Der Handelsvertreter: Die Verschwiegenheitspflicht über Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse nach Beendigung des Handelsvertretervertrages - Teil 2 – Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse

 

2.3. Die geschützten Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse des Handelsvertreters

2.3.1. Begriff der geschützten Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse

2.3.1.1. Definition der Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse

Es handelt sich um Tatsachen, die im Zusammenhang mit einem Geschäftsbetrieb stehen, nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt, also nicht offenkundig sind, und nach dem bekundeten Willen des Unternehmers geheim gehalten werden sollen ; eine Mitteilung an Dritte ist ebenfalls nicht gestattet. Laut Definition versteht man unter einer Mitteilung, „jede beliebige Bekanntgabe, welche die Ausnutzung des Geheimnisses in irgendeiner Form ermöglicht“. Die Geheimhaltungspflicht besteht auch unabhängig vom Grund des Vertragsendes; auch bei Kündigung des Handelsvertreters wegen schuldhaftem Verhalten des Unternehmers , § 89 a I HGB [Fristlose Kündigung], besteht eine Pflicht zur Verschwiegenheit.
Dem Handelsvertreter muss klar sein, dass es sich um ein Betriebs- und/oder Geschäftsgeheimnis handelt (Gleiches gilt während des Vertrages), d.h. dem Handelsvertreter muss der Geheimnischarakter bekannt sein. Der Unternehmer muss den Geheimhaltungswillen nicht ausdrücklich ggü. dem Handelsvertreter äußern. Der Wille kann sich auch aus den gesamten Umständen ergeben. Der Handelsvertreter kann aber unter gewissen Umständen auch nicht erkennen, dass es sich um ein Geheimnis handelt. In derartigen Fällen muss er im Zweifel davon ausgehen, dass die Erkenntnisse bzgl. des Betriebes, die er durch seine Tätigkeit für den Unternehmer erlangt hat, geheim zu halten sind.

Bei den Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen ist nach § 90 HGB [Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse] die Mitteilung und Verwertung nur dann unbefugt, soweit dies der Berufsauffassung eines ordentlichen Kaufmanns widersprechen würde (vgl. § 90 Halbs. 2 HGB). Es ist eine Interessensabwägung im Einzelfall zwischen Unternehmer und Handelsvertreter erforderlich.

2.3.1.2. Beispiele für Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse

Hier ist insgesamt auf die Beispiele der Verschwiegenheitspflicht während des Handelsvertretervertrages zu verweisen.

Eine Besonderheit ist bezüglich der Kundenlisten anzumerken:

  • Verboten ist die Mitteilung von Kundennamen, auch wenn der Handelsvertreter die Kunden selbst geworben hat, an einen neuen Auftraggeber derselben Branche.
  • Die Branchenfremde Verwertung der Namen ist dagegen frei; es muss sich aber um selbst geworbene Kunden des Handelsvertreters handeln.
  • Für die branchengleiche Verwertung gilt der Grundsatz allerdings nur, wenn die Kunden alleine, also ohne Zutun des Handelsvertreters, entschlossen sind, die Geschäftsbeziehungen zu dem Unternehmer nicht mehr fortzusetzen .
  • Verwenden darf der ausgeschiedene Handelsvertreter die Adressen der Kunden, die ihm im Gedächtnis geblieben sind;
  • Außerdem darf der Handelsvertreter die Kundennamen und -adressen verwenden, die keine Stammkunden sind, d.h. diejenigen Kunden sind betroffen, die keinen dauerhaften Kontakt zum Unternehmer haben.

2.3.2. Geschützte Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse

Die Verschwiegenheitspflicht besteht nur bzgl. der Geheimnisse, die dem Handelsvertreter anvertraut worden sind oder ihm durch seine Tätigkeit bei dem Unternehmer bekannt gemacht wurden.

2.3.2.1. Anvertrauen im Bezug auf die Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse

 
Unter Anvertrauen sind die Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse zu verstehen, die dem Handelsvertreter durch den Unternehmer oder im Auftrage dessen mitgeteilt worden sind.
Erfasst werden dabei nicht nur die mitgeteilten Geheimnisse, die aus der Erfüllung der Pflichten aus dem Handelsvertretervertrag resultieren. Als anvertraute Geheimnisse gelten auch die Geheimnisse, die dem Handelsvertreter aus anderen Gründen mitgeteilt wurden.

