17 UWG - Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen – Teil 27 – Geheimnishehlerei, § 17 Abs. 2 Nr. 2 UWG

5. Die Geheimnishehlerei

Die letzte der drei Tatbestandsvarianten des § 17 UWG ist die Geheimnisverwertung bzw. die Geheimnishehlerei nach § 17 Abs. 2 Nr. 2 UWG.


5.1. Normzweck (Fußnote)

Nach dem Geheimnisverrat durch Mitarbeiter und der Betriebsspionage stellt § 17 Abs. 2 Nr. 2 als dritter Tatbestand Fälle unter Strafe, in denen unbefugt erlangte Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse durch den Täter mitgeteilt oder verwertet werden.

Voraussetzung für die Geheimnishehlerei ist, dass der Täter das Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis entweder durch den Geheimnisverrat eines Mitarbeiters (Fußnote) oder durch eine eigene oder fremde Spionagehandlung (Fußnote) widerrechtlich erlangt hat.

5.2. Das betroffene Rechtsgut bei der Geheimnishehlerei

Das Tatobjekt der Geheimnishehlerei ist das Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis des Unternehmens. (Fußnote)

Anders als beim Geheimnisverrat oder der Betriebsspionage wird das Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis bei der Geheimnishehlerei nach § 17 Abs. 2 Nr. 2 nicht direkt geschützt.

Ein unmittelbarer strafrechtlicher Schutz des Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses besteht nur dann, wenn die Art und Weise der Geheimniserlangung zu beanstanden ist.

Die Bezeichnung der Geheimnishehlerei begründet sich durch die Ähnlichkeit zum strafrechtlichen Tatbestand der Hehlerei nach § 259 StGB.
Wie bei der Geheimnishehlerei, knüpft der strafrechtliche Tatbestand der Hehlerei als Tatobjekt an einen Gegenstand an, der durch eine rechtwidrige Vortat erlangt wurde.


5.3. Aufbau der Norm

Der strafrechtliche Schutz der Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse der Unternehmen soll mit dem Tatbestand der Geheimhehlerei auf unbefugte Mitteilungs- und Verwertungshandlungen ausgeweitet werden.

Wortlaut des § 17 UWG:
Ebenso wird bestraft, wer zu Zwecken des Wettbewerbs, aus Eigennutz, zugunsten eines Dritten oder in der Absicht, dem Inhaber des Unternehmens Schaden zuzufügen,
1. [...] unbefugt verschafft oder sichert oder
2. ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis, das er durch eine der in Absatz 1 bezeichneten Mitteilungen oder durch eine eigene oder fremde Handlung nach Nummer 1 erlangt oder sich sonst unbefugt verschafft oder gesichert hat, unbefugt verwertet oder jemandem mitteilt.

Strafbar nach dem Tatbestand der Geheimnishehlerei macht sich derjenige Täter, der ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, welches er:

  • durch den Geheimnisverrat eines Beschäftigten(Fußnote),
  • durch eine Form der Betriebsspionage (Fußnote) oder
  • durch sonstiges unbefugtes Verschaffen oder Sichern

erlangt hat (Fußnote), unbefugt verwertet oder einem Dritten mitteilt (Fußnote).

Bei der Geheimnishehlerei handelt es sich um ein zweistufiges Delikt. Als erste Voraussetzung ist die Geheimniserlangung zu prüfen. In der zweiten Stufe muss sodann eine Geheimnisverwertung zur Erfüllung des Tatbestandes erfolgt sein.

Die Geheimniserlangung beschreibt die für den Tatbestand der Geheimnishehlerei notwendigen Alternativen der Vortaten.


5.4. Was sind die Voraussetzungen der Geheimnishehlerei

Die Tatbestandsvoraussetzungen der Geheimnishehlerei sind vom Grundaufbau identisch den Voraussetzungen der Geheimnisverwertung und der Betriebsspionage.

Die Voraussetzungen der Geheimnishehlerei lassen sich wie folgt unterscheiden:

  • Objektive Tatbestandsvoraussetzungen 5.5.
  • Subjektive Tatbestandsvoraussetzungen 5.6.
  • Rechtswidrigkeit 5.7.

