40 Jahre Betriebsrentengesetz – betriebliche Altersversorgung – Teil 09 – Betriebsvereinbarung



Autor(-en):
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin

Jens Bierstedt
LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter


2.7. Betriebsvereinbarung im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung

Im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung kann sich ein Rechtsanspruch auch durch eine Betriebsvereinbarung gemäß § 77 Betriebsverfassungsgesetz ergeben. Diese ist somit nach § 77 Betriebsverfassungsgesetz ein eigenes Rechtsinstitut. Sie unterliegt:

  • Einer betrieblichen Einigung
  • zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat als Vertreter der Belegschaft

Gemäß § 77 Abs. 4 Satz 1 Betriebsverfassungsgesetz gelten Betriebsvereinbarungen dabei unmittelbar und zwingend. Von ihr kann nicht zum Nachteil der Beschäftigten abgewichen werden. Überdies haben die Betriebsparteien jedoch auch hierbei den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz aus § 75 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz zu beachten.

Wie bereits erwähnt sind Betriebsvereinbarung wegen ihres normativen Charakters wie Gesetze und Tarifverträge auszulegen. Auszugehen ist danach vom Wortlaut der Bestimmungen und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Insbesondere bei unbestimmtem Wortsinn ist der wirkliche Wille der Betriebsparteien und der von ihnen beabsichtigte Zweck zu berücksichtigen, sofern und soweit sie im Text ihren Niederschlag gefunden haben. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Regelungen.

Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Bestimmung führt.

Aus der Rechtsquellentheorie folgt, dass einzelvertragliche Versorgungsabsprachen einer Betriebsvereinbarung vorgehen, sofern sie günstiger sind. Ist die einzelvertragliche Regelung ungünstiger, so wird diese durch die Betriebsvereinbarung verdrängt.

Betriebsvereinbarungen ermöglichen in hohem Maße die Berücksichtigung der Besonderheiten des Unternehmens. Durch die grundsätzliche Kündigungsmöglichkeit
erlauben sie darüber hinaus eine vereinfachte Anpassung an eine veränderte Situation jedenfalls mit Wirkung für die Zukunft. Sie können somit auf verschiedene Weise beendet werden. So geht § 77 Abs. 5 Betriebsverfassungsgesetz vom Grundsatz der Kündigungsfreiheit aus. Betriebsvereinbarungen können demgemäß, soweit nichts anderes vereinbart ist, mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden. Eine wirksam gekündigte Vereinbarung über eine betriebliche Altersversorgung wirkt im Allgemeinen nicht nach. § 77 Abs. 6 Betriebsverfassungsgesetz findet auf sie grundsätzlich keine Anwendung. Zu einer Nachwirkung kommt es allerdings nur, wenn die in der Vereinbarung betroffene Regelung einen Gegenstand der erzwingbaren Mitbestimmung betrifft. Dabei wird unter Nachwirkung nach allgemeiner Meinung die unmittelbare, aber nicht mehr zwingende Weitergeltung der Betriebsvereinbarung verstanden.

Diese Nachwirkung hängt im Falle ihrer Kündigung durch den Arbeitgeber somit davon ab, ob die gesamten freiwilligen Leistungen ersatzlos beseitigt oder lediglich reduziert werden sollen. Das Bundesarbeitsgericht hat hierzu die folgenden Grundsätze aufgestellt:

„(1) Will ein Arbeitgeber mit der Kündigung einer teilmitbestimmten Betriebsvereinbarung seine finanziellen Leistungen vollständig und ersatzlos einstellen, tritt keine Nachwirkung ein. Im Falle einer vollständigen Einstellung der Leistungen verbleiben keine Mittel, bei deren Verteilung der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 Betriebsverfassungsgesetz mitzubestimmen hätte. Sinn der Nachwirkung nach § 77 Abs. 6 Betriebsverfassungsgesetz ist - zumindest auch - die kontinuierliche Wahrung betriebsverfassungsrechtlicher Mitbestimmungsrechte. Sind solche nicht betroffen, bedarf es der Nachwirkung nicht.“

„(2) Will der Arbeitgeber seine finanziellen Leistungen nicht völlig zum Erlöschen bringen, sondern mit der Kündigung einer Betriebsvereinbarung nur eine Verringerung des Volumens der insgesamt zur Verfügung gestellten Mittel und zugleich eine Veränderung des Verteilungsplans erreichen, wirkt die Betriebsvereinbarung nach. Anders als bei der vollständigen Streichung der Leistungen verbleibt in diesem Fall ein Finanzvolumen, bei dessen Verteilung der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 Betriebsverfassungsgesetz mitzubestimmen hat. Das vom Arbeitgeber einmal zur Verfügung gestellte Finanzvolumen wird dadurch nicht unabänderlich perpetuiert. Die erforderlichenfalls von ihm anzurufende Einigungsstelle muss vielmehr ihrem Spruch über den neuen Leistungsplan das vom Arbeitgeber noch zur Verfügung gestellte Finanzvolumen als mitbestimmungsfreie Vorgabe zugrunde legen.“

„(3) Will schließlich der Arbeitgeber mit der Kündigung einer Betriebsvereinbarung lediglich das bisher zur Verfügung gestellte Finanzvolumen verringern, ohne den Verteilungsplan zu ändern, ist die Mitbestimmung des Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 Betriebsverfassungsgesetz nicht betroffen. Wenn der Arbeitgeber die Verteilungsgrundsätze beibehalten und lediglich die Höhe der finanziellen Leistungen gleichmäßig absenken will, bedarf es dementsprechend zur Sicherung der Mitbestimmung des Betriebsrats der Nachwirkung der Betriebsvereinbarung hinsichtlich der absoluten Höhe der Leistungen nicht. Hinsichtlich des Verteilungsplans wirkt die Betriebsvereinbarung jedoch nach. In einem solchen Fall lässt sich eine BV aufspalten in einen nachwirkenden Teil über die Vergütungsstruktur und einen keine Nachwirkung entfaltenden Teil über die Vergütungshöhe.“


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „40 Jahre Betriebsrentengesetz – betriebliche Altersversorgung“ von Dr. Maren Augustin, Fachanwältin für Insolvenzrecht, Monika Dibbelt, Rechtsanwältin, und Jens Bierstedt LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter.


 

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Autor(-en):
Monika Dibbelt
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Jens Bierstedt
LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter


Kontakt: Dibbelt@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2015


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