Der Bundesgerichtshof erklärt verdeckte Online Durchsuchungen mit Beschluss vom 31. Januar 2007 für unzulässig


Autor(-en):
Nils Beyer
wissenschaftlicher Mitarbeiter


Im Rahmen einer verdeckten Online-Durchsuchung wird dem Beschuldigten ein Computerprogramm zugespielt, welches es nach der Installation auf dessen Computer ermöglicht, die in den dortigen Speichermedien abgelegten Dateien zu kopieren und an die Ermittlungsbehörden zu übertragen. Der BGH hat festgestellt, dass ein solches Vorgehen nicht durch die Vorschriften der StPO gedeckt ist und es mithin an der erforderlichen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage für ein solches Vorgehen fehlt. Damit sind Pläne, gegen Computer von Verdächtigen so genannte „Trojaner“ einzusetzen, um die Festplatte, ohne Wissen des Betroffenen, nach Beweisen zu durchsuchen, zunächst vom Tisch.

Bei einer rechtmäßigen Durchsuchung gemäß §§ 102 ff. StPO müssten, nach den Ausführungen des BGH, Ermittlungsbeamte körperlich anwesend sein und die Ermittlungen offen legen. Dies ergebe sich bereits aus § 106 Absatz 1 Satz 1 StPO, der dem Inhaber der Räumlichkeiten beziehungsweise der zu durchsuchenden Gegenstände ein Anwesenheitsrecht bei der Durchsuchung einräumt. Darüber hinaus sei dem Betroffenen auf sein Verlangen hin gemäß § 107 StPO eine Durchsuchungsbescheinigung zu erteilen, ihm müsse daher zeitnah Kenntnis von der Durchsuchung vermittelt werden.
Von der Beachtung dieser Vorschriften hängt die Rechtmäßigkeit der Durchsuchung ab, diese stehen nicht zur Disposition der Ermittlungsbehörden.

Auch durch andere Normen der StPO ist die verdeckte Online-Durchsuchung nach Auffassung des BGH nicht gedeckt. Ermittlungsmaßnahmen mit besonderen technischen Mittel, z.B. die Überwachung der Telekommunikation, die ohne Wissen des Betroffenen erfolgen können, sind in den §§ 100 a bis 100 i StPO geregelt. Alle diese Maßnahmen sind jedoch von hohen materiellen und formellen Anforderungen abhängig. Keine dieser Ermächtigungsgrundlagen rechtfertigt eine verdeckte Online-Durchsuchung.

Ausdrücklich weist der BGH darauf hin, dass § 102 StPO, der die Durchsuchung beim Verdächtigen regelt, auch dann nicht zu einer verdeckten Online-Untersuchung ermächtigt, wenn - so die Auffassung des Generalbundesanwalts - die hohen Eingriffsvoraussetzungen für die Überwachung von Telekommunikation (Fußnote) und Wohnraum (Fußnote) gewahrt würden, denn einzelne Elemente verschiedener Eingriffsermächtigungen könnten nicht beliebig kombiniert werden.

Es bleibt abzuwarten, ob die Große Koalition einen Gesetzentwurf einbringt, der eine entsprechende Eingriffsbefugnis in der StPO verankert, zur Zeit hat es den Anschein, als wenn über dieses Thema zwischen den Koalitionspartnern keine Einigkeit herrscht.
Diskutiert wird zum jetzigen Zeitpunkt das Erfordernis einer Grundgesetzänderung, um für einen derartigen Eingriff eine verfassungsrechtliche Grundlage zu schaffen. Hierbei orientiert man sich an der Ergänzung des Art. 13 GG in Hinblick auf die akustische Wohnraumüberwachung. Die Gegner dieser Maßnahme berufen sich darauf, dass dadurch ein „totaler Überwachungsstaat“ geschaffen würde.



Autor(-en):
Nils Beyer
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Stand: April 2007


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Gericht / Az.: BGH - Beschluss vom 31.01.2007
Normen: §§ 102 ff. StPO

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