DIE HANDELSVERTRETERPROVISION - EINFÜHRUNG - Teil 5 - Provisionspflichtige Geschäfte des Handelsvertreters, Vermittlung durch Vorgänger und Provisionsteilung

5. Überwiegende Vermittlung durch Vorgänger

Provisionsrechtlich ist der bereits ausgeschiedene Handelsvertreter hinsichtlich der Geschäftsabschlüsse, die erst nach Vertragsbeendigung zustande kommen, durch zwei Ausnahmetatbestände (§ 87 Abs. 3 HGB) geschützt. Liegen die entsprechenden Voraussetzungen vor, steht dem Handelsvertreter auch für diejenigen Geschäfte ein Anspruch auf Handelsvertreterprovision zu, die erst nach seinem Ausscheiden zustande kommen. Hierzu folgende Punkte:

  • Zweck der Regelung (5.1.)
  • Voraussetzungen dieses Anspruchs (5.2.)
  • Provisionsteilung (5.3.)
  • abweichende Vereinbarungen (5.4.)

5.1. Zweck der Regelung

Die Regelung betrifft nachvertragliche Kundengeschäfte. Zweck ist es, eine Benachteilung des ausgeschiedenen Handelsvertreters zu verhindern, der erhebliche Mühen in die Vermittlung eines Geschäfts investiert hat, das erst nach Beendigung seines Handelsvertreterverhältnisses zum Abschluss gekommen ist.

5.2. Voraussetzungen des Anspruchs auf Provision

Man unterscheidet innerhalb des § 87 Abs. 3 Satz 1 HGB zwei Regelungen:

  • § 87 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1: Nachvertragliche Geschäfte sind provisionspflichtig, wenn das betreffende Geschäft vor Vertragsende vermittelt wurde oder der Handelsvertreter das Geschäft noch vor Vertragsende eingeleitet und vorbereitet hat, so dass der Abschluß überwiegend auf seine Tätigkeit zurückzuführen ist und das Geschäft innerhalb einer angemessenen Frist nach Vertragsende abgeschlossen wurde. (5.2.1.)
  • § 87 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2: Ein Anspruch auf Provision des Handelsvertreters besteht, wenn dem Handelsvertreter oder dem Unternehmer vor Vertragsbeendigung das Angebot eines Dritten zum Abschluß eines Geschäfts zugegangen ist, das aber erst nach Vertragsende vom Unternehmer angenommen wird à 5.2.2.

5.2.1. Tätigkeit des Handelsvertreters

Die Regelung Nr. 1 setzt voraus, dass der Handelsvertreter den Kundenvertrag während der Vertragszeit vermittelt (Alt. 1, siehe 5.2.1.1.) oder überwiegend vorbereitet hat (Alt. 2, siehe 5.2.1.2.) und ein Geschäftsabschluss in angemessener Frist nach Vertragsende erfolgt (5.2.1.3.)

5.2.1.1. Vermittlung durch den Handelsvertreter

Unter einer Vermittlung ist das (abschlussreife) Aushandeln des Kundenvertrages in allen Einzelheiten zu verstehen. Von einer Vermittlung kann also in den Fällen ausgegangen werden, in denen die Vertragsbedingungen im Wesentlichen vorliegen und zum Zustandekommen des Geschäfts nur noch die abschließenden Erklärungen des Unternehmers oder des Geschäftspartners ausstehen. Liegt eine derartige Vermittlung vor, erhält der ausgeschiedene Handelsvertreter die Provision .

5.2.1.2. Überwiegende Vorbereitung

Hat der Handelsvertreter die Vertragsverhandlungen mit dem Kunden eingeleitet und den Vertragsabschluß so vorbereitet, dass der Abschluss überwiegend auf die Vermittlungstätigkeit des Handelsvertreters zurückzuführen ist, erhält er die Provision. War ebenfalls der Nachfolger-Handelsvertreter tätig, so ist zu ermitteln, auf wen der Geschäftsabschluss überwiegend zurückgeht.

