Rating, Basel II, alternative Finanzierungsformen aus anwaltlicher Sicht – Teil II


Autor(-en):
Matthias Keßler



1. Forderungsverkauf

In vielen Unternehmen stellen Forderungen aus der Lieferung von Waren oder der Erbringung von Dienstleistungen eine erhebliche Summe dar, die aber nicht zur Tilgung von Krediten oder anderen Verbindlichkeiten eingesetzt werden können. Hinzukommt, dass diese Forderungen wegen möglicher Forderungsausfälle eine relativ unsichere Position sind.
Durch den Verkauf dieser Forderungen kann die finanzielle Situation eines Unternehmens verbessert werden.

a) Factoring

Die bekannteste Form des Forderungsverkaufs ist das sogenannte Factoring. Hierbei werden noch nicht fällige oder zukünftig entstehende Forderungen des Unternehmens gegen Abnehmer bzw. Kunden an das Factoringunternehmen verkauft.
In dieser Konstellation wir das Unternehmen als "Factoringkunde", das Factoringunternehmen als "Factor" und der Forderungsgegner/Abnehmer als "Debitor" bezeichnet.
Der Factor prüft in einem ersten Schritt die Bonität des Debitors, also desjenigen der die Lieferung von Waren oder Dienstleistungen in Anspruch genommen hat. Danach bezahlt er den Gegenwert der Forderung an den Factoringkunden. Dieser Kaufpreis entspricht dem tatsächlichen Wert der Forderung abzüglich eines Betrages für die Leistungen des Factors. In dem abzuziehenden Betrag wird neben der Finanzierung, Dienstleistung, Debitorenmanagement auch der mögliche Ausfall der Forderung berücksichtigt. Die Konditionen der verschiedenen Factoringunternehmen sind sehr unterschiedlich, sodass ich ein Vergleich unbedingt lohn.

Hinsichtlich der Frage, ob und inwieweit der Debitor über das Factoring in Kenntnis zu setzen ist, wird zwischen dem sogenannten "offenen" und "stillen Factoring" unterschieden.
Beim "offenen Factoring" informiert der Factoringkunde den Debitor darüber, dass die Forderung gegen ihn an ein Factoringunternehmen verkauft wurde. Gleichzeitig wird der Debitor gebeten, an das Factoringunternehmen zu bezahlen. Viele Unternehmen wünschen dieses nicht, da Sie um ihren Ruf in der Branche fürchten.
Beim "stillen Factoring" erfolgt keine Information des Debitors. Er bezahlt weiterhin an den Factor, also seinen bisherigen bekannten Vertragspartner.
Daneben existiert noch das sogenannte "halb-offene Factoring". Hier wird der Debitor ebenfalls nicht über den Verkauf der gegen ihn bestehenden Forderung informiert, es wird ihm jedoch eine Bankverbindung genannt, an die er zahlen soll, die dem Factoringunternehmen gehört.

In finanzieller Hinsicht wirkt sich das Factoring dergestalt aus, dass der Factoringkunden, also das Unternehmen, umgehend die entsprechenden Forderungsbeträge erhält. Mit diesen liquiden Mitteln kann also direkt gearbeitet werden.

Im Übrigen kann der Factor entsprechend der jeweiligen Ausgestaltung des Factoringvertrages diverse Servicefunktionen übernehmen.

Beim sogenannten "echten Factoring" übernimmt der Factor das sogenannte Delkredererisiko. Darunter versteht man das Ausfallrisiko einer Forderung, beispielsweise wegen Zahlungsunfähigkeit des Debitors. Die Übernahme dieses Risikos lässt sich der Factor durch entsprechende Gebühren bezahlen.

Dieses Ausfallrisiko wird beim sogenannten "unechten Factoring" dagegen nicht vom Factor übernommen.

Die Unterscheidung zwischen "echtem" und "unechtem Factoring", bzw. Übernahme des Delkredererisiko oder nicht, wirkt sich aufgrund der daraus folgenden wirtschaftlichen Zuordnung der Forderung bei der handelsrechtlichen Bilanzierung aus.

Daneben übernimmt der Factor häufig noch eine Dienstleistungsfunktion, in dem Sinne, dass er die Debitorenbuchhaltung, sowie die Bereiche Mahnwesen und Inkasso übernimmt. Daraus ergibt sich für das Unternehmen ein nicht unerhebliches Einsparpotential im Hinblick auf Sach- und Personalkosten.

Neben den vorstehenden Vorteilen der Übernahme des Delkredererisikos und der Einsparmöglichkeiten durch die Übernahme von Dienstleistungen sprechen für das Factoring die bereits angesprochene Verbesserung der liquiden Mittel aufgrund der schnellen Auszahlung der entsprechenden Forderungsgegenwerte und der sich aus der Gewährung längerer Zahlungsziele ergebende Wettbewerbsvorteil.

Nachteilig sind die bereits dargestellten anfallenden Kosten und Gebühren des Factoringunternehmens, sodass hier eine Abwägung zwischen dem früheren Zufluss der aber dafür reduzierten Liquidität und der höheren Liquidität bei späterem Zufluss getroffen werden muss. Dieses ist eine kaufmännisch strategische Entscheidung, bei der die Frage nach dem Rating als weiteres Entscheidungskriterium herangezogen werden kann. Die Entscheidung sollte daher betriebswirtschaftlich entsprechend vorbereitet sein.


