Der Handelsvertreter: Die Verschwiegenheitspflicht über Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse nach Beendigung des Handelsvertretervertrages - Teil 1 - Allgemeines

2. nach Beendigung des Handelsvertretervertrages

Die nachvertragliche Verschwiegenheitspflicht des Handelsvertreters beurteilt sich nach § 90 HGB [Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse].
Nach Vertragsende steht es dem Handelsvertreter frei, in den Kundenkreis seines früheren Auftraggebers einzudringen und daraus Kunden für seinen neuen Auftraggeber zu gewinnen. Dieser Grundsatz findet aber keine Anwendung, wenn die sog. Kundenlisten Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse im Sinne von § 90 HGB sind; die Geheimnisse genießen dann besonderen Schutz.

Die Geheimhaltungspflicht nach Beendigung des Handelsvertretervertrages reicht nach Vertragsende weniger weit als vorher. Der Handelsvertreter ist jetzt nicht mehr für den Unternehmer tätig und er darf in seiner neuen Erwerbstätigkeit nicht übermäßig eingeschränkt werden.

Worin besteht der Zweck der Regelung und wann wendet man § 90 HGB an?
Was versteht man unter Geschützten Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen und der sog. Geheimhaltungspflicht?
Was sind die allgemeinen Folgen, wenn sich der Handelsvertreter nicht an die Verschwiegenheitspflicht hält und die Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse weitergibt?
Bestehen Möglichkeiten von § 90 HGB abweichende Vereinbarungen zu treffen? Falls ja, welche?

2.1. Zweck der Regelung über Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse nach Vertragsende

Nach Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses wird der Handelsvertreter nach § 90 HGB verpflichtet, ihm anvertraute Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse nicht zu verwerten oder anderen mitzuteilen. Gleiches gilt für Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, die dem Handelsvertreter durch seine Tätigkeit für den Unternehmer bekannt geworden sind.
Der Zweck der Vorschrift besteht darin, dass die Geheimhaltungspflicht nicht mit Beendigung der Hauptleistungspflichten (Bsp.: Vermittlungs- und Abschlusspflicht) aus dem Vertragsverhältnis ebenfalls beendet ist . Das ist der entscheidende Unterschied zur Verschwiegenheitspflicht, die sich aus § 86 I 2 HGB (allgemeine Interessenwahrnehmungspflicht) ergibt.
Die Verschwiegenheitspflicht überdauert sozusagen das Vertragsverhältnis zwischen Unternehmer und nun ehemaligem Handelsvertreter. Es handelt sich insofern um eine Nachwirkung des Handelsvertreterverhältnisses.

2.2. Anwendungsbereich der nachvertraglichen Verschwiegenheitspflicht

2.2.1. Zeitlicher Anwendungsbereich

§ 90 HGB umfasst die Verschwiegenheitspflicht des Handelsvertreters nur in der Zeit nach Beendigung des Vertrages (während des Vertrages, § 86 I HGB).

2.2.2. Unabhängig vom Handelsvertreterverhältnis

 § 90 HGB findet auch Anwendung, wenn das Handelsvertreterverhältnis nicht wirksam begründet wurde. Es handelt sich um eine Regelung, die ausschließlich zum Schutz des Unternehmers (Ausnahme: ansonsten ist er weniger schutzwürdig!) greift. Er soll davor geschützt werden, dass seine Kenntnisse missbräuchlich ausgenutzt werden, die der Handelsvertreter durch seine Tätigkeit beim Unternehmer erlangt hat. Die Regelung knüpft an das Tätigwerden des Handelsvertreters an.

Weiterhin genießt der Unternehmer in folgenden Fällen Schutz:

  • Der Vertrag zwischen Unternehmer und Handelsvertreter wurde zwar geschlossen, ist aber aus irgendwelchen Gründen von Anfang an nichtig (Bsp.: Geschäftsunfähigkeit, §§ 104 ff. BGB; Anfechtung, §§ 119 f. BGB, 142 I BGB).
  • Auch in Fällen der Nichtigkeit kommt dem Unternehmer die Schutzwirkung zu.
    Bereits vor Vertragsschluss gelangt der Handelsvertreter an Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse; 
    Die Schutzbedürftigkeit des Unternehmers bleibt auch bei Scheitern der Vertragsverhandlungen erhalten.

Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch "Handelsvertreter - Wettbewerbsverbote und Geheimhaltungspflichten" von Harald Brennecke und Kathrin Stipp, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 3-939384-03-8, ISBN ab 01.01.2007: 978-3-939384-03-8.

 


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Über die Autoren:

Harald Brennecke, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

Portrait Harald-Brennecke

Harald Brennecke ist seit Jahren im Vertriebsrecht, insbesondere in den Bereichen Handelsvertreterrecht, Franchiserecht und Vertragshändlerrecht tätig.

Er vertritt Unternehmen, Handelsvertreter und Vertragshändler bei der Gestaltung und Verhandlung von Handelsvertreterverträgen und Vertragshändlerverträgen. Er begleitet bei Auseinandersetzungen über Provisionen, Überhangsprovisionen oder Handelsvertreterausgleich für Handelsvertreter, Versicherungsvertreter oder Franchisenehmer. Er begleitet bei der Erstellung n Prüfung von Buchauszügen.

Er begleitet den Aufbau und die Konzeption von Franchisesystemen und Partnersystemen im Bereich Handel, Dienstleistung und Beratung. Er gestaltet und prüft Franchiseverträge und Masterfranchiseverträge. Er verhandelt für Parteien von Franchisesystemen im Interesse einer konstruktiven Zusammenarbeit und vertritt bei Verletzungen der Verpflichtungen von Franchisegebern und Franchisenehmern.

Rechtsanwalt Brennecke vertritt weiterhin bei der Verletzung von Wettbewerbsverboten und Geschäftsgeheimnissen. Er ist besonders spezialisiert auf zivilrechtliche wie strafrechtliche Verfahren in Bezug auf  unzulässige Verwendung von Kundendaten und anderen Geschäftsgeheimnissen (17 UWG).

Rechtsanwalt Harald Brennecke hat mehrere Bücher im Bereich Vertriebsrecht veröffentlicht, so

  • "Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters", 2007, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-04-5
  • "Die Wettbewerbsabrede nach Beendigung des Handelsvertretervertrages", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-03-8
  • "Die Provision des Handelsvertreters - Eine Einführung", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-14-4
  • "Franchiserecht - Eine Einführung in das Recht des Franchising", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-15-1
  • "17 UWG - Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen", 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-38-0


Rechtsanwalt Brennecke ist Dozent für Vertriebsrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie. 
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare zu den Themen:

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