5.5. Die objektiven Tatbestandsvoraussetzungen

Die objektiven Tatbestandsmerkmale der Geheimnishehlerei setzen als Vortat voraus, dass der Täter durch eine selbstständige oder fremde Handlung unbefugt Kenntnis von einem Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis erlangt oder eine Kenntnissicherung vornimmt. Das betreffende Geheimnis muss im Anschluss an die Vortat unbefugt durch den Täter der Geheimnishehlerei verwertet werden. (Fußnote)

Die objektiven Tatbestandsvoraussetzungen der Geheimnishehlerei lassen sich wiederum in drei Hauptmerkmale unterscheiden:

  • Täter der Geheimnishehlerei 5.5.1.
  • Geheimniserlangung als Vortat 5.5.2.
  • Geheimnisverwertung 5.5.3.


5.5.1. Täterkreis der Geheimnishehlerei

Der Täterkreis der Geheimnishehlerei ist grundsätzlich identisch mit dem Täterkreis der Betriebsspionage.

Als Täter für die Geheimnishehlerei kommt jedermann in Betracht.

Dennoch ist der Kreis der in Frage kommenden Personen eingeschränkt. Es können nur diejenigen Personen das Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis verwerten, die auf Grund der Vortat das Geheimnis kannten oder in Gewahrsam hatten.

Als Haupttätergruppen der Vorschrift des § 17 Abs. 2 Nr. 2 UWG kommen ehemalige Beschäftige eines Unternehmens sowie beliebige Dritte Personen in Frage :

  • ehemalige Arbeitnehmer als Täter 5.5.1.1.
  • Dritte als Täter 5.5.1.2.


5.5.1.1. Ehemalige Mitarbeiter als Täter der Geheimnishehlerei

Von besonderer praktischer Bedeutung sind Fälle, in denen frühere Arbeitnehmer die Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse ihres ehemaligen Arbeitgebers verwerten.

Beispiel:
Der Vertriebsmitarbeiter eines Staubsaugervertriebes speichert während im Rahmen seiner Anstellung bei der V-AG Kundendaten auf seinem privaten Notebook. Nachdem der Mitarbeiter zum Konkurrenzunternehmen gewechselt ist, nutzt dieser die gespeicherten Kundendaten seines ehemaligen Arbeitgebers, um gezielt Kunden abzuwerben.

Derartige Taten sind nach § 17 Abs. 2 Nr. 2 UWG strafbar, sofern sich die Geheimnisse während der Dauer des Arbeitsverhältnisses unbefugt verschafft oder gesichert wurden.

Zwar darf ein ausgeschiedener Mitarbeiter die, während seiner Beschäftigung erworbenen Kenntnisse grundsätzlich unbeschränkt nutzen, sofern er keinem Wettbewerbsverbot unterliegt. Allerdings gilt dies ausschließlich für Informationen, die der Mitarbeiter aus dem Gedächtnis abruft oder auf die der ehemalige Mitarbeiter zulässigerweise weiterhin Zugriff hat.

Die Nutzung von erworbenen Kenntnissen nach Beendigung des Dienstverhältnisses ist jedoch beschränkt.

Der ausgeschiedene Mitarbeiter darf keine Informationen gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber verwenden, wenn er dazu auf während der Beschäftigungszeit angefertigte Unterlagen zugreifen muss.

Eine Nutzung der abgespeicherten Kundendaten wie im obigen Beispiel, zum Beispiel Serienbriefe, oder auch für sukzessiven Zugriff auf die Kontaktdaten für einzelne Adressierungen, ist damit strafbar nach § 17 Abs. 2 Nr. 2 UWG.

Die Tatsache, dass ausgeschiedene Beschäftigte als Täter der Geheimnishehlerei in Betracht kommen, erweitert den Anwendungsbereich des § 17 UWG insgesamt.

Handlungen von ehemaligen Beschäftigten im Zusammenhang mit einem Geheimnisverrat, die nicht von §17 Abs. 1 UWG erfasst werden, können so ggf. im Rahmen der Geheimnishehlerei sanktioniert werden.

5.5.1.2. Dritte Personen als Täter der Geheimnishehlerei

Der Täterkreis der Geheimnishehlerei ist nicht beschränkt. Die in Frage kommenden Personen müssen keine besonderen persönlichen Voraussetzungen erfüllen. (Fußnote)

Als Täter kommen neben ehemaligen Arbeitnehmern eines Unternehmens auch dritte Personen in Betracht.