Grundlage des factoringmäßigen Forderungsverkaufs ist ein entsprechend ausgestalteter Factoringvertrag, der regelmäßig eine Laufzeit von mindestens ein bis zwei Jahren hat. Dieser enthält die Verpflichtung des Factoringkunden dem Factor alle Forderungen zum Kauf anzubieten, für die bereits die vollständige Warenlieferung oder Dienstleistung erbracht ist.

Derartige Factoringverträge sollten hinsichtlich ihrer rechtlichen Ausgestaltung und gegebenenfalls erforderlichen Anpassungen einer juristischen Überprüfung unterzogen werden.

Das Factoring stellt mithin eine weitere relativ flexible Möglichkeit der Unternehmensfinanzierung dar, die aufgrund der Laufzeit der Verträge aber gut vorbereitet werden sollte.


b) Asset Backed Securities

Die sogenannte Asset Backed-Finanzierung, auch als forderungsbesichertes Wertpapier bezeichnet, ist eine besondere Spielart des Forderungsverkaufs.

Zunächst werden die im Unternehmen bestehenden Forderungen an eine speziell zu diesem Zweck gegründete Zweckgesellschaft verkauft. Die Gesellschaftsanteile an dieser Zweckgesellschaft, im Englischen als "Special Purpose Vehicle" oder kurz SPV bezeichnet, müssen vollständig von einem unternehmensunabhängigen Dritten gehalten werden. Dieser Dritte kann beispielsweise eine Bank oder ein Forderungsverkäufer sein. Die von der Zweckgesellschaft erworbenen Forderungen werden verbrieft und als Wertpapiere oder Schuldscheine ausgegeben. Diese Schuldscheine bzw. Wertpapiere sind durch die zuvor angekauften Forderungen (engl. "assets") gedeckt (engl. "backed") und werden daher als "Asset Backed Securities" oder kurz ABS bezeichnet. Den Investoren, die solche ABS erworben haben, stehen die übertragenen Forderungen als Haftungsgrundlage zur Verfügung.

Der Forderungsgegner wird über die Veräußerung der Forderungen an die Zweckgesellschaft regelmäßig nicht in Kenntnis gesetzt und bezahlt daher weiter befreiend an den ursprünglichen Forderungsinhaber, also das Unternehmen. Eingehende Zahlungen des Forderungsgegners leitet das Unternehmen an die Zweckgesellschaft weiter.

Die an die Zweckgesellschaft zu veräußernden Forderungen müssen folgende Anforderungen erfüllen. Es muss sich um viele Einzelforderungen über kleine und mittlere Beträge handeln, die insgesamt einen Betrag von etwa EUR 50 Mio. erreichen sollten. Gleichzeitig müssen sich die Forderungen gegen viele Schuldner richten, um zu verhindern, dass bei Zahlungsausfall eines Schuldners die Zweckgesellschaft in ihrer Zahlungsfähigkeit beeinträchtigt wird.
Aus diesen Anforderungen ergibt sich bereits, dass diese Art der Unternehmensfinanzierung wohl ausschließlich für große oder zumindest gehobene mittelständische Unternehmen in Betracht kommt.

Das Rating bezieht sich in diesem Bereich auf die Werthaltigkeit der übertragenen Forderungen, nicht aber auf das Unternehmen an sich und wird regelmäßig von externen Agenturen durchgeführt.


Vorteil der Asset Backed-Finanzierung ist der durch die Zweckgesellschaft zumindest indirekte Zugang zu neuen Investoren, insbesondere für Unternehmen, die aufgrund schlechten Ratings oder mangelnder Größe keinen Zugang zu den Kapitalmärkten haben. Daher sind die Anforderungen an das Ratingergebnis recht hoch, da nur Forderungsbestände mit sehr guten Ratings für eine Platzierung auf dem Kapitalmarkt geeignet sind.

Entscheidender Nachteil sind allerdings die allgemein hohen Kosten der Asset Backed-Finanzierung. Diese setzten sich zusammen aus Kosten für die Rating-Agentur, Transaktion der Forderungen, Emission der Wertpapiere und weitere einmalige und laufende Kosten.


c) Auswirkungen des Forderungsverkaufs auf Bilanz und Steuern

Ziel des Forderungsverkaufs ist regelmäßig die bilanzielle Ausbuchung. Diese kann aber nur erfolgen, wenn das wirtschaftliche Eigentum an den übertragenen Forderungen vollständig vom veräußernden Unternehmen auf den Erwerber übergegangen ist. Dabei kommt es für die Bestimmung des wirtschaftlichen Eigentums entscheidend darauf an, wer das Bonitätsrisiko trägt. Sofern der Verkäufer nach der Veräußerung der Forderungen auch nur einen Teil des Bonitätsrisikos zu tragen hat, ist das wirtschaftliche Eigentum nicht auf den Erwerber übergegangen, mit der Folge, dass der Veräußerer die Forderung weiterhin in seiner Bilanz führen muss und zusätzlich eine Verbindlichkeit gegenüber dem Erwerber.

Im Falle der Asset Backed-Finanzierung hat der Unternehmer, sofern er selbst Anteile an der Zweckgesellschaft hält, zu beachten, dass er diese gegebenenfalls in seinem Konsolidierungskreis aufzuführen hat.

Wir raten daher im Falle des Forderungsverkaufs zur Beurteilung der Auswirkungen auf Steuern und Bilanzen qualifizierte Berater hinzuzuziehen, da sonst der gewollte Nebeneffekt der Verbesserung des Ratings nicht erzielt werden könnte.

 

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Autor(-en):
Matthias Keßler


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