Die Gesellschafterversammlung: Ein Leitfaden – Teil 20 – Anfechtbare Gesellschafterbeschlüsse

8.4 Anfechtbare Gesellschafterbeschlüsse

Gesellschafterbeschlüsse können anfechtbar sein. Anfechtbare Beschlüsse sind solange wirksam, bis ihre Unwirksamkeit gerichtlich festgestellt wird.[1]

8.4.1 Anfechtungsberechtigung

Zur Anfechtung berechtigt sind ausschließlich die Gesellschafter. Das Recht zur Anfechtung von Gesellschaftsbeschlüssen kann nicht eingeschränkt oder entzogen werden. Der Gesellschaftsvertrag kann anderen Organen der Gesellschaft (zum Beispiel der Geschäftsführung oder einem Aufsichtsrat), nicht jedoch Dritten ein Anfechtungsrecht zugestehen.[2]

8.4.2 Anfechtungsgründe

Jeder Verstoß gegen eine gesetzliche Vorschrift oder eine Vorschrift im Gesellschaftervertrag, die der Sicherung der Gesellschafterrechte im Rahmen der Beschlussfassung dienen, führt dazu, dass derartige Beschlüsse anfechtbar sind.

8.4.2.1 Verfahrensfehler

Verfahrensfehler berechtigen nur dann zur Anfechtung, wenn sie für die Beschlussfassung in irgendeiner Weise relevant wurden, was widerleglich vermutet wird. Es ist hingegen nicht notwendig, dass beispielsweise eine verspätete Ladung tatsächlich einen Gesellschafter an der Sitzungsteilnahme gehindert hat. Die Relevanz scheidet aus, wenn das Informations- oder Mitwirkungsinteresse eines Gesellschafters nicht betroffen ist. Ordnungsvorschriften, die keine Auswirkungen auf die Beschlussfassung haben, sind kein tauglicher Anfechtungsgrund.[3]

Mögliche relevante Verfahrensfehler sind beispielsweise[4]:

  • Unterschreitung der Ladungsfrist
  • Nichteinladung teilnahmeberechtigter Dritter (wie etwa Mitglieder des Aufsichtsrates oder die Geschäftsführer)
  • Abhaltung der Gesellschafterversammlung an einem unzulässigen Ort oder zur Unzeit
  • Nicht-ordnungsgemäß angekündigte Tagesordnung
  • Abweichung von der festgestellten Tagesordnung
  • unzulässige bzw. unverhältnismäßige Ordnungsmaßnahmen
  • Anwesenheit nicht-teilnahmeberechtigter Personen oder
  • Fehler bei der Beschlussfeststellung (falsches Mehrheitserfordernis oder Fehler bei der Stimmauszählung).

8.4.2.2 Inhaltliche Fehler

Ein zur Anfechtung berechtigender inhaltlicher Fehler liegt bei jedem Verstoß gegen zwingendes Recht vor.[5]

Beispiele hierfür sind[6]:

  • Verletzung der Treuepflicht der Gesellschafter
  • Verstoß gegen den gesellschaftsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 53a AktG analog) oder
  • ein Verstoß gegen die Zweckbindung des Gesellschaftsvertrages.

Beispiel
Die Gesellschafter der X GmbH beschließen, den gesamten Gewinn aus dem Geschäftsjahr 2014 für eine große Geburtstagsfeier zu Ehren des Gesellschafters U auszugeben.

  • Gesellschafter A, der bei der Sitzung nicht anwesend war, ficht den Beschluss an. Der Beschluss hat nichts mit den Geschäften der X GmbH zu tun. Er verstößt gegen die Zweckbindung des Gesellschaftsvertrages.

8.4.3 Heilung des Fehlers

Ein zur Anfechtung berechtigender Fehler kann geheilt werden, wenn der Gesellschafter, dessen Rechte verletzt wurden, den Beschluss bestätigt bzw. diesem zustimmt.[7]

Muster
"Hiermit stimme ich, [Name], Gesellschafter der X GmbH und Inhaber des Geschäftsanteils Nr. 1 dem Beschluss der Gesellschafterversammlung vom [Datum], [Beschreibung], in der Kenntnis, dass meine Vorbereitungszeit durch die Unterschreitung der Ladungsfrist verkürzt wurde, ausdrücklich zu. [Ort], [Datum], [Unterschrift]"

Die Bestätigung kann auch durch einen formell ordnungsgemäßen, bestätigenden Beschluss durch die Gesellschafterversammlung erfolgen. Welche Variante gewählt wird, hängt davon ab, wie viele Gesellschafter von der Fehlerhaftigkeit betroffen sind.[8]

8.4.4 Ausschluss der Anfechtbarkeit

Ein Gesellschafter kann Beschlüsse nicht mehr anfechten, wenn er

  • ausdrücklich darauf verzichtet
  • den betreffenden Beschluss bestätigt oder
  • sein Anfechtungsrecht in sonstiger Weise verwirkt hat.

