Die Anlagengenehmigung nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz – Teil 11 – Behördenbeteiligung, Öffentlichkeitsbeteiligung


4.1.2.1.3 Behördenbeteiligung

Gemäß § 10 Abs. 5 BImSchG und §§ 11, 11a der 9. BImSchV sind spätestens mit der öffentlichen Bekanntmachung (s.u., 4.1.2.1.4.1) alle Behörden, deren Aufgabenbereich durch das Vorhaben berührt wird, zu beteiligen. Diese Vorschrift spiegelt die in § 13 BImSchG festgelegte Konzentrationswirkung der Genehmigung (s.o., 3.3.1.1) wider. Die Beteiligung kann unterschiedlich ausgestaltet sein:

  • in Form der einfachen Beteiligung,
  • durch Koordination und Abstimmung,
  • sowie ggf. durch eine Zusammenarbeit im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung oder mit ausländischen Behörden.

Zunächst sieht § 10 Abs. 5 S. 1 BImSchG die einfache Beteiligung von Behörden durch eine Aufforderung zur Abgabe von Stellungnahmen vor. Je nach Vorhaben können etwa Naturschutz-, Wasserschutz-, Abfallentsorgungs-, oder Bauaufsichtsbehörden zu beteiligen sein. In formeller Hinsicht erfolgt die einfache Beteiligung nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 BImSchG durch eine Anhörung, so dass die Genehmigungsbehörde nicht an die Stellungnahmen gebunden ist.(Fußnote) Konsequenterweise führt das Unterlassen einer Stellungnahme auch nicht zu einem formellen Verfahrensfehler. Vielmehr kann davon ausgegangen werden, dass die Behörde auf eine Stellungnahme verzichtet.(Fußnote) Dies entbindet die Genehmigungsbehörde jedoch nicht von der Klärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts, denn diesen muss die Genehmigungsbehörde nunmehr gemäß § 24 VwVfG selbst von Amts wegen ermitteln.

Im Hinblick auf das Ziel eines integrierten medienübergreifenden Umweltschutzes aus § 1 BImSchG bestimmt § 10 Abs. 5 S. 2 BImSchG die Genehmigungsbehörde dazu, etwaige sonstige Zulassungsverfahren vollständig zu koordinieren. Die Koordinationsaufgaben umfassen also nicht nur den reinen Verfahrensablauf, sondern auch die Inhalte und Nebenbestimmungen der Genehmigung.(Fußnote)

Nicht zur eigentlichen Behördenbeteiligung gehört die Ermächtigung nach § 13 Abs. 1 S. 1 der 9. BImSchV, Sachverständigengutachten einzuholen. Ein solches Vorgehen ist erforderlich, wenn die Komplexität der Auswirkungen genehmigungsbedürftiger Anlagen dazu führt, dass die Behörde die Genehmigungsvoraussetzungen nicht selbständig beurteilen kann.(Fußnote') Diese behördlichen Gutachten sind von den privaten Gutachten zu unterscheiden, welche vom Antragsteller eingeholt und dem Antrag beigefügt werden können.(Fußnote)

4.1.2.1.4 Öffentlichkeitsbeteiligung

Nachdem die Genehmigungsbehörde den Antrag nebst sämtlichen relevanten Antragsunterlagen erhalten hat, leitet sie mit der Öffentlichkeitsbeteiligung das Kernstück des förmlichen Genehmigungsverfahrens ein.(Fußnote) Die Öffentlichkeitsbeteiligung ist in § 10 Abs. 3 und 4 BImSchG und §§ 8 - 10 der 9. BImSchV geregelt und gliedert sich in die Bekanntmachung (s.u., 4.1.2.1.4.1), die Auslegung der Unterlagen (4.1.2.1.4.2), die etwaigen Einwendungen sowie ggf. einen Erörterungstermin (4.1.2.1.5).

Eine solche Beteiligung der Öffentlichkeit findet nur innerhalb eines förmlichen Genehmigungsverfahrens statt und ist somit weder bei einem vereinfachten Verfahren (s.u., 4.1.2.2), noch bei Änderungsgenehmigungen nach § 16 Abs. 2 BImSchG (s.o., 3.4) oder bei Änderungen während eines laufenden Genehmigungsverfahrens (§ 8 Abs. 2 S. 4 der 9. BImSchV) erforderlich.

