Die Wettbewerbsabrede nach Beendigung des Handelsvertretervertrages - Teil 8 – Die Karenzentschädigung

 

2.6.3. Die Angemessenheit der Entschädigung des Handelsvertreters

Die Karenzentschädigung muss nach § 90 a I 3 HGB eine „angemessene“ sein. Sie wird in der Regel nicht über der vertraglichen Vergütung liegen, sonst steht der Handelsvertreter unter dem Wettbewerbsverbot besser als unter dem ursprünglichen Vertrag.

2.6.3.1. Unbestimmter Rechtsbegriff

Was ist nun aber unter „angemessen“ zu verstehen? Die Angemessenheit kann man nicht auf Anhieb definieren.
Beispielsweise hat der Handlungsgehilfe einen Anspruch auf eine Entschädigung von mindestens der Hälfte der letzten vertraglichen Vergütung (§ 74 II HGB, bezahlte Karenz). Der Entschädigungsanspruch des Handelsvertreters ist in solch einer Art und Weise nicht geregelt. In diesem Fall spricht man von einem unbestimmtem Rechtsbegriff. Die Festlegung der Entschädigungshöhe kommt in erster Linie den Parteien, also dem Handelsvertreter und dem Unternehmer, zu.
Können sich die Parteien über die Angemessenheit des Entschädigungsanspruches nicht einigen, ist der Entschädigungsanspruch gem. § 287 ZPO [Schadensermittlung; Höhe der Forderung] durch das Gericht zu bestimmen.
Das Gericht lässt sich von dem Unternehmer und dem Handelsvertreter die wirtschaftliche und persönliche Interessenlage schildern und trifft dann eine objektive Entscheidung.

2.6.3.2. Die Angemessenheit

Angemessen ist die Wettbewerbsentschädigung, die der Höhe nach am ehesten dem Umfang der dem Handelsvertreter einzuhaltenden Wettbewerbsenthaltung entspricht.
Es ist also möglich die Höhe der Karenzentschädigung nach den Umständen des Einzelfalles festzulegen. Das macht eine Abwägung erforderlich. Die Nachteile, die dem Handelsvertreter durch die Einhaltung des Wettbewerbsverbotes entstehen, müssen den Vorteilen, die der Unternehmer hieraus zieht, gegenübergestellt werden.

Für die Abwägung der Angemessenheit sind verschiedene Kriterien maßgeblich:

  • die erforderliche wirtschaftliche Sicherung des Handelsvertreters;
  • die Möglichkeit einer anderweitigen Erwerbstätigkeit, die nicht dem Wettbewerbsverbot unterliegt;
  • die wirtschaftliche Bedeutung des Wettbewerbsverbots für den Unternehmer;
  • der materielle Verlust, den das Wettbewerbsverbot für den Handelsvertreter bedeutet
    (Bsp.: Ablehnung einer unter Umständen besser vergüteten Stelle bei einem Konkurrenzunternehmen);

Wann rechtfertigt sich aber eine relativ niedrige, wann eine relativ hohe Karenzentschädigung?

(1) niedrigere Entschädigung
Beispiel 1: Eine vereinbarte Wettbewerbsabrede bezieht sich nur auf einen kleinen Vertretungsbezirk.
Beispiel 2: Ernsthafte Wettbewerber des bisher vertretenen Unternehmers existieren nicht.
In einem solchen Fall ist eine relativ niedrige Karenzentschädigung gerechtfertigt, da sich die Abrede nur auf eine unbedeutende Wettbewerbsbeschränkung bezieht.

(2) höhere Entschädigung
Beispiel: Aufgrund der getroffenen Wettbewerbsabrede muss der Handelsvertreter zwecks einer weiteren gewerblichen Tätigkeit sein Büro und sein Auslieferungslager an einen anderen Ort verlegen.
Hier ergeben sich durch die Verlegung für den Handelsvertreter erhebliche Kosten. In diesem Fall kann der Handelsvertreter eine höhere Wettbewerbsbeschränkung verlangen.

