Die strafbefreiende Selbstanzeige – Teil 20 – Ausschluss der Fremdanzeige, Pflicht zur Nachzahlung, Wirkung der Fremdanzeige


Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin

Monika Dibbelt
Rechtsanwältin

Jens Bierstedt
LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter


6.2 Ausschluss der Fremdanzeige

Der einzige Sperrgrund für eine strafbefreiende Fremdanzeige ist, wenn vor der Anzeige des Anzeigenerstatter dem Dritten oder seinem Vertreter die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens wegen der angezeigten Tathandlung bekannt gegeben worden ist.

6.3 Pflicht zur Nachzahlung

Die strafbefreiende Fremdanzeige nach § 371 Abs. 4 AO sieht eine Nachentrichtung gem. § 371 Abs. 3 AO analog vor. Allerdings nur dann, wenn der Dritte, der anzeigepflichtig ist, zum eigenen Vorteil gehandelt hat (§ 371 Abs. 4 S. 2 AO). Hat der Dritte zum eigenen Vorteil gehandelt, hat er erlangte Steuervorteile nebst Hinterziehungszinsen zu entrichten.

Beispiel
V und M haben über Jahre hinweg Zinseinkünfte nicht erklärt. V stirbt und wird von M und S, dem Sohn der beiden, beerbt.

  • S muss als Gesamtrechtsnachfolger nach § 153 AO berichtigen, denn zum eigenen Vorteil gehandelt hätte S, wenn er die Erklärung unterlassen, unrichtig oder unvollständig abgegeben hätte, um eine Steuerverkürzung zu seinen Gunsten zu bewirken.

6.4 Wirkung der Fremdanzeige

Umstritten ist die wiege, welcher Personenkreis von einer wirksamen Fremdanzeige erfasst wird, wer folglich als Dritter im Sinne des § 371 Abs. 4 AO anzusehen ist. Nach einer weit verbreiteten Ansicht soll die Vorschrift nicht nur denjenigen begünstigen, der die (nachträgliche) Anzeige- und Berichtigungspflicht nach § 153 AO verletzt hat, sondern auch dem ursprünglichen Steuerhinterzieher zugutekommen.[1] Sofern der Dritte, dem die Anzeige zu Gute kommt, zum eigenen Vorteil gehandelt hat, wird er nur dann strafrechtlich nicht verfolgt, wenn er gem. § 371 Abs. 4 Satz 2 AO die entsprechende Steuer, Zinsen und ggf. Zuschlag (§ 398a AO) nachzahlt (§ 371 Abs. 3 AO ist entsprechend anzuwenden).

Beispiel
Der Geschäftsführer einer GmbH, G 1, hat eine unrichtige Steuererklärung für die GmbH abgegeben und dadurch eine Steuerhinterziehung durch Handeln begangen. Der Geschäftsführer G 2 erfährt nachträglich von der unrichtigen Steuererklärung, unternimmt vorsätzlich aber nichts. G 2 hat sich der Steuerhinterziehung durch Unterlassen strafbar gemacht. Als G 3 vom Verhalten von G 1 und G 2 erfährt, gibt G 3 eine Erklärung nach § 153 AO bei der Finanzbehörde ab.

  • § 371 Abs. 4 AO erfasst denjenigen, der zuvor seinerseits die Berichtigungspflicht nach § 153 AO verletzt hat und sich deshalb nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 153 AO strafbar gemacht hat. In unserem Fall wirkt die Erklärung des G 3 dementsprechend auch für G 1 und G 2, sodass die Erklärung auch für beide zur Straffreiheit führt.

Beispiel[2]
A ist Alleingesellschafter und einziger Geschäftsführer der B GmbH. Über Jahre hinweg hat er für die B GmbH Körperschaft- und Gewerbesteuer verkürzt. Für diese Jahre und Steuerarten hat eine angeordnete Außenprüfung begonnen. Die Hinterziehung ist noch nicht entdeckt und ein Strafverfahren gegen A noch nicht eingeleitet.