Beispiel
Gesellschafter A wurde zur Gesellschafterversammlung nicht geladen. Als er in der nächsten Sitzung von den Beschlüssen erfährt, gibt er zu Protokoll, auf rechtliche Schritte zu verzichten. Später überlegt er es sich jedoch anders und klagt.

  • Die Klage hat keine Aussicht auf Erfolg, da A sein Anfechtungsrecht durch Verzicht verwirkt hat.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die Gesellschafterversammlung: Ein Leitfaden“ von Harald Brennecke, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, und Dipl.-Jur. Marc Schieren, M. L. E., mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2016, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-50-2.


 

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Stand: Januar 2016


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Über die Autoren:

Harald Brennecke, Rechtsanwalt

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Rechtsanwalt Harald Brennecke ist Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Fachanwalt für Insolvenzrecht.

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  • Sanierung, Insolvenzvermeidung und Insolvenzbegleitung:
    Harald Brennecke ist seit 1999 im Bereich der Unternehmenssanierung tätig. Als Fachanwalt für Insolvenzrecht berät und begleitet er Sanierungen und betreut Geschäftsführer und Gesellschafter bei Firmeninsolvenzen. Er unterstützt Geschäftsführer in der Unternehmenskrise hinsichtlich der für sie bestehenden Haftungsrisiken sowie Gesellschafter im Interesse der Wahrung der Unternehmenswerte. Er unterstützt bei der Suche nach Investoren und Wagniskapitalgebern (venture capital), begleitet Verhandlungen und erstellt Investorenverträge.


Rechtsanwalt Harald Brennecke hat im Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht veröffentlicht:

  • "Das Recht der GmbH", Verlag Mittelstand und Recht, 2015, ISBN 978-3-939384-33-5
  • "Der Gesellschaftsvertrag der GmbH - Die GmbH-Satzung in Theorie und Praxis", 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-40-3
  • "Der Unternehmenskauf -  Rechtliche Risiken bei Kauf und Verkauf mittelständischer Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-18-2
  • "Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-29-8
  • "Gesellschaftsrecht in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-26-7
  • "Die Limited in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-34-2
  • "Der Insolvenzplan – Sanierungsinstrument in der Insolvenz", 2007, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-03-8
  • "Die Regelinsolvenz - Insolvenz für Unternehmer und Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-07-6
  • "Gesellschafterinteressen in der Publikums-KG: Auskunftsrechte der Kommanditisten einer Publikums-KG gegen Treuhänder“, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-28-1
  • "Die Gesellschafterversammlung: Ein Leitfaden", Harald Brennecke und Dipl.-Jur. Marc Schieren, M. L. E., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-50-2
  • "Arztpraxis – Kauf und Übergang", Harald Brennecke und Michael Kaiser, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-54-0

Folgende Veröffentlichungen von Rechtsanwalt Brennecke sind in Vorbereitung:

  • Die Due Diligence – Rechtliche Prüfung beim Unternehmenskauf
  • Die Liquidation der Kapitalgesellschaft
  • Die Unternehmergesellschaft (UG)

Harald Brennecke ist Dozent für Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht im DeutscherAnwaltVerein.  
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:

  • Gesellschaftsrecht für Steuerberater und Unternehmensberater – Grundlagen des Gesellschaftsrechts
  • Gesellschaftsvertragsgestaltung – Grundlagen und Risiken
  • Die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) – kleine Chance, großes Risiko
  • Welche Gesellschaftsform ist die Richtige? Vor- und Nachteile der Rechtsformen für Unternehmer
  • Geschäftsführerhaftung – Geschäftsführung von Kapitalgesellschaften; das letzte große Abenteuer der westlichen Zivilisation
  • Insolvenzrecht für Gründer und lebende Unternehmen: Aus Insolvenzen anderer lernen heißt das eigene Insolvenzrisiko zu vermeiden
  • Unternehmenssanierung: Kopf aus dem Sand! Wer zu spät reagiert, reagiert nie wieder.
  • Insolvenzrecht für Steuerberater – Grundlagen des Insolvenzrechts für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer
  • Insolvenzrecht für Unternehmensberater – Sanierungschancen erkennen und wahren
  • Insolvenzberatung: das (enorme) Haftungsrisiko des Sanierungsberaters

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