4.1.2.1.4.1 Öffentliche Bekanntmachung

Sinn und Zweck der Bekanntmachung ist, eine ausreichende, tatsächlich wirksame Information der Betroffenen sicherzustellen.(Fußnote) § 10 Abs. 3 S. 1 BImSchG sowie § 8 Abs. 1 der 9. BImSchV schreiben der zuständigen Behörde vor, dass sie das Vorhaben in ihrem amtlichen Veröffentlichungsblatt und in örtlichen Tageszeitungen, die im Bereich des Anlagenstandortes verbreitet sind, öffentlich bekanntzumachen hat. Dazu gehören zumindest alle Tageszeitungen mit einem Lokalteil, sofern sie einen größeren Leserkreis im mutmaßlichen Einwirkungsbereich der Anlage besitzen.(Fußnote) Erfolgt zusätzlich eine Bekanntmachung im Internet, muss sie unschwer auffindbar sein.(Fußnote) Der Zeitraum zwischen der Bekanntmachung des Vorhabens und dem Beginn der Auslegungsfrist soll gemäß § 9 Abs. 2 der 9. BImSchV eine Woche betragen.

Gemäß § 10 Abs. 4 BImSchG und § 9 der 9. BImSchV muss eine Bekanntmachung mindestens folgenden Inhalt haben:

  • den Hinweis auf den Ort und den Zeitraum der Möglichkeit zur Einsichtnahme in die Antragsunterlagen (§ 10 Abs. 4 Nr. 1 BImSchG),
  • die Aufforderung, Einwendungen bei einer in der Bekanntmachung zu bezeichnenden Stelle innerhalb der Einwendungsfrist vorzubringen, zusammen mit einem Hinweis auf die ansonsten eintretende Präklusionswirkung (§ 10 Abs. 4 Nr. 2 BImSchG),
  • die Bestimmung eines Erörterungstermins einschließlich des Hinweises, dass die formgerecht erhobenen Einwendungen auch bei Ausbleiben erörtert werden können (§ 10 Abs. 4 Nr. 3 BImSchG),
  • einen Hinweis, dass die Zustellung der Entscheidung über die Einwendungen durch öffentliche Bekanntmachung ersetzt werden kann (§ 10 Abs. 4 Nr. 4 BImSchG),
  • die Angaben gemäß § 3 der 9. BImSchV (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 der 9. BImSchV), s.o. 4.1.2.1.2,
  • einen Hinweis auf die Auslegungs- und Einwendungsfrist (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 der 9. BImSchV),
  • sofern wegen einer Änderung während des Genehmigungsverfahrens eine zusätzliche Bekanntmachung und Auslegung erforderlich ist: den Hinweis, dass die Einwendungsmöglichkeit und die Erörterung auf die vorgesehenen Änderungen beschränkt sind (§ 8 Abs. 2 S. 4 der 9. BImSchV), und
  • den Hinweis auf die Möglichkeit der Unkenntlichmachung des Namens und der Anschrift von Einwendern (§ 12 Abs. 2 der 9. BImSchV).

4.1.2.1.4.2 Auslegung

Mit der Auslegung sämtlicher Antragsunterlagen erfolgt nach § 10 Abs. 3 S. 2 BImSchG ein zweiter Schritt der Öffentlichkeitsbeteiligung.

Die Auslegung darf frühestens am selben Tage und sollte eine Woche nach der letzten Bekanntmachung erfolgen (§ 9 Abs. 2 der 9. BImSchV).(Fußnote) Gesetzlich festgelegt ist hingegen der Auslegungszeitraum von einem Monat (§ 10 Abs. 3 S. 2 BImSchG).(Fußnote) Innerhalb dieses Monats hat die Behörde die Einsichtnahme während der gesamten Dienststunden (§ 10 Abs. 1 S. 6 der 9. BImSchV) und nicht nur während der Sprechzeiten zu ermöglichen. Die Auslegung hat stets am Sitz der Genehmigungsbehörde zu erfolgen und darüber hinaus in der Nähe des Anlagenstandorts, wenn dies erforderlich ist (§ 10 Abs. 1 S. 1 der 9. BImSchV).(Fußnote) Ergänzend, jedoch nicht alternativ, kann eine "Auslegung" im Internet erfolgen, die weniger strikten Anforderungen an Zeit und Ort unterliegt.