Beispiel:
Die Geschäftsführer des Maschinenbauunternehmens A versucht durch gezielte Manipulationen und Ausforschungshandlungen beim Mitarbeiter M des Konkurrenzunternehmens B Kenntnis von geheimen Produktionsverfahren zu verschaffen. Diese nutzt G um seine Geräte günstiger zu produzieren. Dem Konkurrenzunternehmen B entsteht dadurch ein erheblicher Schaden.

Gleiches gilt, wenn eine dritte Person sich unter dem Vorwand, ein Kunde des Unternehmens zu sein, Zugang zu einer von einem Wettbewerber ausgestellten Maschine oder Software verschafft, um dieses Wissen anschließend gewinnbringend zu nutzen.

Der Geheimnishehlerei strafbar machen sich Täter, die vorsätzlich andere Personen zum Bruch vertraglich übernommener Geheimhaltungspflichten veranlassen. Dies ist insbesondere bei der systematischen Ausforschung und anschließenden Verwertung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen der Fall.

In Bezug auf die Täter und das Tatobjekt der Geheimnishehlerei ergeben sich ansonsten keine Unterschiede zur der Betriebsspionage nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UWG.

Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „17 UWG - Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen“ von Harald Brennecke, auf Vertriebsrecht spezialisierter Rechtsanwalt und Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz, und Oliver Ahnseel, wissenschaftlicher Mitarbeiter, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2015, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-38-0.


 

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Stand: Januar 2015


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Über die Autoren:

Harald Brennecke, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz

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Rechtsanwalt Harald Brennecke berät und vertritt als Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz bei Verstößen im Bereich des unlauteren Wettbewerbs, sei es im außergerichtlichen Bereich der Abmahnungen und Abschlussschreiben, im Bereich der einstweiligen Verfügungen oder in gerichtlichen Hauptsacheverfahren und wehrt unberechtigte Abmahnungen ab. Er verhandelt Vertragsstrafevereinbarungen zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr zwischen Verletzern und Verletzten.
Er prüft Werbeauftritte und Werbemaßnahmen wie Internetseiten, Onlineshops, Firmenauftritte, Prospekte und AGB auf wettbewerbswidrige Inhalte zur Vermeidung von Abmahnrisiken. 
Rechtsanwalt Brennecke berät Unternehmer beim Schutz ihrer Geschäftsgeheimnisse und Kundendaten.  Er ist im Bereich der UWG-Straftaten als Srafverteidiger und bei der Ermittlung und Dokumentation von Straftaten und der Erstellung von Strafanzeigen tätig, unter anderem bei Strafbarer Werbung, 16 UWG oder Verrat von Geschäftsgeheimnissen, 17 UWG, wie z.B. die unberechtigte Verwendung von Kundendaten.

Harald Brennecke hat im unter anderem veröffentlicht:

  • "Wettbewerbsrecht - Einführung in das Recht des unlauteren Wettbewerbs und das UWG", Harald Brennecke und Florin Brückner, 2010, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-12-0.
  • "17 UWG - Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen“, 2015, ISBN 978-3-939384-38-0, Verlag Mittelstand und Recht
  • "Urheberrecht - eine Einführung", von Harald Brennecke und Simon Hofmann, 2011, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-23-6
  • "Lizenzrecht - eine Einführung. Lizenzarten und Lizenzverträge.“ von Harald Brennecke und Florin Brückner, 2010, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-08-3
  • "Markenrecht - eine Einführung Markenformen, Markenschutz und Markenanmeldung ", Harald Brennecke und Florin Brückner, 2010, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-22-9

Weitere Veröffentlichungen von Harald Brennecke sind in Vorbereitung, unter anderem zum Thema

  • Recht im Marketing

 Harald Brennecke ist Dozent für Wettbewerbsrecht, Urheberrecht und Lizenzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie. 
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:

  • Schutz von Kundenadressen und Geschäftsgeheimnissen – 17 UWG in Theorie und Praxis
  • Strategische Ausrichtung von Unternehmen aus wettbewerbsrechticher Sicht
  • Markenschutzstrategien als betriebswirtschaftliches Instrument
  • Onlineshops rechtssicher gestalten
  • Lizenzvertragsgestaltung
  • Der Gebrauchtsoftwarekauf
  • Vertriebslizenzen in Recht und PraxisK

Kontaktieren Sie Rechtsanwalt Harald Brennecke, Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz, unter: 
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Normen: § 17 UWG

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