Beispiel:
Der Handelsvertreter hat verschiedene Stoffmuster an den Kunden verkauft. Nach Erprobung der Waren, die aus diesen Muster gefertigt worden sind, bestellte der Kunde größere Stoffmengen.
Für den Handelsvertreter kommt hier nach Vertragsbeendigung ein Anspruch auf Provision nach § 87 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 HGB in Betracht.
Dieser Fall wurde von der Rechtsprechung entschieden: ...es handelt sich beim Verkauf der Muster um eine vorbereitende Tätigkeit im Hinblick auf die endgültige Bestellung .

5.2.1.3. Abschluss in angemessener Frist

Der Provisionsanspruch nach § 87 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 HGB entsteht für den früheren Handelsvertreter nur, wenn der Geschäftsabschluss innerhalb einer angemessenen Frist nach Beendigung des Vertragsverhältnisses erfolgt. Diese Frist beginnt ab Vertragsende zu laufen .

Welcher Zeitraum ist hier „angemessen“?
Was angemessen ist, bestimmt sich nach Art, Inhalt und Bedeutung des einzelnen Geschäfts. Der Verkauf einer komplexen Industrieanlage ist langwieriger als der eines Personenwagens. Je länger die Vorbereitung eines einzelnen Geschäfts üblicherweise dauert, umso länger muss die Provisionspflicht nach Vertragsende dauern.

Beispiel: Saisonware
Der Geschäftsabschluss über Saisonware darf nicht später als das Erscheinen der Muster für die neue Saison erfolgen. D.h. die Frist endet, wenn die Muster für die folgende Saison erscheinen.

In einem Sonderfall galten sogar zwei Jahre nach Vertragsbeendigung noch als angemessen .

5.2.2. Zugangs Vertragsangebots des Dritten vor Vertragsende

Auch die Regelung des § 87 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HGB kann für den Handelsvertreter unter bestimmten Voraussetzungen Provisionsansprüche begründen:

  • Das Angebot des Kunden zum Abschluss des Geschäfts muss dem Handelsvertreter oder dem Unternehmer zugegangen sein. Es muss sich um ein verbindliches und annahmefähiges Angebot des Kunden handeln.
  • Der Zugang muss vor Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses erfolgt sein.

Die Regelung stellt auf den Zugang des Angebots ab, damit der Unternehmer nicht durch eine willkürlich verspätete Annahme den Provisionsanspruch vereiteln kann.

Die Regelung setzt weder eine mitursächliche noch eine überwiegende Verursachung durch den Handelsvertreter voraus. Deshalb ist der Bezirksvertreter (§ 87 Abs. 2) auch in die Vorschrift einzubeziehen.

Eine zeitliche Begrenzung ist für den Geschäftsabschluss (im Gegensatz zu Nr. 1) nicht vorgesehen, denn § 87 HGB enthält keine Frist für eine Annahmeerklärung. Nimmt der Unternehmer das Angebot des Kunden erst erhebliche Zeit nach Beendigung des Vertragsverhältnisses an, erwächst dem ausgeschiedenen Handelsvertreter trotzdem ein Provisionsanspruch.

Hinweis: Es besteht die Möglichkeit, dass der Unternehmer das Angebot des Kunden nur unter Einbeziehung einiger Änderungen annimmt. § 87 Abs. 3 Nr. 2 HGB findet trotzdem Anwendung. Es muss sich aber um unwesentliche Änderungen handeln. Der Unternehmer soll durch geringfügige Änderungen nicht die Möglichkeit haben den Provisionsforderungen des Handelsvertreter zu entgehen .

5.3. Die Provisionsteilung

Es besteht die Möglichkeit, dass sich der ausgeschiedene Handelsvertreter und der Nachfolger die Provision teilen. Dem nachfolgenden Handelsvertreter steht die Provision anteilig (§ 87 Abs. 3 Satz 2 HGB) zu, wenn die Teilung der Billigkeit entspricht. Dazu müssen besondere Umstände vorliegen.