Wonach richtet sich eigentlich die Entschädigungshöhe?
In der Regel bestimmt sich die Entschädigungshöhe nach der Höhe der letzten vertragsmäßigen Bezüge. Eine Höchstgrenze schreibt das Gesetz ebenso wenig vor wie eine Mindestgrenze. Der Handelsvertreter darf durch die Abrede nicht besser gestellt werden als unter dem ursprünglichen Handelsvertretervertrag; deshalb ist die Entschädigung auf die vertragsmäßigen Bezüge begrenzt.

An der Höhe der vereinbarten oder für angemessen erklärten Entschädigung ändert sich nichts, wenn sich die Einkommenssituation des Handelsvertreters während der Wettbewerbsenthaltung verändert (positiv oder negativ).

Wie verhalten sich der Ausgleichsanspruch und der Anspruch auf Karenzentschädigung untereinander?
Bei der Prüfung der Angemessenheit muss außer Betracht bleiben, dass bei Vertragsende ein Ausgleichsanspruch (= § 89 b HGB; erhält der Handelsvertreter für geschaffene Kunden und seine erlittenen Provisionsverluste; der Anspruch entsteht nach Vertragsbeendigung) für den Handelsvertreter entsteht. Dieser Anspruch und der Anspruch auf Wettbewerbsentschädigung (= Entschädigung des Handelsvertreters für zukünftige Verluste) beruhen auf unterschiedlichen Rechtsgründen und stehen selbstständig nebeneinander. Es ist deshalb auch nicht zulässig, vertraglich vorzusehen, dass die Ausgleichszahlung auf die Wettbewerbsentschädigung oder umgekehrt angerechnet wird.

Welche Bedeutung hat das für den Unternehmer?
Schließt der Unternehmer mit dem Handelsvertreter eine Wettbewerbsabrede ab und verzichtet er nicht auf diese, muss er sowohl den Ausgleichsanspruch als auch die Karenzentschädigung an den Handelsvertreter zahlen.

 

Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch "Handelsvertreter - Wettbewerbsverbote und Geheimhaltungspflichten" von Harald Brennecke und Kathrin Stipp, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 3-939384-03-8, ISBN ab 01.01.2007: 978-3-939384-03-8.


 

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Über die Autoren:

Harald Brennecke, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

Portrait Harald-Brennecke

Harald Brennecke ist seit Jahren im Vertriebsrecht, insbesondere in den Bereichen Handelsvertreterrecht, Franchiserecht und Vertragshändlerrecht tätig.

Er vertritt Unternehmen, Handelsvertreter und Vertragshändler bei der Gestaltung und Verhandlung von Handelsvertreterverträgen und Vertragshändlerverträgen. Er begleitet bei Auseinandersetzungen über Provisionen, Überhangsprovisionen oder Handelsvertreterausgleich für Handelsvertreter, Versicherungsvertreter oder Franchisenehmer. Er begleitet bei der Erstellung n Prüfung von Buchauszügen.

Er begleitet den Aufbau und die Konzeption von Franchisesystemen und Partnersystemen im Bereich Handel, Dienstleistung und Beratung. Er gestaltet und prüft Franchiseverträge und Masterfranchiseverträge. Er verhandelt für Parteien von Franchisesystemen im Interesse einer konstruktiven Zusammenarbeit und vertritt bei Verletzungen der Verpflichtungen von Franchisegebern und Franchisenehmern.

Rechtsanwalt Brennecke vertritt weiterhin bei der Verletzung von Wettbewerbsverboten und Geschäftsgeheimnissen. Er ist besonders spezialisiert auf zivilrechtliche wie strafrechtliche Verfahren in Bezug auf  unzulässige Verwendung von Kundendaten und anderen Geschäftsgeheimnissen (17 UWG).

Rechtsanwalt Harald Brennecke hat mehrere Bücher im Bereich Vertriebsrecht veröffentlicht, so

  • "Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters", 2007, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-04-5
  • "Die Wettbewerbsabrede nach Beendigung des Handelsvertretervertrages", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-03-8
  • "Die Provision des Handelsvertreters - Eine Einführung", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-14-4
  • "Franchiserecht - Eine Einführung in das Recht des Franchising", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-15-1
  • "17 UWG - Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen", 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-38-0


Rechtsanwalt Brennecke ist Dozent für Vertriebsrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie. 
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare zu den Themen:

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  • Schutz von Kundenadressen und Geschäftsgeheimnissen – 17 UWG in Theorie und Praxis


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