Die Gesellschafterversammlung: Ein Leitfaden – Teil 19 – Teilnichtigkeit, Rechtswirkungen eines nichtigen Beschlusses, Heilung der Nichtigkeit

8.3.2 Teilnichtigkeit

Ein Beschluss kann nur zum Teil nichtig ist. Sofern ein Teil sinnvoll von dem nichtigen Teil des Beschlusses abtrennbar ist und nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen der Gesellschafter anzunehmen ist, dass dieser Teil auch ohne den anderen in dieser Form beschlossen worden wäre, führt dies dazu, dass dieser Teil wirksam ist (§ 139 BGB).[1]

Beispiel
Die Gesellschafterversammlung der X GmbH bestellt in einem Beschluss F und G zu alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführen. Dabei hat sie sich darüber hinweggesetzt, dass F nicht die nach § 6 Abs. 2 GmbHG erforderliche Integrität aufweist. Die Gesellschafter hätten G aber auch ohne F zum Geschäftsführer bestellt.

  • Somit ist der Beschluss betreffend G wirksam, betreffend F wegen Gesetzesverstoßes jedoch nichtig.

8.3.3 Rechtswirkungen eines nichtigen Beschlusses

Ein nichtiger Beschluss entfaltet keine Rechtswirkungen. Bis zu dieser Feststellung kann ein Beschluss allerdings faktisch Wirkung entfalten, indem die Geschäftsführung oder auch die Gesellschafter selbst unterstellen, dass ein wirksamer Beschluss gefasst wurde.[2]

Beispiel
Die Gesellschafterversammlung fasst Beschlüsse, obwohl die Sitzung nicht ordnungsgemäß einberufen wurde. Die Geschäftsführung führt die Beschlüsse aus.

  • Dass die Geschäftsführung die Beschlüsse ausführt, ändert nichts daran, dass diese nichtig sind.

8.3.4 Heilung der Nichtigkeit

Grundsätzlich nichtige Beschlüsse können geheilt werden mit der Folge, dass sie doch noch ihre Wirksamkeit erlangen:

  • im Rahmen einer Vollversammlung,
  • durch Eintragung in das Handelsregister oder
  • durch Billigung durch die Gesellschafter.

8.3.4.1 Vollversammlung

Beschlüsse, die im Rahmen einer Vollversammlung aller Gesellschafter getroffen werden, sind wirksam, wenn die Gesellschafter einstimmig auf die Einhaltung der Einberufungsvorschriften verzichten - das bloß rügelose Einlassen zur Beratung der Tagesordnung ist hierfür nicht ausreichend; es bedarf einer aktiven Handlung.[3]
Das Einverständnis kann auch noch nachträglich oder im Vorhinein erklärt werden.[4] Dies setzt allerdings voraus, dass sie von der Ladung und den Mängeln Kenntnis haben. Die Verantwortung, die eigenen Rechte zu verteidigen, liegt in den Händen der Gesellschafter. Daher sind Beschlüsse gleichsam nichtig, wenn ein Gesellschafter ausdrücklich der Beschlussfassung wegen Formmängeln widerspricht.[5]

Beispiel
Die Gesellschafter der X GmbH kommen zur Gesellschafterversammlung zusammen. Alle sind anwesend. Zu Beginn der Sitzung werden sie vom Versammlungsleiter darauf aufmerksam gemacht, dass die Ladung unzulässiger Weise durch den Büroleiter des Geschäftsführers abgezeichnet wurde. Sie beschließen, die Ladung gleichwohl als wirksam anzuerkennen.

  • Die folgenden Beschlüsse können dann nicht wegen dieses Formmangels nichtig sein, allerdings wegen anderer Nichtigkeitsgründe.

8.3.4.2 Eintragung in das Handelsregister

Mängel im Zusammenhang mit einer notariellen Beurkundung werden durch die Eintragung in das Handelsregister geheilt (§ 242 Abs. 1 AktG analog).[6]

Aus Gründen der Rechtssicherheit werden Beschlüsse, die unter Verstoß gegen

  • Einberufungsvorschriften
  • das Wesen der GmbH
  • Gesetze oder
  • die guten Sitten (§ 241 Nr. 1, 3, 4 AktG analog)[7]

zustande gekommen sind, drei Jahre nach Eintragung in das Handelsregister uneingeschränkt wirksam.[8]

Beispiel
Die Gesellschafterversammlung der X GmbH beschließt, den Gesellschaftsvertrag in entscheidenden Punkten zu ändern. Diese Änderungen werden in das Handelsregister eingetragen. Allerdings wurde vergessen, Gesellschafter A zur Sitzung einzuladen.

  • Der Beschluss wird drei Jahre nach Eintragung in das Handelsregister wirksam.

8.3.4.3 Billigung durch die Gesellschafter

Ein nichtiger Beschluss kann geheilt werden, indem ein formwirksamer und rechtmäßiger Beschluss gefasst wird, der den nichtigen Beschluss ausdrücklich bestätigt.

