Der Bebauungsplan – Teil 43 – Sicherung der Erschließung, Bestandsschutz


Autor(-en):
Pascal Bothe
Wissenschaftlicher Mitarbeiter


14. Die Sicherung der Erschließung

Als Erschließung bezeichnet man die Gesamtheit von baulichen Maßnahmen und rechtlichen Regelungen zur Herstellung der Nutzungsmöglichkeitenvon Grundstücken.

Das Baugesetzbuch verlangt, dass bei Vorhaben die Erschließung gesichert ist. Was ist alles darunter zu fassen?

Die Anforderungen an die ausreichende Erschließung richten sich nach den jeweiligen Gegebenheiten, also nach den Auswirkungen und Bedürfnissen des jeweiligen Vorhabens. Bei einer Errichtung eines Gewerbebetriebes ist insbesondere auf die Betriebsgröße abzustellen, bei Wohnungen auf den Umfang der Wohnnutzung. Vor allem sind hier die Sicherung der Zufahrt über einen öffentlichen Verkehrsweg, sowie die Versorgung mit Wasser, Gas, Elektrizität sowie Telekommunikationsmedien und die Entsorgung von Abwässern besonders hervorzuheben.

Hinzuweisen ist jedoch darauf, dass der Erschließungsbegriff des BauGB regelmäßig mangels Bundeszuständigkeit für die übrigen Versorgungennetze in erster Linie die verkehrliche Erschließung meint.

So sind z. B. auch Grundstücke, die nicht an einem öffentlichen Kanalsystem anliegen, dennoch „erschlossen“ im Sinne des BauGB, wenn eine auf dem Grundstück vorhandene bzw. zu errichtende Klärgrube geleert werden, also ein Pumpfahrzeug auf öffentlichen Straßen an das Grundstück heranfahren kann.

Das Fehlen der Erschließung in diesem „weiteren“ Sinne kann demnach der Zulässigkeit eines Vorhabens nicht entgegengehalten werden.

Es macht daher einen Unterscheid, ob ein sich um Wohnnutzung handelt, Kleingewerbe angesiedelt wird, als deren Zufahrt auch ein kleiner asphaltierter Weg ausreicht, sofern dieser als Feuerwehrzufahrt tauglich ist, oder ein landwirtschaftlicher Betrieb.

Etwa bei großen Industrie-, Gewerbe-, oder landwirtschaftlichen Betrieben, zu denen regelmäßig Schwerlastverkehr (z.B. für große Anlieferungen, wie Futtermittel, Tiertransporte) erforderlich wird, sind höhere Anforderungen zu stellen.

So gelten insgesamt unterschiedliche Anforderungen an die Erschließung in Bezug auf eine Wohn- oder Gewerbenutzung:

Nach ständiger Rechtsprechung erfodert ein Wohngrundstück die Möglichkeit zum Heranfahren, wohingegen die gewerbliche Nutzung in vielen Fällen auch das Herauffahren voraussetzt. Ein teilweise geschotterter und mit unsortiertem Material befestigter Wirtschaftsweg stellt nach Ansicht der Gerichte beispielsweise keine ausreichende Erschließung für ein im Außenbereich nicht privilegiertes Wohnbauvorhaben dar.

Wenn das Baugrundstück nicht unmittelbar an eine öffentliche Verkehrsfläche angrenzt, muss die verkehrliche Erschließung über Privatgrundstücke durch die sog. Baulasteintragung gesichert sein.

Die entwässerungstechnische Erschließung ist ebenfalls sicherzustellen. Die Kommunen sind nach den jeweiligen Landesnormen (i.d.R. Landeswassergesetz) dazu verpflichtet, das auf ihrem Gebiet anfallende Abwasser zu beseitigen und die dazu erforderlichen Abwasseranlagen zu betreiben. Dabei darf keine Unterscheidung nach Abwässern vorgenommen werden. Alle anfallenden Abwässer müssen über kommunale Anlagen entsorgt werden können. Sie erfasst grundsätzlich alle Beseitigungsvorgänge im gesamten Gemeindegebiet, d.h. auch die Abwasserbeseitigung im Außenbereich.