Was ist Zweck der Provisionsteilung ?
In besonderen Fällen kann es ungerechtfertigt sein, den Provisionsanspruch des Nachfolgers in vollem Umfang auszuschließen, wenn der Geschäftsabschluss letztlich auch auf sein Tätigwerden zurückzuführen ist.

Was bedeutet „Billigkeit“ und „besondere Umstände“ ?
Bei der Billigkeitsprüfung sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Als Abwägungskriterien sind alle vertragsbezogenen und vertragsfremden Aspekte heranzuziehen. Eine Würdigung sämtlicher Umstände ist erforderlich.

Besondere Umstände liegen nur vor, wenn sich der Nachfolger für den Geschäftsabschluss eingesetzt hat und somit zum Zustandekommen des Geschäfts mitursächlich beigetragen hat. Die Mitwirkung des Nachfolgers muss erheblich sein.

5.4. Abweichende Vertragsvereinbarungen

Auch die Regelung des § 87 Abs. 3 HGB kann durch die Parteien abweichend geregelt werden. Folgende vertragliche Vereinbarungen sind zulässig:

  • Unternehmer und Handelsvertreter können Provisionsansprüche für Abschlüsse nach Vertragsende insgesamt ausschließen.
  • Die Parteien können geringere Provisionssätze für diese Geschäfte vereinbaren.
  • Es empfiehlt sich für die angemessene Frist (§ 87 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1) einen genauen Zeitraum zu bestimmen, z.B. 3 Monate.
  • Die Parteien können regeln, dass nur diejenigen nachvertraglichen Geschäftsabschlüsse der Provision unterliegen, die auf eine überwiegende Vermittlungstätigkeit des Handelsvertreters zurückzuführen sind.
  • Es kann vereinbart werden, dass nur für diejenigen nachvertraglichen Geschäfte eine Provision zu zahlen ist, die ausschließlich durch den Handelsvertreter angebahnt und vermittelt wurden.

Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch "Die Provision des Handelsvertreters - Eine Einführung" von Harald Brennecke und Kathrin Stipp, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de.


 

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Stand: Juli 2007


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Harald Brennecke, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

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Harald Brennecke ist seit Jahren im Vertriebsrecht, insbesondere in den Bereichen Handelsvertreterrecht, Franchiserecht und Vertragshändlerrecht tätig.

Er vertritt Unternehmen, Handelsvertreter und Vertragshändler bei der Gestaltung und Verhandlung von Handelsvertreterverträgen und Vertragshändlerverträgen. Er begleitet bei Auseinandersetzungen über Provisionen, Überhangsprovisionen oder Handelsvertreterausgleich für Handelsvertreter, Versicherungsvertreter oder Franchisenehmer. Er begleitet bei der Erstellung n Prüfung von Buchauszügen.

Er begleitet den Aufbau und die Konzeption von Franchisesystemen und Partnersystemen im Bereich Handel, Dienstleistung und Beratung. Er gestaltet und prüft Franchiseverträge und Masterfranchiseverträge. Er verhandelt für Parteien von Franchisesystemen im Interesse einer konstruktiven Zusammenarbeit und vertritt bei Verletzungen der Verpflichtungen von Franchisegebern und Franchisenehmern.

Rechtsanwalt Brennecke vertritt weiterhin bei der Verletzung von Wettbewerbsverboten und Geschäftsgeheimnissen. Er ist besonders spezialisiert auf zivilrechtliche wie strafrechtliche Verfahren in Bezug auf  unzulässige Verwendung von Kundendaten und anderen Geschäftsgeheimnissen (17 UWG).

Rechtsanwalt Harald Brennecke hat mehrere Bücher im Bereich Vertriebsrecht veröffentlicht, so

  • "Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters", 2007, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-04-5
  • "Die Wettbewerbsabrede nach Beendigung des Handelsvertretervertrages", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-03-8
  • "Die Provision des Handelsvertreters - Eine Einführung", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-14-4
  • "Franchiserecht - Eine Einführung in das Recht des Franchising", Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-15-1
  • "17 UWG - Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen", 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-38-0


Rechtsanwalt Brennecke ist Dozent für Vertriebsrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie. 
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare zu den Themen:

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