Beispiel
Die Gesellschafterversammlung der X GmbH fasst einen nichtigen Beschluss. Die fällt dem Justiziar bei der Prüfung des Sitzungsprotokolls auf und weist die Geschäftsführung darauf hin.

  • In der nächsten Gesellschafterversammlung wird ein neuer, ordnungsgemäßer Beschluss gefasst, der den nichtigen Beschluss bestätigt und damit wirksam werden lässt.

Dies gilt jedoch nicht bei Verstößen gegen gesetzliche Vorschriften oder die guten Sitten, die nicht zur Disposition der Gesellschafter stehen. Diese Vorgehensweise empfiehlt sich regelmäßig, wenn die Nichtigkeit eines Beschlusses intern gerügt wurde, um Rechtssicherheit zu schaffen.[9]
Ladungsmängel können darüber hinaus durch Genehmigung des beschwerten Gesellschafters oder ausdrücklichen Verzicht auf die Geltendmachung dieser Mängel geheilt werden (§ 242 Abs. 2 S. 4 AktG analog).[10]

Beispiel
Die Gesellschafterversammlung der X GmbH beschließt, den Gesellschaftsvertrag in entscheidenden Punkten zu ändern. Allerdings wurde vergessen, Gesellschafter A zur Sitzung einzuladen.

  • A ist jedoch mit den Änderungen einverstanden und erklärt, dass er den Beschluss genehmige.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die Gesellschafterversammlung: Ein Leitfaden“ von Harald Brennecke, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, und Dipl.-Jur. Marc Schieren, M. L. E., mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2016, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-50-2.


 

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Stand: Januar 2016


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Rechtsanwalt Harald Brennecke ist Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Fachanwalt für Insolvenzrecht.

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    Harald Brennecke ist seit 1999 im Bereich der Unternehmenssanierung tätig. Als Fachanwalt für Insolvenzrecht berät und begleitet er Sanierungen und betreut Geschäftsführer und Gesellschafter bei Firmeninsolvenzen. Er unterstützt Geschäftsführer in der Unternehmenskrise hinsichtlich der für sie bestehenden Haftungsrisiken sowie Gesellschafter im Interesse der Wahrung der Unternehmenswerte. Er unterstützt bei der Suche nach Investoren und Wagniskapitalgebern (venture capital), begleitet Verhandlungen und erstellt Investorenverträge.


Rechtsanwalt Harald Brennecke hat im Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht veröffentlicht:

  • "Das Recht der GmbH", Verlag Mittelstand und Recht, 2015, ISBN 978-3-939384-33-5
  • "Der Gesellschaftsvertrag der GmbH - Die GmbH-Satzung in Theorie und Praxis", 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-40-3
  • "Der Unternehmenskauf -  Rechtliche Risiken bei Kauf und Verkauf mittelständischer Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-18-2
  • "Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-29-8
  • "Gesellschaftsrecht in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-26-7
  • "Die Limited in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-34-2
  • "Der Insolvenzplan – Sanierungsinstrument in der Insolvenz", 2007, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-03-8
  • "Die Regelinsolvenz - Insolvenz für Unternehmer und Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-07-6
  • "Gesellschafterinteressen in der Publikums-KG: Auskunftsrechte der Kommanditisten einer Publikums-KG gegen Treuhänder“, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-28-1
  • "Die Gesellschafterversammlung: Ein Leitfaden", Harald Brennecke und Dipl.-Jur. Marc Schieren, M. L. E., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-50-2
  • "Arztpraxis – Kauf und Übergang", Harald Brennecke und Michael Kaiser, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-54-0

Folgende Veröffentlichungen von Rechtsanwalt Brennecke sind in Vorbereitung:

  • Die Due Diligence – Rechtliche Prüfung beim Unternehmenskauf
  • Die Liquidation der Kapitalgesellschaft
  • Die Unternehmergesellschaft (UG)

Harald Brennecke ist Dozent für Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht im DeutscherAnwaltVerein.  
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:

  • Gesellschaftsrecht für Steuerberater und Unternehmensberater – Grundlagen des Gesellschaftsrechts
  • Gesellschaftsvertragsgestaltung – Grundlagen und Risiken
  • Die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) – kleine Chance, großes Risiko
  • Welche Gesellschaftsform ist die Richtige? Vor- und Nachteile der Rechtsformen für Unternehmer
  • Geschäftsführerhaftung – Geschäftsführung von Kapitalgesellschaften; das letzte große Abenteuer der westlichen Zivilisation
  • Insolvenzrecht für Gründer und lebende Unternehmen: Aus Insolvenzen anderer lernen heißt das eigene Insolvenzrisiko zu vermeiden
  • Unternehmenssanierung: Kopf aus dem Sand! Wer zu spät reagiert, reagiert nie wieder.
  • Insolvenzrecht für Steuerberater – Grundlagen des Insolvenzrechts für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer
  • Insolvenzrecht für Unternehmensberater – Sanierungschancen erkennen und wahren
  • Insolvenzberatung: das (enorme) Haftungsrisiko des Sanierungsberaters

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