  • A kann „aus eigener Kraft“ Straffreiheit durch Selbstanzeige nicht mehr erlangen, weil die Prüfung für die betroffenen Jahre und Steuerarten angeordnet ist und auch schon begonnen hat, vgl. § 371 Abs. 2 Nr. 1 a und c AO. Würde er aber nun den langjährigen Mitarbeiter B zum Geschäftsführer bestellen, könnte dieser, sofort nach Amtsantritt nach § 153 AO berichtigen und A so der Strafverfolgung entziehen.

Beispiel[3]
V und M haben über Jahre hinweg Zinseinkünfte nicht erklärt. V stirbt und wird von M und S, dem Sohn der beiden, beerbt.

  • Wenn S nun als Gesamtrechtsnachfolger seines Vaters nach § 153 AO berichtigt, wirkt dies auch zugunsten der M, die gemeinsam mit V die Steuerhinterziehung begangen hat.


[1] Joecks, in: Franzen/Gast/Joecks 7. Aufl. .Steuerstrafrecht, § 371 Rn. 228a.

[2] Vgl. Wenzler/Rübenstahl, Seite 147.

[3] Vgl. Wenzler/Rübenstahl, Seite 147.

Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die strafbefreiende Selbstanzeige“ von Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, spezialisiert auf Steuerrecht, Monika Dibbelt, Rechtsanwältin, und Jens Bierstedt LL.M., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2016, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-47-2.


 

Weiterlesen:
zum vorhergehenden Teil des Buches
zum folgenden Teil des Buches

Links zu allen Beiträgen der Serie Buch - Strafbefreiende Selbstanzeige


Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin

Monika Dibbelt
Rechtsanwältin

Jens Bierstedt
LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter


Kontakt: ritterbach@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2016


Wir beraten Sie gerne persönlich, telefonisch oder per Mail. Sie können uns Ihr Anliegen samt den relevanten Unterlagen gerne unverbindlich als PDF zumailen, zufaxen oder per Post zusenden. Wir schauen diese durch und setzen uns dann mit Ihnen in Verbindung, um Ihnen ein unverbindliches Angebot für ein Mandat zu unterbreiten. Ein Mandat kommt erst mit schriftlicher Mandatserteilung zustande.
Wir bitten um Ihr Verständnis: Wir können keine kostenlose Rechtsberatung erbringen.


Über die Autoren:

Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht

Portrait Carola-Ritterbach

Rechtsanwältin Carola Ritterbach absolviert derzeit den Fachanwaltskurs Steuerrecht. Sie berät Gesellschafter und Unternehmer bei der steuerlichen Gestaltung von Gesellschaften und Unternehmen. Sie begleitet Betriebsprüfungen und vertritt bei Finanzgerichtsstreitigkeiten mit dem Finanzamt oder vor Finanzgerichten.  Rechtsanwältin Ritterbach berät und vertritt bei Steuerselbstanzeigen und Steuerstrafverfahren.  Sie erstellt Unternehmensbewertungen und begleitet Unternehmenskäufe bzw. Unternehmensverkäufe aus steuerrechtlicher Sicht.
Sie berät bei der Gestaltung von Erbschaften und Schenkungen zur Vermeidung unnötiger Erbschaftssteuer und entwirft Vermögensübertragungskonzepte. 
Sie berät hinsichtlich steuerlicher Auswirkungen von Insolvenzen. Dabei prüft und beantragt sie Steuererlasse zum Zweck der Unternehmenssanierung oder für insolvente Steuerschuldner sowie die nachträgliche Aufteilung
on Steuern im Fall der Zusammenveranlagungen bei Insolvenzen einzelner Ehepartner.
Rechtsanwältin Ritterbach ist Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht und ist seit vielen Jahren im Bereich Bankrecht tätig. Steuerliche Fragen bei Finanzierungsgeschäften treffen daher ihr besonderes Interesse.