Weiterhin ist denkbar folgende Maßnahmen im Rahmen der Erschließung vorzunehmen, deren Fehlen jedoch der Zulässigkeit nicht entgegengehalten werden kann:

Soziale Infrastruktur, Kinderspielsplätze

Kommunikation (Telefon, Kabelfernsehen)

Technische Erschließung im Hinblick auf Versorgung: Strom, Gas, Fernwärme

sowie

Ableitungen für Wasser (Kanalisation, Niederschlagswassersammler), Wasserversorgung

Straßen, Verkehrswege, Parkplätze: öffentlich, wie nicht-öffentlich

Grünflächen, Erholungsflächen

15. Der Bestandsschutz

„Keine Strafe ohne Gesetz“, lautet ein Rechtsgrundsatz, der auch in Art. 103 Abs. 2 unseres Grundgesetzes zu finden ist. Das heißt, dass eine Handlung, die zu einem Zeitpunkt begangen wurde, zudem noch kein gesetzliches Verbot bestand, nicht rückwirkend strafbar werden darf. Eine einmal zulässige Handlung bleibt also erlaubt, auch wenn sie heute so nicht mehr vorgenommen werden dürfte. Etwas ähnliches gilt auch im Baurecht:

Bestehende Gebäude, die nach früher gültigem Recht materiell rechtmäßig errichtet wurden, dürfen erhalten und weiter genutzt werden, auch wenn sie dem heute gültigem Baurecht nicht mehr entsprechen. Materiell rechtmäßig heißt, dass sie den bauplanungs- und bauordnungsrechtlichen Anforderungen zu einem bestimmten Zeitpunkt einmal entsprochen haben. Anders ausgedrückt mit Blick auf den gebundenen Charakter der Baugehmigung: ein Vorhaben ist dann bestandsgeschützt, wenn zu irgendeinem Zeitpunkt seit Bestehen des Bauwerks – wäre sie beantragt worden – ein Anspruch auf Erteilung einer Baugehmigung für das Vorhaben in seiner konkreten Gestalt bestanden haben würde.

Dies bedeutet, dass eine Baugenehmigung nicht vorliegen muss, sie müssen also nicht auch formell rechtmäßig sein - sonst würde sich die Frage nach dem Bestandsschutz erst gar nicht stellen, da sie durch die Legalisierungswirkung einer (auch rechtswidrigen) Baugenehmigung Gestattung erfahren haben würden.

Dabei gilt ebenso der Grundsatz der Baufreiheit, der sich abgeleitet aus dem Grundgesetz (Art. 14 Abs. 1) ergibt.

Dabei gelten die folgenden Voraussetzungen:

Das Gebäude hat zum Zeitpunkt seiner Errichtung oder im Laufe der Zeit geltendem Recht entsprochen.
Die derzeitige Bebauung ist noch immer funktionsgerecht nutzbar und daher schutzwürdig.
Geschützt ist jedoch nur das fertiggestellte Bauwerk, nicht ein Bauvorhaben!

Außerdem erfasst der Bestandsschutz nur das Bauwerk in seiner jetzigen Form. Wenn daher Erweiterungen, oder große Umbauten vorgenommen werden sollen, so entfällt der Bestandsschutz.

In den Bestandsschutz fallen weiterhin:

  • Unterhaltungsmaßnahmen,
  • Instandsetzungsmaßnahmen
  • Modernisierungsmaßnahmen

Was passiert, wenn mein Bauwerk unter Bestandsschutz steht, ich aber eine Abrissverfügung bekommen habe?

Folgen des Bestandsschutzes:

Eine erlassene Abrissverfügung ist rechtswidrig, sofern die benannten Voraussetzungen erfüllt sind.

Das führt dazu, dass der Grundstückseigentümer einen Anspruch auf bestandserhaltende Maßnahmen hat – auch wenn das Gebäude heute nicht mehr gebaut werden dürfte. Keine Kommune darf verursachen, dass Bauruinen entstehen. Änderungen dürfen jedoch nur geringfügig sein. Die Identität des Bauwerkes muss erhalten bleiben!

Unter Umständen kann ein Gebäude unter Bestandsschutz erweitert werden, wenn:

  • ein untrennbarer Zusammenhang der Funktionen von Bestand und Neubau besteht.
  • der Neubau nicht zu einer erheblichen Kapazitätserweiterung des Bestandes führt.
  • der Schutz des vorhandenen Bestandes ohne den Neubau gegenstandslos würde.

Die Bauverwaltung darf im Nachhinein nur Anforderungen stellen, die zur Abwehr von Gefahren oder unzumutbaren Belastungen dienen.

Aber auch der Bestandsschutz kann enden. Dies ist der Fall, wenn ein Gebäude, bzw. eine bauliche Anlage ihre bestimmte Funktion verliert. Ebenso gilt dies, wenn Erweiterungen, oder Umbauten ein zu großes Ausmaß annehmen. Weiterhin, wenn die Nutzung über einen nicht unerheblichen Zeitraum hinweg aufgegeben wird. Die Rechtsprechung legt hier regelmäßig einen Zeitraum von etwa zwei Jahren zugrunde.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Der Bebauungsplan Einführung in das Bauplanungsrecht“ von Olaf Bühler, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, und Pascal Bothe LL.B.,wissenschaftlicher Mitarbeiter.


 

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Stand: Januar 2015


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