Brennecke ist Gründer und Managing Partner der Kanzlei Brennecke & Partner. Er ist überwiegend im Bereich des Insolvenzrechts für Unternehmer und Unternehmen tätig.

Harald Brennecke ist seit 1999 im Bereich der Unternehmenssanierung tätig. Als Fachanwalt für Insolvenzrecht gestaltet er Sanierungen und begleitet Firmeninsolvenzen. Rechtsanwalt Brennecke berät insbesondere Geschäftsführer in der Unternehmenskrise hinsichtlich der für diese bestehenden  Haftungsrisiken sowie Gesellschafter im Interesse der Unternehmenssanierung unter dem Blickwinkel des Unternehmens als Vermögensbestandteil des Gesellschafters. Er vertritt bei unzulässigen oder unbegründeten Insolvenzanträgen. Rechtsanwalt Brennecke verhandelt mit Insolvenzverwaltern hinsichtlich des Erwerbs von Unternehmen aus der Insolvenz zum Zwecke der Unternehmensfortführung durch Investoren oder Familienangehörige. Weiter vertritt Rechtsanwalt Brennecke bei Ansprüchen des Insolvenzverwalters aus Anfechtung gegen Gesellschafter, Familienangehörige oder Dritte sowie bei (den häufig unterschätzten) Haftungsansprüchen gegen Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften.   

Er berät Insolvenzschuldner hinsichtlich der Erlangung der Restschuldbefreiung und der hierfür erforderlichen Obliegenheiten und vertritt im gesamten Insolvenzverfahren um sicherzustellen, dass der Schuldner die an ihn gestellten Obliegenheitsanforderungen zur Erlangung der Restschuldbefreiung (die über das hinausgehen, was ein Insolvenzverwalter vom Schuldner verlangt und verlangen darf) erfüllt. Der Irrtum, dass Insolvenzschuldner alleine dann schon Restschuldbefreiung erhielten, wenn sie alle Anforderungen des Insolvenzverwalters erfüllen, ist leider immer noch weit verbreitet.

Rechtsanwalt Brennecke berät Schuldner über das Vorgehen bei der Nutzung der Alternativen des europäischen Insolvenzrechts zur Restschuldbefreiung. In wenigen speziellen Fällen bietet ausländisches Insolvenzrecht Vorteile.

Er hat mehrere Bücher im Bereich Insolvenzrecht veröffentlicht, so

  • "Gesellschaftsrecht in der Insolvenz", ISBN 978-3-939384-267
  • "Die Limited in der Insolvenz", ISBN 978-3-939384-34-2
  • "Der Insolvenzplan – Sanierungsinstrument in der Insolvenz", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-06-9
  • "Die Restschuldbefreiung", 2006, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-00-7 
  • "Privatinsolvenz/Verbraucherinsolvenz - Eine Einführung", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-13-1
  • "Insolvenz und Restschuldbefreiung in Europa", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-05-2
  • "Der Insolvenzplan und der Verbraucherinsolvenzplan - Sanierungsinstrument in der Insolvenz - für Verbraucher und Unternehmen", ISBN 978-3-939384-06-9
  • "Die Regelinsolvenz - Insolvenz für Unternehmer und Unternehmen", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-07-6 
  • "Das Recht der GmbH", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-33-5
  • "Der Gesellschaftsvertrag der GmbH - Die GmbH-Satzung in Theorie und Praxis", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-40-3
  • "Der Unternehmenskauf -  Rechtliche Risiken bei Kauf und Verkauf mittelständischer Unternehmen", Verlag Mittelstand und Recht, 2014, ISBN 978-3-939384-18-2
  • "Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-29-8

Weitere Veröffentlichungen sind in Vorbereitung, so

  • „Selbständigkeit in der Insolvenz“
  • „Schutzschirm und Eigenverwaltung“
  • „Die Liquidation von Kapitalgesellschaften“

Er ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht im DeutscherAnwaltVerein und Dozent für Insolvenzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.  Er moderiert die Gruppe Insolvenz und Insolvenzvermeidung bei XING.
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:

  • Insolvenzrecht für Gründer und lebende Unternehmen: Aus Insolvenzen anderer lernen heißtdas eigene Insolvenzrisiko zu vermeiden
  • Unternehmenssanierung: Kopf aus dem Sand! Wer zu spät reagiert, reagiert nie wieder.
  • Insolvenzrecht für Steuerberater – Grundlagen des Insolvenzrechts für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer 
  • Insolvenzrecht für Unternehmensberater – Sanierungschancen erkennen und wahren
  • Insolvenzberatung: das (enorme) Haftungsrisiko des Sanierungsberaters 
  • Selbständigkeit in der Insolvenz – die große Chance des Neustarts


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