Auszulegen sind grundsätzlich der Antrag nebst sämtlichen Antragsunterlagen - etwa Beschreibungen, Empfehlungen, Stellungnahmen beteiligter Behörden und behördlicher Sachverständigengutachten(Fußnote) - mit Ausnahme der wegen Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen geheimhaltungsbedürftigen Dokumente (§ 10 Abs. 3 S. 2 Hs. 1 BImSchG). Da dies jedoch nicht dem Zweck der Öffentlichkeitsbeteiligung entspricht, erfährt diese umfangreiche Auslegungspflicht eine zusätzliche Einschränkung in § 10 Abs. 1 S. 1 der 9. BImSchV.14 Demnach sind lediglich die Unterlagen auszulegen, die Angaben über die Auswirkungen der Anlage auf die Nachbarschaft und die Allgemeinheit oder Empfehlungen zur Begrenzung dieser Auswirkungen enthalten.


[1] Jarass, § 10 Rn 46.

[2] Sparwasser/Engel/Voßkuhle, § 10 Rn 220.

[3] Sparwasser/Engel/Voßkuhle, § 10 Rn 221.

[4] Jarass, § 10 Rn 55.

[5] Jarass, § 10 Rn 56.

[6] Jarass, § 10 Rn 59.

[7] Jarass, § 10 Rn 60a.

[8] Jarass, § 10 Rn 60a, m.w.N.

[9] BayVGH, UPR 2014, 315 Rn 19.

[10] Jarass, § 10 Rn 63.

[11] Bei der Fristberechnung finden § 31 VwVfG i.V.m. §§ 187ff. BGB Anwendung.

[12] Insbesondere dann, wenn zwischen den beiden Orten eine größere Entfernung liegt, wie das in Flächenstaaten häufig der Fall sein wird (Jarass, § 10 Rn 64).

[13] Jarass, § 10 Rn 64.

[14] Schack, in: BeckOK UmweltR, BImSchG § 10 Rn 25.

Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die Anlagengenehmigung nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz“ von Olaf Bühler, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, und Niklas Gatermann, LL.M. of German and Polish Law und deutsche Rechtswissenschaften an der Europa-Universität Viadrina, Magister des Polnischen Rechts an der Adam-Mickiewicz-Universität Poznan, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2016, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-58-8.


 

Weiterlesen:
zum vorhergehenden Teil des Buches
zum folgenden Teil des Buches

Links zu allen Beiträgen der Serie Buch - Anlagengenehmigung nach BImSchG


Kontakt: info@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2016


Wir beraten Sie gerne persönlich, telefonisch oder per Mail. Sie können uns Ihr Anliegen samt den relevanten Unterlagen gerne unverbindlich als PDF zumailen, zufaxen oder per Post zusenden. Wir schauen diese durch und setzen uns dann mit Ihnen in Verbindung, um Ihnen ein unverbindliches Angebot für ein Mandat zu unterbreiten. Ein Mandat kommt erst mit schriftlicher Mandatserteilung zustande.
Wir bitten um Ihr Verständnis: Wir können keine kostenlose Rechtsberatung erbringen.


Das Referat Baurecht wird bei Brennecke & Partner Rechtsanwälte betreut von:

Portrait Tilo-Schindele Tilo Schindel, Rechtsanwalt

Tilo Schindele berät und vertritt bei Rechtsfragen um Bau- und Werkverträge. Er prüft Bauverträge, begleitet Bauvorhaben in den verschiedenen Leistungsphasen und vertritt bei Streitigkeiten um Bauleistungen. Er berät im öffentlichen Baurecht wie im privaten Baurecht. Er unterstützt in allen Phasen bei VOB- wie bei BGB-Verträge.

Rechtsanwalt Schindele steht Ihnen für Rechtsstreite um Baumängel über die außergerichtliche Verhandlung mit Sachverständigen über das selbständige Beweissicherungsverfahren bis hin zum Bauprozess zur Verfügung.

Er berät gerne Architekten, Bauunternehmen, Subunternehmer, Handwerker und Bauherren in allen Belangen wie Baugenehmigung, Bauplanung, Bauausführung sowie Bauabnahme. Er begleitet Geschäftsführer von Bauunternehmen bei Auseinandersetzungen nach dem Bauforderungssicherungsgesetz.

Zudem berät Herr Schindele auch bei umweltrechtlichen Fragen.

 

Kontaktieren Sie Rechtsanwalt Tilo Schindele unter:

Mail: schindele@brennecke-rechtsanwaelte.de

Telefon: 0711-400 426 – 40 oder 0170/6348186

 

Normen: § 10 BImSchG

Mehr Beiträge zum Thema finden Sie unter:

RechtsinfosBaurecht