Beispiel: Dem Handelsvertreter werden Betriebsgeheimnisse bekannt, als er mit dem Unternehmer ein Gespräch über allgemeine Betriebsfragen führt.

Allerdings muss sich auch nach Beendigung des Handelsvertretervertrages, wie auch während der Vertragsdauer, die Geheimhaltungsbedürftigkeit zeigen. Der Geheimnischarakter kann sich, wie schon angesprochen, aus dem erklärten Willen des Unternehmers oder nur aus den Umständen ergeben. Der Unternehmer muss den Handelsvertreter nicht gesondert auf die Vertraulichkeit hinweisen.

2.3.2.2. Sonstige Kenntnis im Bezug auf Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse

 
Unter der Sonstigen Kenntnis ist nicht die unmittelbare Mitteilung vom Unternehmer gemeint, sondern all das was der Handelsvertreter aus seiner Tätigkeit an Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen erfahren hat. Erfasst wird „jede Art der Kenntnisnahme während der Vertragszeit“, z.B. auch die selbst angefertigte Kundenliste des Handelsvertreters.
Keine Rolle spielt dabei, ob der Handelsvertreter auf erlaubte bzw. unerlaubte Weise von den Geschäfts- und /oder Betriebsgeheimnissen Kenntnis erlangt hat.

Daneben gibt es noch Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, die sich der Handelsvertreter, durch die missbräuchliche Ausnutzung seiner Tätigkeit, aneignet. Die Möglichkeit hierzu hat der Handelsvertreters jederzeit. Voraussetzung ist, dass der Handelsvertreter die Geheimhaltungsbedürftigkeit der betreffenden Tatsache erkannt hat.

 

Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch "Handelsvertreter - Wettbewerbsverbote und Geheimhaltungspflichten" von Harald Brennecke und Kathrin Stipp, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 3-939384-03-8, ISBN ab 01.01.2007: 978-3-939384-03-8.

 


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Über die Autoren:

Harald Brennecke, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

Portrait Harald-Brennecke

Harald Brennecke ist seit Jahren im Vertriebsrecht, insbesondere in den Bereichen Handelsvertreterrecht, Franchiserecht und Vertragshändlerrecht tätig.

Er vertritt Unternehmen, Handelsvertreter und Vertragshändler bei der Gestaltung und Verhandlung von Handelsvertreterverträgen und Vertragshändlerverträgen. Er begleitet bei Auseinandersetzungen über Provisionen, Überhangsprovisionen oder Handelsvertreterausgleich für Handelsvertreter, Versicherungsvertreter oder Franchisenehmer. Er begleitet bei der Erstellung n Prüfung von Buchauszügen.

Er begleitet den Aufbau und die Konzeption von Franchisesystemen und Partnersystemen im Bereich Handel, Dienstleistung und Beratung. Er gestaltet und prüft Franchiseverträge und Masterfranchiseverträge. Er verhandelt für Parteien von Franchisesystemen im Interesse einer konstruktiven Zusammenarbeit und vertritt bei Verletzungen der Verpflichtungen von Franchisegebern und Franchisenehmern.

Rechtsanwalt Brennecke vertritt weiterhin bei der Verletzung von Wettbewerbsverboten und Geschäftsgeheimnissen. Er ist besonders spezialisiert auf zivilrechtliche wie strafrechtliche Verfahren in Bezug auf  unzulässige Verwendung von Kundendaten und anderen Geschäftsgeheimnissen (17 UWG).

Rechtsanwalt Harald Brennecke hat mehrere Bücher im Bereich Vertriebsrecht veröffentlicht, so

  • "Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters", 2007, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-04-5
  • "Die Wettbewerbsabrede nach Beendigung des Handelsvertretervertrages", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-03-8
  • "Die Provision des Handelsvertreters - Eine Einführung", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-14-4
  • "Franchiserecht - Eine Einführung in das Recht des Franchising", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-15-1
  • "17 UWG - Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen", 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-38-0


Rechtsanwalt Brennecke ist Dozent für Vertriebsrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie. 
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare zu den Themen:

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