Carola Ritterbach hat im Steuerrecht veröffentlicht:

  • Bilanzierung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-49-6
  • Steuerstrafrecht – Strafbarkeit der Organe in Unternehmen, Monika Dibbelt, Carola Ritterbach und Alexander Mayr, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-48-9
  • Die strafbefreiende Selbstanzeige, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-47-2
  • Besteuerung Personengesellschaften, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-52-6
  • Steuerberaterhaftung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Anika Wegner, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-51-9
  • Erbschaftssteuer- und Schenkungssteuerrecht: Das Recht der Erbschafts- und Schenkungssteuer. Möglichkeiten zur Verringerung der Steuerbelastung bei Erbschaften und Schenkungen, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-16-8,
  • Die Haftung für Steuerschulden, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-39-7

Weitere Veröffentlichungen von Rechtsanwältin Ritterbach im Steuerrecht sind in Vorbereitung, so

  • Änderung von Steuerbescheiden – Wann darf das Finanzamt einen Steuerbescheid aufheben oder korrigieren

Carola Ritternach ist Dozentin für Steuerrecht bei der DMA Deutsche Mittelstandsakademie sowie Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Steuerrecht im Deutschen Anwaltsverein.
 Sie bietet Vorträge und Seminare unter anderem zu folgenden Themen an:

  • Erbschaftssteuer und Schenkungssteuer vermeiden
  • Wahl der Gesellschaftsform unter Steuergesichtspunkten
  • Lohnsteuer- und Umsatzsteuerhaftung des Geschäftsführers
  • Mindestlohn – Worauf hat der Steuerberater zu achten
  • Die Umsatzsteuer – eine kauf- und leasingrechtliche Betrachtung
  • Die steuerliche Organschaft – Was wird wo versteuert?
  • Die Besteuerung ausländischer Einkünfte – Immobilien, Unternehmensbeteiligungen, Kapitalanlagen oder Geschäftsführergehälter

Kontaktieren Sie Rechtsanwältin Ritterbach unter:
Mail: ritterbach@brennecke-rechtsanwaelte.de
Telefon: 0721-20396-28

 

Monika Dibbelt, Rechtsanwältin

Portrait Monika-Dibbelt

Rechtsanwältin Monika Dibbelt berät und vertritt Steuerschuldner bei Fragen über die Abgabe von Steuern und die Pflichten zur Abgabe von Steuererklärungen, insbesondere im Rahmen von Insolvenzverfahren und Wohlverhaltensperiode. Sie vertritt ihre Mandanten bei der Einlegung von Rechtsbehelfen gegen Bescheide des Finanzamtes sowie in Verfahren vor den Finanzgerichten und im Steuerstrafrecht. Rechtsanwältin Dibbelt arbeitet derzeit an Veröffentlichungen im Bereich Steuerrecht.

Monika Dibbelt hat im Steuerrecht veröffentlicht:

  • Bilanzierung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-49-6
  • Steuerstrafrecht – Strafbarkeit der Organe in Unternehmen, Monika Dibbelt, Carola Ritterbach und Alexander Mayr, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-48-9
  • Die strafbefreiende Selbstanzeige, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-47-2
  • Besteuerung Personengesellschaften, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-52-6
  • Steuerberaterhaftung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Anika Wegner, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-51-9

 

Eine steuerberatende Tätigkeit kann Frau Rechtsanwältin Dibbelt nicht erbringen. Bei Bedarf empfiehlt sie gerne einen geeigneten Kontakt.

Kontaktieren Sie Rechtsanwältin Dibbelt unter:
Mail: dibbelt@brennecke-rechtsanwaelte.de
Telefon: 0421-2241987-0

 

Normen: § 371 AO

Mehr Beiträge zum Thema finden Sie unter:

RechtsinfosSteuerrecht